Zehntens

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Ich verbrachte den Samstagvormittag auf die schlimmste Art und Weise: Wie ein Sackkartoffeln auf dem Sofa, während der Cast von Grease vor mir einen Hit nach dem anderen zum Besten gab und ich nur halbherzig vor mich hin summte und nahezu die gesamte Konzentration auf die Person am anderen Ende des Chats lenkte: Jonah.

Nicht dass es wirklich viel Gesprächsstoff gab, er brauchte ewig um mir zu schreiben während ich alle fünf Sekunden auf das Handy starrte, ob er nicht doch schon geantwortet hatte. Während seine Worte also quälend langsam zu mir krochen, antwortete ich wie aus der Pistole geschossen binnen weniger Minuten, als würde ich hoffen, so schnell zu sein, dass es noch gar nicht hätte sein Handy weglegen können.

Es war zum verrückt werden, wie viel Zeit er sich nahm. Mein Kopf sagte mir, ich solle mich beruhigen. Immerhin studierte er, er hatte ein Leben außerhalb seiner vier Wände, er war ein Fremder. Doch mein Herz verzehrte sich nach seinen Worten, seinem Lächeln und ich hasste wie irrational ich wurde, nur, weil ein hübscher Kerl nach meiner Nummer gefragt hatte. Wobei er ja nicht einmal mich nach der Nummer gefragt hatte - jedenfalls nicht direkt - sondern Emma, den Engel deren Concealer nicht mit einem Mal zu Dunkel wurde und deren Wimpern lang, schwarz und vor allem vorhanden waren.

Ich hatte wirklich keine Komplexe ihr Gegenüber. Ems war schön, ohne zu wissen, dass sie schön war. Sie schminkte sich, weil sie der Ansicht war, ohne Makeup wie ein Fingertier auszusehen - ihre Worte - und wer schon mal ein Fingertier gesehen hat - Gott bewahre, nur auf Fotos - weiß, dass das nicht stimmen kann. An manchen Tagen machte es mich richtig fertig, wie wenig sie von sich selbst hielt.

Jonah P. (13:44 Uhr): wann ist deine OP nochmal?

Dee (13:44 Uhr): am 13. Mai

Dee (13:45 Uhr): bald. 19 Tage bald

Dann antwortete er wieder eine Gefühlte Ewigkeit nicht mehr und ich versuchte mich auf die Endszene in Grease einzulassen, den Song richtig zu genießen, dann, plötzlich, vibriert mein Handy wieder.

Jonah P. (13:51 Uhr): sehr bald

Jonah P. (13:52 Uhr): wirst du's feiern?

Ich versuchte seine Worte zu entschlüsseln, irgendwie zu verstehen

Dee (13:54 Uhr): was meinst du?

Er ließ sich wieder Zeit. Ich pausierte Grease während der letzten zwei Minuten, mitten im Song und stand auf um mir was zu trinken zu holen. Vielleicht hatten all die Dokumentationen ja recht und als Frau wurde man einfach verrückt, wenn man seine Weiblichkeit verlor. Vielleicht war es ja wirklich kaum zu ertragen, flach wie ein Brett zu sein. Vielleicht konnte man ohne Silikonbrüsten anschließend tatsächlich nicht mehr leben - jedenfalls nicht richtig. Nicht als Frau.

Mit einem Glas Wasser in der Hand kehrte ich ins Wohnzimmer zurück, mein Handy blinkte, kündigte eine neue Nachricht an. Langsam ließ ich mich wieder auf dem Sofa nieder und entsperrte das Smartphone mit einem Fingerdruck.

Jonah P. (13:55 Uhr): ein freund von mir hat vor seiner beinamputation eine party geschmissen um den abgang gebürtig zu feiern. war ne lustige sache. es gab kuchen in fußform und wir haben geld für die prothese zusammengelegt

Jonah P. (13:55 Uhr): wobei ich mir ziemlich sicher bin, dass er es für was anderes ausgegeben hat.

Ich biss die Zähne zusammen und las mir seine Nachrichten ein zweites Mal durch.

Dann ein Drittes.

Ich wollte gerade ein viertes Mal ansetzen, da kam die nächste Nachricht:

Jonah P. (16:04 Uhr): Alles cool?

A Pain That I'm Used ToWo Geschichten leben. Entdecke jetzt