Jonah zu kennen war ein komisches Gefühl. Ihn überhaupt kennenzulernen glich schon einem Wunder, denn für gewöhnlich war er draußen und rauchte eine Kippe nach der anderen, während ich in meinem spärlich möblierten Zimmer saß und ihn durch die Fensterscheibe beobachtete. Für Gewöhnlich hatte ich sowieso eine Ausgangssperre. Manchmal aufgrund einer Kontrolle, manchmal wegen einer Operation und manchmal, da setzte ich sie mir selbst vor, weil es mir so beschissen ging, dass ich kaum noch die Treppe aus meinem Zimmer in die Küche bewältigen konnte.
Ich mochte bestimmte Strukturen, einen Tag in dem alles so ablief, wie ich ihn mir morgens zusammenstellte. Tage, an denen ich all die Aufgaben bewältigen konnte, die ich mir vornahm. Das waren gute Tage. Schlechte Tage waren die, an denen mich die Schmerzen ans Bett fesselten, an denen ich kaum atmen konnte. Tage an denen mein einziges Ziel das bloße Überleben waren.
Jonah hingegen lebte das Chaos. Es schien ihm auf Schritt und Tritt zu folgen, genauso wie die Blicke aller, die ihm am Tag begegneten. Die anderen Mädchen auf meiner Station verwandelten sich in hechelnde Hunde und tratschten über den Geheimnisvollen Jonah Pulley, der mit niemandem Sprach, niemanden traf und sowieso, immer nur für sich alleine draußen rauchte oder in einem der Aufenthaltsräume Musik hörte.
Eigentlich wollte ich mir gar nicht so viele Gedanken darüber machen, wer dieser Jonah Pulley überhaupt war, doch ich kam nicht drum herum mir auszumalen, wie es wäre mit ihm zu sprechen, wie sich seine Stimme wohl anhörte, wie sein Lachen klänge. Ich malte mir zig Gründe aus, wieso ausgerechnet jemand wie er seine Zeit durchwegs alleine verbrachte. Setzte in meinem Kopf ganze Sätze zusammen, die ich an ihn richten wollte, wenn ich jemals den richtigen Moment fände, all meinen Mut zusammenkratzte und mich endlich traute.
»Weißt du, die Welt ist nicht nur Schwarz oder Weiß«, bemerkte Emma nüchtern und blätterte in ihrem Magazin. Sie hatte mein Bett zu ihrem Palast umfunktioniert, die Beine hochgeschlagen, drei Kissen zur Rückenlehne umfunktioniert. Ich wandte den Blick wieder dem Fenster zu. Jonah saß auf einer der heruntergekommenen Holzbänke, den Hinter auf der Rückenlehne, die Füße auf der Sitzbank. Er wirkte so... so...
»Was willst du mir damit sagen?«, fragte ich mit einem Seufzer und richtete mein Augenmerk wieder auf die Sporttasche, sie war gepackt und so voll, dass ich wahrscheinlich Ems um Hilfe bitten musste, um sie zu zu ziehen. Nach all den Jahren wusste meine Mutter noch immer nicht, wie viel ich eigentlich für eine Woche Aufenthalt benötigte.
»Dass du ihn endlich mal ansprechen solltest«, gab sie unbeeindruckt von sich.
»Du bist doch bescheuert«, erwiderte ich und legte mich neben sie, versuchte die gleiche Bequemlichkeit an ihrer Position zu finden, wie sie. Das war kein guter Tag, vielleicht auch nicht wirklich ein schlechter, aber definitiv kein guter. Erschöpft ließ ich meinen Kopf an ihre Schultern sinken. »Wenn er nein sagt, sterbe ich vor Scham auf der Stelle.«
Emma schnaubte und unterdrückte ein Lachen. »Dann ersparst du den Geschwüren 'ne Menge Arbeit.« Ich lachte auf, doch der stechende Schmerz in meiner Brust ließ mich augenblicklich wieder verstummen. Emma legte die Zeitschrift zur Seite und drehte das Gesicht in meine Richtung. »Bist du in Ordnung?«, fragte sie, während ich mich schwerfällig aufrichtete um einen Schluck Wasser zu trinken, darum bemüht, meine Lunge nicht noch einmal zu strapazieren.
»Alles gut«, versichere ich ihr, konnte ihren Blick allerdings noch immer alarmiert auf mir liegend spüren. »Alles gut«, wiederhole ich, räusperte mich und atmete mit geschlossenen Augen tief ein und wieder aus. Seit meiner Diagnose vor zwei Jahren fürchteten alle den Tag, an dem der Krebs auf meine Lunge streute.
»Wann kommt Dolores?«, fragte Ems. Delores war meine Mum und weil Ems und ich schon seit so langem befreundet waren, durfte sie sie beim Vornamen nennen, was komisch war, den niemand sonst auf der ganzen weiten Welt nannte sie Dolores.
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A Pain That I'm Used To
Teen Fiction𝑨𝒍𝒍 𝒕𝒉𝒊𝒔 𝒓𝒖𝒏𝒏𝒊𝒏𝒈 𝒂𝒓𝒐𝒖𝒏𝒅 / 𝑾𝒆𝒍𝒍 𝒊𝒕'𝒔 𝒈𝒆𝒕𝒕𝒊𝒏𝒈 𝒎𝒆 𝒅𝒐𝒘𝒏 / 𝑱𝒖𝒔𝒕 𝒈𝒊𝒗𝒆 𝒎𝒆 𝒂 𝒑𝒂𝒊𝒏 𝒕𝒉𝒂𝒕 𝑰'𝒎 𝒖𝒔𝒆𝒅 𝒕𝒐 - D.M. Jonah Pulley zu kennen, war wie eine Reise an einen fernen, unbekannten Ort. Manchma...