Gala in der Elbphilharmonie

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Der Vorhang verschloss sich. Ich atmete kurz durch und ließ mich wieder auf mein Hocker fallen. "Wir haben es geschafft!" Claus kam auf mich zu und warf seine Arme von hinten über mich. Lachend schaukelten wir hin und her. "Das war das letzte Konzert. Ich glaube das nicht." Ich seufzte und schüttelte Claus von mir ab, um aufzustehen. "Für diese Stadt. Erstmal", antwortete Claus breit grinsend. Ich hoffte auch, dass wir nochmal in Hamburg dieses Orchester spielen könnten. Und ich hoffte auch, dass wir noch einmal in diesem wunderschönen Saal der Elbphilharmonie die Ehre haben durften.

Luis, ein Geiger, kam zu uns. "War das nicht ein toller Applaus." Er gab Claus ein High Five. "Ich fasse es nicht." Lachte ich und schüttelte den Kopf. Vermutlich hatte ich noch nie so ein Glücksgefühl erlebt. Dabei hatten wir schon häufig Auftritte gehabt. Sei es vor hundert Leuten oder vor tausend. Aber noch nie waren es so viele gewesen. Und noch nie hatten wir so einen langen und ernst gemeinten Applaus bekommen.

"Ich hab echt Durst." Claus wischte sich über die Stirn. "Lass nach hinten gehen. Wir haben ja eh gleich noch die Gala." Luis ging an uns vorbei. Die Gala. Die hatte ich schon ganz verdrängt. Wir, das Orchester, ein paar eingeladene Gäste und Leute, die sich das teurere Ticket geleistet haben, durften an der Gala teilnehmen. Eigentlich war es nur ein Klatsch und Tratsch Abend, wo man Sekt trank und sich von reichen Leuten mit fragen durchlöchern ließ. Doch eigentlich waren die Galas auch ganz schön. Und die Einnahmen wurden an eine Organisation für das Tierwohl gespendet.

Claus und ich begaben uns an einen Stehtisch, der mit einem hellen, goldenen Tuch bespannt war. Wir standen nicht mal eine halbe Minute, als auch schon ein Kellner erschien und uns Sekt anbot, den er auf einem silbernen Tablett herumtrug. Dankend nahmen wir jeder ein Glas und nippten an dem Sekt. Ich musste mich schütteln. "Das wird nie meine Welt sein. Dieses etepetete Zeug und Sekt." Claus lachte auf. "War es nie und wird es nie."

"Entschuldigung." Es war Herr Swanski, der Claus und mich unterbrach. Mit dabei waren zwei Männer. "Darf ich vorstellen, Herr Rankl. Leiter der Tierschutzorganisation. Und das ist Herr Mayer. Er ist der Stellvertretende Chef von Herr Rankl. "Hallo, Büttinghaus", stellte ich mich vor und gab beiden die Hand. Der Griff von Herr Mayer war kräftig und ich hatte für einen kurzen Augenblick Angst, dass er mir die Finger brach. "Ich finde es wirklich wundervoll, dass Sie die Einnahmen an uns Spenden", sagte Herr Rankl zu Herr Swanski. "Was spielen Sie?", fragte Herr Mayer mich. Ich fiel schon wieder in meine Nervosität. "Das Klavier."

Wir fielen in ein Gespräch und bekamen kaum mehr mit, worüber sich Herr Swanski mit Claus und Herr Rankl unterhielt. Herr Mayer erzählte mir, dass er das Klavier als das schönste Instrument wahrnahm. Das er gerne einfach nur den Klavierstücken lauschte. Dabei kochte und arbeitete. Mich schmeichelte die Tatsache und ohne nachzudenken, lud ich diesen fremden Mann ein, ihm mal etwas vorzuspielen.

Herr Mayer lächelte daraufhin und freute sich über das Angebot. Er kannte niemanden persönlich, der Klavier spielen konnte und es würde ihn so freuen, wenn er etwas vorgespielt bekommen würde.
Am liebsten hätte ich ihm sofort etwas gezeigt. Doch der Konzertsaal war nicht mehr zugänglich.

"Worüber redet ihr?" Claus trat wieder an unseren Tisch ran. Bemerkt, dass Herr Swanski und Herr Rankl sich zu Anne und einer Klarinettisten begeben hatte, hatte ich nicht. "Herr Büttinghaus möchte mir etwas vorspielen, sobald sich die Möglichkeit ergibt", erklärte Herr Mayer Claus. "Geht doch in den Konzertsaal." Claus sah mich und Herr Mayer achselzuckend an. "Der ist zu", erzählte ich ihm dann aber. "Du hast doch Zuhause ein Klavier." Nun fing Claus an zu grinsen. "Hast du?" Herr Mayer fragte ganz interessiert. Ich nickte. "Wenn du möchtest, kann ich vorbei kommen. Das würde mich sehr, wirklich sehr freuen." Herr Mayers Augen funkelten auf, im Schein der sanften Lampen die den Saal erleuchteten. Dass ich das mit meiner Einladung eigentlich gemeint hatte, sprach ich nicht aus. "Hier." Herr Mayer reichte mir sein iPhone. "Du kannst dich einspeichern. Dann schreibe ich dir." Er lächelte breit. Zögerlich nahm ich sein Handy in die Hand und tippte meine Nummer und meinen vollen Namen hinein. Dann gab ich ihm sein Handy zurück. "Manuel also", lächelte Herr Mayer, mit dem Blick auf sein Handy. "Ich bin Patrick. Wir müssen und ja glaube nicht mit Nachnamen ansprechen, wenn wir uns so gut unterhalten. Und dein Name ist?", fragte Patrick Mayer an Claus gewandt. "Klaus mit K", antwortete ich frech, bevor Claus seinen Mund öffnen könnte. "Nein, mit C!", wandte er dann schnell ein. Ich kicherte. Ich liebte es, wenn Claus sich aufregte, wenn ich ihn vorstellte.

Wir unterhielten uns noch lange an dem Tisch mit dem goldenen Tuch. Ich erfuhr von Patrick, dass er in Hamburg Billstedt groß geworden ist. Nun wohnte er jedoch in Hamburg Blankenese. Ein Stadtteil der Superreichen, in Claus Sicht. Er wohnte mit einem Freund zusammen, da die Miete doch relativ hoch war für einen allein. Er war zweiunddreißig. Etwas älter als Claus und ich. Und ich fand, dass er nicht wie über dreißig aussah.

Das Klavier | KürbistumorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt