„Regel Nummer eins; Bevor man lernt zu kämpfen muss man wissen wie man flieht.", Jupiter sprang auf und stellte sich vor Mina um ihr ein paar Schritte zu zeigen. Stolz machte er sich größer als er ist und schwellte die schmale, knochige Brust, die kaum von dem braunen Lumpen bedeckt wurde, den er trug. Natürlich wollte er nur angeben, aber Mina tat so, als würde sie das gar nicht merken und lächelte aufmerksam zuhörend.
Die beiden hatten die Mittagsstunden im Schatten der Stadtmauer verbracht und waren nun zur Hafentherme hinab gegangen. Es war zu warm gewesen, um irgendwas zu machen und zum Jagen hatten sie ein wenig später immer noch genügend Zeit. Zumal sich in der Abendsonne mehr Katzen auf die Felsen legten.
„Regel Nummer zwei; Wenn Regeln Nummer eins unter allen Umständen gebrochen werden musste, ist kämpfen dein einziger Weg. Ich zeig dir jetzt mal ein paar Sachen, die mir schon oft geholfen haben, wenn ich in Schwierigkeiten war. Also pass gut auf, ja?", fragte er wie ein strenger Lehrer spielend. Mina nickte eifrig und setzte ebenfalls, wenn auch nur halbherzig, eine konzentrierte Miene auf. Sie fand sein Gehampel lustig, wie er von einem Bein auf das andere sprang, vor ihr hin und her flanierte, wie ein kleiner Soldat.
„Also schön! Wenn ein Erwachsener dich festhalten will, weil du ihm das Essen oder sein Geld geklaut hast, dann machst du so." Er demonstrierte eine Abwehrbewegung mit dem Armen, als wolle er sich von einen unsichtbaren Gegner losreißen.
„Und wenn er dann so machen, dann machst du das!", erklärte er weiter mit phantomischen Bewegungen eine gefährliche Kampfes, der Mina entgegen ihres Vorhabens ernst auszusehen, zum kichern brachte. „Oder du beißt ihn. Hier.", er zeigte auf seine Nase. „Oder da.", und deutete auf seine Ohren. Mina nickte, zweifelnd. Erwachsene waren groß, ob sie da an seine Nase oder seine Ohren kommen konnte? „Aber dann kann er wütend werden und dann hilft nur noch Rennen. Zum Glück bin ich der Schnellste Junge der ganzen Welt, die Erwachsenen haben mich noch nie bekommen." Und er meinte es sehr ernst.„Regel Nummer drei: Nimm kein Risiko in Kauf, dass sich nicht lohnt. Naja, also das Wichtigste ist, dass du wachsam bist und immer auf Augen, Nase oder Ohren gehst. Das tut besonders weh.", erklärte er und bemerkte Minas zweifelnden Blick. „Und wenn du da nicht ran kommst, dann zwischen die Beine.", Jupiter zeigte grinsend hinunter. „Aber das mache ich dir lieber nicht vor." Er lachte und auch Mina musste ein bisschen lachen, weniger deswegen, weil sie verstand was er andeutete, mehr war es seine fröhliche Mimik und sein lebhaftes Schauspiel, das sie erheiterte.
Doch mit der frohen, lockeren Stimmung war es mit einem Mal vorbei. Aus dem Nichts stand ein Mann hinter Jupiter, griff ihn und hob den schmächtigen Jungen hoch wie ein Spielzeug. Ein dicker Arm legte sich um den zappelnden Jungenkörper, ein zweiter um seinen Hals. Obwohl er schrie und sich wand wie eine Schlange wirkte er wie eine kraftlose Puppe in dem mächtigen Griff des Mannes aus dem es kein Entrinnen gab. Mina war ebenfalls quietschend hochgefahren und stolperte zurück. Mit einem Mal raste ihr Herz vor Angst und eine Gänsehaut überzog ihre Arme.
„Hier du sein und spielen mit schmutzigen Katzenkindern, Mina! Der Herr suchen nach dir seit du von zuhause gelaufen, mehrere Tage lang und er sehr wütend. Er wird strafen, wenn du wieder zuhause. Komm mit mir heim sofort, bevor Herr auch wütend auf mich!" Die tiefe Stimme des Mannes fuhr ihr durch Mark und Bein. Sie erkannte ihn. Es war Leto. Sie hatte diesen Namen schon beinahe genauso oft ausgesprochen wie ihren eigenen. Und doch kam er ihr jetzt beängstigend und fremd vor.
„Lauf weg!", schaffte Jupiter unter dem Gewicht des Arms zu schreien der ihm die Luft abschnürte. „Hol Vater! Schnell!" Und Mina rannte. Noch bevor ihr Kopf hinterherkommen konnte lief sie bereits zum Hafen herunter. „Stehen bleiben!!!" Das war Leto, sein Brüllen war gewaltig und schlug wie ein Peitschenhieb über die Straße. Mina beschleunigte ihren Lauf, hastete über die Steinstraße hinab zu der Kaimauer. „Mina!", rief Leto und es klang immer weiter entfernt. Wie der raue Wind eines herannahenden Sturms.
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Römisches Blut
Ficción histórica45 n. Chr. Pompeji Der junge Stoffhändler Aries lebt ein eher bescheidenes Leben in dem er sich von Monat zu Monat über Wasser hält, als plötzlich unweit der Vorstadttherme ein Mord geschieht. Kurz darauf scheint nichts mehr so zu sein wie zuvor, wä...