Fünfzehntens

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Je näher der Termin für die Operation rückte, desto nervöser wurde ich. An jenem Montag konnte ich nicht einmal mehr still sitzen, geschweige denn, mich auf die Worte der Gruppenmitglieder zu konzentrieren. Davon abgesehen rückte mit jedem Tag auch Emmas Geburtstag näher und damit auch die Party ihrer anderen Freunde.

Primär nannte Emma sie so, aber ich wusste, dass sie nicht nur irgendwelche anderen Leute waren, sie verbrachte Stunden mit ihnen zusammen, lernte mit ihnen, saß in Vorlesungen, lachte, sie gingen zusammen aus und hatten Insider. Vielleicht waren sie nicht ihre besten Freunde, aber es waren gute Freunde mit denen sie gerne Zeit verbrachte. Und obwohl Emma seit einem halben Jahr mit ihnen die Schulbank drückte, würde ich sie zum ersten Mal treffen. Auf einer Party, kaum eine Woche bevor man mir beide Brüste abnehmen würde.

Emma nannte das »die Chance sie gebührig zu verabschieden«, ich war mir noch nicht so ganz sicher darüber, wie ich den ganzen Abend bezeichnen wollte. Um ehrlich zu sein, war ich mir wegen vielerlei Dinge nicht mehr ganz so sicher. Zum einen war da die Operation, die mich immer weiter in Panik versetzte, obwohl ich gerade am Anfang so unfassbar cool mit ihr umgegangen war. Und irgendwo dazwischen stand Jonah, der mir nicht ganz klar machen wollte, welche Rolle er in meinem Leben spielte. War er der Gute oder der Böse? Wäre er derjenige, mit dem ich all den Verliebtsein-Kram erleben würde? Oder würde er gehen, wortlos verschwinden und mich mit gebrochenem Herzen zurücklassen?

Ich reckte mein Kinn etwas höher und presste die Lippen aufeinander, als gäbe es Worte in all diesem Chaos, die irgendwie aus mir herauszubrechen drohten, die nur darauf warteten, dass ich unachtsam wurde. George musterte mich für einen Moment, ich hielt seinem Blick stand, war allerdings froh, als er sich wieder von mir abwandte.

Es war die erste Stunde seit einer ganzen Ewigkeit, in der ich kein einziges Wort gesagt hatte. Das letzte Mal war, als meine Eltern mich eingeschrieben hatten, als ich erfuhr, dass sich der Krebs ausbreiten würde, wenn ich mich nicht direkt diesem Kampf stellte. Ich richtete meinen Blick aus dem Fenster, versuchte irgendeinem Anhaltspunkt zu finden, der mir aus dieser ganzen misere helfen würde. Der mir irgendeine Antwort geben würde.

In Situationen wie diesen wünschte ich mir irgendeine Form von Glauben, eine Religion die mir beistand, die mich an der Hand nahm und mich führte, so lange, bis ich wieder sicher auf beiden Beinen stand.

»Ich habe das Gefühl, dass du heute nicht so ganz bei der Sache warst«, die Stimme neben mir reißt mich aus meinen Gedanken. Ich kehrte zurück in die Wirklichkeit, die kalte Realität in der es mehr Fragen als Antworten gab.

George stand vor mir, die Arme vor der Brust verschränkt und mit diesem ständig bedrückten Ausdruck im Gesicht. Manchmal fragte ich mich, ob es nur mir komisch vorkam, wie viel ihm daran lag, dass ich mich beteiligte und ehrlich mit ihm war. »Anstrengende Woche.«

»Der Termin kommt auch immer näher.«

Ich presste meine Lippen zu einer schmalen Linie zusammen und erhob mich, dankte, wer auch immer dort oben irgendwo über mir wachte, dass mein Körper mitspielte, keine Schwäche zeigte. Ich griff nach meiner Jacke und machte einen Schritt von George weg. »Genau.« Mein Blick wanderte zur Tür, es war niemand mehr da. »Ich gehe jetzt«, sagte ich, doch mein Körper bewegte sich keinen Millimeter weit.

»Okay« George stand mit zur Seite geneigtem Kopf vor mir und musterte eindringlich mein Gesicht. »Dann bis nächste Woche, Dee.«

Ich nickte hastig, den Atem angehalten, dann machte ich auf dem Absatz kehrt und eilte zur Tür, fort von George, der sich selbst in seiner Seltsamheit übertroffen hatte. Fort aus diesem Raum in dem man von Leuten wollte, dass sie über ihre Probleme und Sorgen sprachen - so lange sie jedenfalls mit dem Krebs im Zusammenhang standen.

A Pain That I'm Used ToWo Geschichten leben. Entdecke jetzt