Kapitel 9

605 29 6
                                    

Ich war ferienreif. Definitiv.

Und wer war Schuld daran? Rachel natürlich!

Dafür, dass sie Stress normalerweise geradezu anzog, war die letzte Woche unnatürlich ruhig verlaufen. Vermutlich hatte das aber auch nur an der ganzen Sache mit Dylan und Jamie gelegen.

Tja, leider (ich hätte nie gedacht, dass ich mich mal über Dylans Abwesenheit beschweren würde) waren beide heute nicht da. Und dementsprechend war klar, wo ich nach der Schule rumhocken konnte. Natürlich, beim Nachsitzen.

Zumindest war ich nicht die einzige, die Rachel da mitgezogen hatte. Ella stand noch völlig geschockt da und schien sich wohl erst jetzt darüber klar zu werden, was eine Freundschaft mit uns bedeutete.

„Leute, es tut mir echt Leid, aber dieser Sweater ist der Coolste überhaupt. Den musste ich einfach haben.“ Rachel rieb mit einem zufriedenen Grinsen ihre Wange an dem weichen Stoff.

Ihr war es wie immer scheißegal, was die anderen sagten. Ich seufzte resigniert auf und setzte mich frustriert auf einen der Stühle vor dem Sekretariat.

Warum musste unsere Abwesenheit denn auch bloß auffallen? Oder sollte ich eher fragen: Warum hatte ich mich darauf eingelassen wegen eines beschissenen Sweaters, zwei Stunden zu schwänzen, um stattdessen dieses Meisterstück der illegal hergestellten Kleidungsstücke zu ersteigern?

Die Antwort war einfach: Rachel war nun mal meine beste Freundin und American History war noch nie mein Vorzeigefach gewesen.
Außerdem merkte Mr. Glad sowieso nie, wenn jemand fehlte, weil er damit zu beschäftigt war, aus dem Fenster zu gucken, als wäre er high und hätte kein Unterbewusstsein mehr.

Bei unserem Glück übernahm aber genau heute ein übermotivierter Referendar den Unterricht und überprüfte natürlich gleich die Anweseheit.

Zu der Zeit rasten wir bereits über den Highway Richtung Shoppingmall. Natürlich entschuldigte uns keiner aus dem Kurs, kein Wunder bei Rachels Talent sich Feinde zu machen!

Was mich aber richtig aufregte, war die Tatsache, das, wenn Leute wie Ella und ich schwänzten, dann wurde eine riesige Geschichte daraus gedreht.
Ich war richtig froh, als ich endlich aus dem Sekretariat rauskam, mit dem fast schon ersehnten Nachsitzschein.

Rachel entschuldigte sich zig Mal bei uns, aber es schien ihr nicht wirklich Leid zu tun, diesen „so-soften-flauschigen-weichen-zum-Schnäppchen-Preis-erstanden-Pulli“ gekauft zu haben. So war sie eben.

Und leider konnte man ihr noch nicht einmal lange böse sein. Ihre gute Laune war ansteckend.

Rachel hüpfte fröhlich vor uns her, während Ella immer noch etwas eingeschüchtert neben mir her ging.
Jetzt fing Rachel auch noch an zu singen und einige unserer Mitschüler guckten sie etwas irritiert an. Rachel zeigte vor ihnen eher selten, dass sie im Grunde ein sehr optimistischer Mensch war.
Zwar mit einer Verhaltensstörung, aber die  hatten wir ja irgendwie alle…

I’m turning my head, up and down. I’m turning, turning, turning, turn…“, abrupt hörte Rachel auf zu singen und ich wäre um ein Haar in sie reingelaufen, als sie mitten auf dem Flur stehen blieb.

Von einer Sekunde zur nächsten hatte sie sich von dem fröhlichen Mädchen, in die eiskalte Schlägerin verwandelt. Selbst bei Lucya, die sie wirklich annervte, machte sie nicht so ein Gesicht.

Rachel stellte sich schützend vor Ella und gab damit den Blick frei. Der Barbiepuppen-Shop hatte wohl Ausverkauf gehabt, oder weshalb standen jetzt fünf Exemplare dieser Gattung vor uns?

More than a Bad Boy (Completed)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt