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Wutentbrannt stürmte ich über unsere Einfahrt auf das kleine, gräulich-weiße Häuschen zu, mit seinen eleganten Säulen, die ein kleines Dach über dem Eingang stützten und mit den süßen, bunten Blumen, die wir zu Beginn des Frühlings als ganze Famil...

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Wutentbrannt stürmte ich über unsere Einfahrt auf das kleine, gräulich-weiße Häuschen zu, mit seinen eleganten Säulen, die ein kleines Dach über dem Eingang stützten und mit den süßen, bunten Blumen, die wir zu Beginn des Frühlings als ganze Familie in den Vorgarten gepflanzt hatten. Schnaubend zückte ich meinen Haustürschlüssel und malträtierte das Schloss unserer blütenweißen Tür, während ich versuchte sie aufzuschließen. Als ich polternd eintrat, roch es bereits nach frisch aufgekochtem Japchae. Ich zog meine Beanie vom Kopf, strich mir aufgebracht durch die kurzen Haare und schmiss meinen Rucksack zusammen mit meinen Sneakers in irgendeine Ecke unseres Flures. Dabei achtete ich darauf, dass ich das kleine Schränkchen nicht traf, auf dem Mom eine türkisblaue Vase mit einem frischen Strauß Azaleen gestellt hatte.
Ich wusste, dass Mom trotzdem nicht gefallen würde, wie ich meine Sachen achtlos in ihren aufgeräumten Flur warf. Immerhin hatte sie einen dramatischen Drang zur Ordnung und Putzen gehörte zu einer ihrer Lieblingsbeschäftigungen. Für den Moment schien sie das aber zu ignorieren, als sie den Kopf aus der Küchentür hinausstreckte und ihre perfekt nachgezogenen Augenbrauen kräuselte.
"Hallo, Sol, warum bist du heute so früh Zuhause? Und wieso diese schlechte Laune?", fragte sie und ich stapfte seufzend in die Küche, setzte mich an den Küchentisch und bekam sofort ein Glas Wasser vorgesetzt.
"Die letzten zwei Stunden sind ausgefallen und durch den Lehrermangel haben wir keine Vertretung bekommen", sagte ich grimmig und stürzte das Wasser in einem Zug runter.
Mom hatte in der Zeit die Herdplatte auf eine niedrige Temperatur gestellt und setzte sich zu mir. Sie war in ein schlichtes, weißes Kleid gekleidet und hatte sich eine durchsichtige, rosafarbene Kimono-Jacke übergestreift. Dazu passend der rosa glitzernde Lidschatten, der ihre feinen Züge unterstrich. Mom sah immer perfekt aus.

Mit zusammengepressten Lippen sah sie mich an. Dann holte sie Luft, ehe sie wieder das Wort ergriff. "Und was hat es dann mit dieser bösen Miene auf sich?", hakte sie weiter nach und ich drehte den Kopf weg.
Die rosane Uhr mit dem Vogelmotiv über dem Kühlschrank schien mich mit jedem Schlag des Sekundenzeigers zu verspotten und die leise Musik im Radio war plötzlich störend, obwohl ich sie zuvor gar nicht wahrgenommen hatte. Außerdem wurde mir nun schlagartig bewusst, dass ich mit dem rechten Bein wackelte und setzte mich abrupt auf.
"Mom, findest du, ich sehe aus wie ein Junge?", fragte ich gerade heraus. Es würde sowieso nicht viel bringen, Mom etwas zu verheimlichen, irgendwann kam sie immer darauf. Entweder, weil sie mich so lange mit ihren sanften und gutmütigen Blicken betrachtete, dass ich es nicht länger in mich hineinfressen konnte oder weil Mom bloß ein kleines Bruchstück der Situation mitkriegen musste und sich daraufhin alles selbst zusammenreimte.
Verwundert sah Mom mich an, als wäre das die abwegigste Frage gewesen, die ich ihr hätte stellen können. Dann betrachtete sie mich genau.
"Lass mal sehen", sagte sie langgezogen und kniff die Augen ein wenig zusammen, so dass ihre kleinen Lachfältchen mehr zur Geltung kamen. "Kurzes braunes Haar, zarte, reine Haut, große dunkelbraune Augen und wunderschön geformte Lippen? Ich sehe ganz klar ein Mädchen!"
Ich schmunzelte. Das hatte sie früher immer getan, wenn ein Kind mich einen Jungen genannt hatte, als wäre es eine Beschimpfung. Als Kind hatte sich das manchmal auch angefühlt wie eine Beschimpfung.

Jin In The Bottle 2 || park jiminWo Geschichten leben. Entdecke jetzt