5. Tatverdacht

16 4 0
                                    

Aries erreichte mit Titus das tote Mädchen, um das sich nun doch einige Passanten drängten und einen Kreis bildeten wie um einen Taschenspieler. Eine Art Genugtuung breitete sich in seiner Brust aus und er schnaubte zufrieden. Anscheinend war er doch nicht der einzige, der sich um eine Sklavin Gedanken machte und entsetzt war, ihre Leiche einfach so auf der Straße liegen zu sehen. Verrückt, na klar! Allein wenn Aries noch an die Worte der anderen dachte bekam er schlechte Laune. Aber daran wollte er sich nicht erinnern. „Was ist hier los?", fragte Titus überrascht. „Das, wovon ich eben versucht habe zu erzählen.", antwortete Aries schlicht und genoss den Verwirrten Blick seines Onkels.

Sie kamen langsam näher an das Stimmengewirr der umstehenden Leute. Es überlastete Aries Gehör sofort und er schnappte von überall her Gesprächsfetzen auf. „Wie konnte das nur passieren?" „...habe nicht bemerkt." „Meine Schwester hat noch erzählt..." „Früher hätte es sowas nicht gegeben." „Abartig!" Alle redeten durcheinander, kaum zu erfassen, wer was sagte. Aries warf einen Blick auf Titus, der seinerseits zwischen Überraschung und Entsetzen stand. Er sah sich um, hatte die Stirn in Falten gelegt, nicht recht glaubend was hier vor sich ging. Ja... verrückt. Aries sah auf das im Zentrum der Aufmerksamkeit liegende Mädchen, keiner hatte gewagt sie zu berühren, ihr Körper lag unverändert da. Das Blut um ihren Kopf breitete sich nun nicht mehr weiter aus und war dunkel geworden. Ihr Haar war nun zum Großteil mit ihrem Blut vollgesogen und ihre Haut sah wachsig und bleich aus. Als Aries sie gefunden hatte, hatte sie noch lebendiger ausgesehen. Nun wirkte sie auf Aries nicht mehr wie zuvor, ihre Schönheit war mit ihrer Seele gegangen.

Da hob ein Mann das Tuch auf, welches Aries in der Eile zuvor hatte liegen lassen. Es war schmutzig, unverkennbar das einige Leute achtlos darübergestiegen waren. „Tretet zurück! Hier haben wir einen Beweis!", rief er wie der Händler der er war, als wollte er auf dem Forum seine erntefrischen Orangen feil bieten. Aries schluckte angespannt und zog den Kopf ein. Die Leute grölten und erhoben ihre Stimmen. „Das Tuch des Mörders!" „Er kam aus der Therme!" „Bestraft werden soll er!" Aries wich langsam, Schritt für Schritt zurück. Das wurde ihm gerade ganz gehörig zu fiel. „Was ist los?", raunte Titus ihm neugierig zu. Aries sah ihn einen Moment eindringlich an. „Das ist mein Tuch...", flüsterte er leise zu Titus der daraufhin nachdenklich wirkte. „Warum trittst du dann nicht vor und erklärst dich?", fragte er wispernd. Aries entfuhr ein leises, unfreundliches Lachen. „Das werden die mir auch ganz sicher glauben. So funktionieren erregte Menschenmengen nicht, Titus. Sie suchen nach einem Sündenbock, den sie für den schrecklichen Anblick verantwortlich machen können. Wenn ich mich jetzt zu Wort melde ziehe sofort den Verdacht auf mich.", versuche er dem Älteren zu erklären, der jedoch nicht den Hauch von Verständnis zeigte. „Meinst du nicht, dass du übertreibst? Es ist doch nichts los. Seit wann bist du so ängstlich, wenn du nichts damit zutun hast? Das hast du doch nicht, oder?", fragte Titus noch etwas leiser werdend. Aries verdüsterte den Blick. „Bei allen Göttern nein! Natürlich nicht!", knurrte Aries etwas zu laut. Umgebende Augen richtet sich auf ihm, schienen ihn erst jetzt in der Menge zu sehen. Die Blicke glitten runter und sie sahen das getrocknete Blut auf seiner Tunika. Augenblicklich wichen sie zurück, als wäre er eine giftige Schlange und bildeten einen Halbkreis um ihn. Na besten Dank, dachte sich Aries beunruhigt. Nun war er gezwungen das Wort zu ergreifen und sich zu erklären. Er seufzte und breitete die Arme aus. „Das ist mein Tuch! Und ja, das-„, er deutete auf seine Tunika „ ist ihr Blut!Ich habe das Tuch fallen lassen, als ich sie fand. Ich saß in ihrem Blut vor Entsetzen über ihren Tod und bin dann losgegangen um Hilfe zu holen." Es war eine knappe Erklärung, die nicht für Zufriedenheit sorgte. „Entsetzen über den Tod einer Sklavin? Kanntest du sie etwa?", fragte eine Frau von der Seite und Aries schüttelte etwas zu schnell den Kopf. Wie ein langsam ernannte Jagdtier sah er von einem Augenpaar zu anderen und versuchte die such erhärtenden Blicke zu ignorieren. „Ich bin entsetzt über den Tod eines Menschen! Ich kannte sie nicht, aber es hat in dem Moment keine Rolle gespielt. Ob eine Sklavin oder eine von euch blutend vor meinen Füßen liegt, ich vermag nicht unbekümmert daran vorbeizugehen. Und jeder, der mich in diesem Punkt nicht versteht, hätte wahrscheinlich auch seine eigene Mutter für ein Sack Mehl verkauft ohne Kummer zu empfinden.", ereiferte sich Aries und erntete ein höhnisches Schnalzen von der Frau. Der Mann der sein Tuch hielt blieb argwöhnisch. „Also schön, wenn es euch ein Wunsch ist, bringt mich zu einem Richter. Ich werde ihm das gleiche Erzählen was ich euch sage. Und da er ein kluger Mann ist, wird er meine Unschuld feststellen und du", nun sprach Aries ganz bewusst den Mann mit dem Tuch an. „wirst deine Glaubhaftigkeit und Zeit verlieren, in der du mit hättest helfen können den Besitzer und den Mörder des Mädchen zu finden." Es war still, die Meinungen in den Augen abzulesen. Zwischen Unglauben, Argwohn und zustimmendem Nicken war alles dabei, was Aries innerlich erleichtert aufatmen ließ. Die Blick fuhren zu dem Mann mit dem Tuch herum, alles wartete einheitlich auf seine Antwort. Er schürzte die Lippen, ließ seinen Blick unsicher über die Leute fahren und blieb stumm, als er wieder Aries ansah. Das räusperte er sich leise und hielt Aries nun offen das Tuch entgegen. Schnaubend straffte dieser die Schultern, ging zu dem Mann hin und riss ihm unsanft das Tuch aus der Hand.

Mit düsterem Blick atmete Aries tief durch, als sich plötzlich eine sanfte, aber selbstsichere Stimme erhob, die er heute nicht das erste Mal hörte. „Ich kenne das Mädchen!", alle drehten sich zur Quelle der Stimme um. Die Frau, die nun mit einem anderen Sklaven hinter sich dazu trat war zuvor Kundin in Aries Laden gewesen. Er erkannte sie sofort. „Sie ist meine Sklavin." Aries nickte ihr respektvoll zu und hieb den Mann neben sich unsanft mit dem Arm bei Seite, als sie sich einen Weg zu dem totem Mädchen bahnte. Die Menschen bildeten schweigend eine Schneise, durch die sie ging und beobachteten schweigend ihre Reaktion, als sie das Mädchen erblickte. Wie sie keuchte, kurz die Augen zusammen kniff und sich einen Zipfel ihrer Stola vor den Mund presste, als sie das Mädchen erblickte. Rasch wandte sie sich ab und befahl ihrem Sklaven mit ausgestrecktem Arm auf das Mädchen zeigend: „Nimm sie mit. Schnell! Birg ihr Gesicht in ein Tuch, wenn wir zuhause sind und leg Lavendel unter den Stoff. Sage ihren Eltern, dass sie bis morgen eine Totenwache abhalten können. Sie sollen trauern dürfen. Ihr werdet sie bestatten, wenn die Totenwache vorbei ist.", ordnete sie einigermaßen gefasst an, wagte aber nicht, noch einmal zu dem Mädchen zu sehen. Aries sah einen Moment zu, wie der andere Sklave das Mädchen hochhob wie ein Spielzeug. Sie war ungelenk und steif, wahrscheinlich schon kalt. Aries wollte sich das lieber nicht zu genau ausmalen wie es sich anfühlte einen toten Körper zu tragen. Stattdessen riss er sich von dem Anblick los und schritt zu der Frau, der der Sklave gehörte. „Ganz offensichtlich liegt hier ein Verbrechen vor. Es wäre klug die Tote noch einmal von einem Arzt untersuchen zu lassen, bevor ihr sie ihren Eltern übergebt und sie bestattet. Vielleicht finden sich Hinweise auf ihren Mörder.", versuchte Aries nun um einiges vorsichtiger, doch kaum hatte er zu Ende gesprochen schüttelte die Frau heftig den Kopf. „Um ihren Leichnam mit unnötigen Untersuchungen zu schänden?", fragte sie rhetorisch in einem giftigen Tonfall von dem Aries erstmal zurückschreckte. Er wollte zu einer Erklärung ansetzen, aber da fuhr sie aufgebracht fort. „Meine Sklavin ertrug heute genug der Entwürdigung. Mach es nicht schlimmer indem du ihren Tod störst, um nichtvorhandene Beweise zu suchen. Ich bin mir sicher, dass sie einem unglücklichen Unfall erlag und keinem niederen Verbrechen. Sie hatte keine Feinde, jeder hat sie geliebt, und andersrum hat sie jeden geliebt. Ihr Tod kam sicher zu früh und ist ein Schock für mein Haus aber ein Verbrechen war es sicher nicht. Und nun bitte ich dich, uns nicht weiter zu belästigen. Ich werde unverzüglich meinen Ehemann darüber in Kenntnis setzen müssen." Und dann kehrte sie Aries ohne ein weiteres Wort den Rücken und ging mit ihrem Sklaven und der Toten im Schlepptau davon. Wie auf ein Kommando zerstob auch die Menschentraube und schon einige Momente später war es so, als hätte es diese Zusammenkunft nie gegeben. Nur Aries und sein Onkel blieben wortlos dort stehen wo sie waren. Tröstend legte Titus eine Hand auf Aries' Rücken. „Lass uns jetzt gehen. Es wird spät."

Römisches BlutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt