Kapitel 14

45 5 0
                                    

Als ich das Messer wieder sah, zudem die Position, wurde mir wieder einmal schlecht. Nun hatte ich ziemlich stark das Gefühl, erbrechen zu müssen, aber ich hoffte sehr, dass das nicht passierte, da ich keine Lust hatte zu erfahren, was Oliver dann anstellt. Gut für uns wäre das sicher nicht.

Lange blieb Oliver nicht stehen, er riss Luke mit, besser gesagt war dieser gezwungen mitzukommen, wenn er nicht verletzt werden wollte. Instinktiv folgte ich den beiden. Oliver ging in die Richtung der Tür, woraus ich schloss, dass er in den vorderen Raum wollte. Doch die Frage, was er dort wollte, würde mir wohl erst später beantwortet werden. Oder wollte Oliver gar raus? Doch wozu? Als sich ein Gedanke durch meine Hirnwindungen schlich, lief mir ein eiskalter Schauer den Rücken runter und ich kippte vor Schreck und Angst beinah um. Irgendwie dachte ich mir, dass Oliver raus will um Luke umzubringen, weil das hier drin eine zu grosse Sauerei macht. Nein! Ich darf auf gar keinen Fall daran denken, sonst wird es sicher noch real. Auf einmal war ich kurz vor einer Ohnmacht, keine Ahnung woher ich das wusste, schliesslich war mir sowas noch nie passiert zum Glück. 

In Ohnmacht fiel ich zwar nicht, aber ich konnte es nicht verhindern, dass mir die Tränen übers Gesicht flossen. Eric, der uns ebenfalls folgte, eilte zu mir rüber und fragte mich, was los sei. Auf einmal blieb Oliver stehen, wahrscheinlich um zu sehen, was hinter ihm los war. Er warf Eric, oder vielleicht auch mir, einen vernichtenden Blick zu. Dessen ungeachtet erkundigte Eric sich erneut, was mir fehle. Das konnte ich ihm nicht sagen. Nur schon an so etwas zu denken war schlimm, was war dann, wenn ich das auch noch aussprach? Vor Allem würde es Luke dann hören, was mir peinlich wäre, keine Ahnung wieso. Oder aber Oliver bekommt es mit und dann ist der Kerl wütend, weil ich durch diese Aussage seinen genialen geheimen Plan versaut habe. Wahrscheinlich wäre ich dann das nächste Opfer. Dieser Gedanke liess mich plötzlich schwitzen. Um mich zu beruhigen redete ich mir ein, dass Oliver uns kaum töten würde, nur weil sich einige seiner Kollegen gegen ihn aufgelehnt haben, damit macht er sich strafbar. Okay, mit einer Entführung auch, aber jeder weiss wohl, dass man für Mord eine höhere Strafe kriegt, zudem kann er mich nicht töten, da er mich braucht, um meinen Vater zu erpressen. Aber wenn das so wäre, dann hätte Oliver sicher schon mal irgendeine Straftat begangen, ansonsten müsste er die Polizei nicht erpressen. Hoffentlich hatte er nicht jemanden umgebracht, denn so würde er etwas weniger zögern, uns zu töten. Dieser Gedanke liess erneute Übelkeit aufkommen. 

Die Tränen konnte ich leider immer noch nicht zurückhalten, weshalb Eric immer noch versuchte, etwas aus mir herauszubekommen und mich zu beruhigen. Ihm war anzusehen, dass er völlig verzweifelt war und absolut keine Ahnung hatte, was er tun sollte. Zu meiner Verwunderung blieb Oliver aber auch stehen. Hatte er etwas Mitleid mit mir? Nun hätte ich beinah gelacht, dieser Typ hat sicher nicht Mitleid mit mir, es würde mich wundern, wenn er überhaupt Gefühle hat. Oliver begann nämlich wieder zu grinsen, das nenne ich echt gefühllos, sowas ist auf keinen Fall amüsant! Sogar Eric sah Oliver stirnrunzelnd an, soweit ich beurteilen konnte, war sein Blick nicht gerade freundlich, hätte ich aber auch nicht erwartet. Oliver zuckte mit den Schultern und sein Grinsen wurde noch breiter. Ich fragte mich ernsthaft, ob der nicht jeden Abend Schmerzen im Mundbereich hat, wenn er ständig grinst. Gönnen würde ich es ihm jedenfalls, dann lernt er vielleicht, dass er das lieber lassen sollte. 

Schliesslich kehrte Oliver uns wieder den Rücken zu und beobachtete nun die Gruppe, in der der Militärtyp von vorhin dabei war. Soweit ich erkennen konnte, schienen es immer noch dieselben Leute zu sein, die sich schon vorher, als ich bei ihnen war, geprügelt haben. Ich begann mich ernsthaft zu fragen, warum die immer noch in diese Schlägerei verwickelt waren, es sind sicher über zehn Minuten vergangen seither. Vor Allem, wenn die die ganze Zeit schon so auf einen braunhaarigen, grösseren Typen einschlagen, dann müsste dieser etwa schon lange k.o. sein, oder? Ein weiterer, blonder Junge versuchte den Militärtypen vom Braunhaarigen wegzuzerren, keiner von ihnen schien uns zu bemerken. Aufgrund dessen was ich sah, versuchte ich die Rollen zuzuteilen, also wer Erics Freunde, die Namen weiss ich nicht mehr, und wer einer der Untergebenen von Oliver war. Eigentlich waren das ja alle, aber Erics Kollegen betrachte ich jetzt nicht mehr als Verbündete dieses Typen, Oliver hat sie vermutlich auch längst rausgeworfen oder tut es noch.  

Für mich kamen eigentlich nur zwei mögliche Verteilung der Rollen vor, der Militärtyp und ein kleiner, dunkelhaariger, der etwas fester war, schlugen auf den Braunhaarigen ein. Entweder waren die beiden Schläger Erics Kollegen, die ihren, beziehungsweise unseren Feind niederschlugen, oder wenn der Militärtyp wirklich zu den ganz Bösen gehörte und der dunkelhaarige ebenfalls, dann wären der arme Tropf in der Mitte der Beiden und der, der den Militärtypen festhält, zwei von Eric und Lukes Kollegen. Allerdings wäre mir das Erste lieber, weil dann sieht es eher nach einem Triumph für uns aus.

Aufgrund Olivers Haltung würde ich schliessen, dass er genervt ist, eventuell, weil die Vierergruppe ihn nicht bemerkte, immerhin war er ihr Anführer. 
"Joel, Benjamin!" donnerte er plötzlich. In der Zwischenzeit hatte ich endlich meinen  Weinkrampf überwunden, aber als ich auf einmal diese laute Stimme hörte, verschluckte ich mich fast an meinen Tränen, was mir einen fürchterlichen Hustenanfall bescherte. Der Schock war so gross, dass mir weitere Tränen die Wangen runterliefen, was das Husten nur noch verstärkte. Schon nach wenigen Augenblicken war Eric ganz nah, näher als je zuvor, neben mir und versuchte mir zu helfen so gut es ging, mit den gefesselten Händen. Er probierte mir auf den Rücken zu klopfen, doch selbst das gelang ihm nicht. Als sich der Husten nach einigen Sekunden immer noch nicht legte, sackte ich zusammen, ich konnte überhaupt nichts dagegen tun. Es kann aber auch sein, dass ich wegen Erics Nähe zusammenbrach. Mit diesem Anfall hatte ich die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf mich gezogen, sogar Oliver hatte sich wieder umgedreht und grinste natürlich mal wieder.

Die Wut die in mir hoch stieg hatte einen positiven Effekt: Der Husten legte sich endlich wieder und ich atmete erleichtert aus. Sofort stellten Eric und Luke wieder die Frage, ob alles in Ordnung sei. Ein Wunder, dass sich Luke überhaupt um etwas anderes sorgen konnte, als um das Messer an seinem Hals. Ich nickte einfach, aber eigentlich fühlte ich mich ziemlich mies. Richtig gut wird es mir erst wieder gehen, wenn wir hier raus und in Sicherheit sind. Und zwar alle von Erics Kollegen! Oliver schüttelte verächtlich und genervt den Kopf, so als wolle er ein lästiges Insekt von sich wegkriegen, danach wandte er sich wieder der Gruppe zu, die inzwischen aufgehört hatte, sich zu prügeln. 
"Joel, Benji" kam es wieder von Oliver, darauf folgte eine auffordernde Kopfbewegung in Richtung Tür. Der braunhaarige  und der blonde Typ liefen tatsächlich dorthin und verliessen das Gebäude. Nun war ich mir sicher, dass der Militärtyp und der festere Junge zu uns gehören, sie waren die Kollegen von Eric, den Kleineren erkannte ich jetzt sogar von der Schule wieder, dort hatte ich ihn zum Teil mit Eric und Luke gesehen.  Die beiden standen einfach so da und blickten ziemlich verärgert drein, immerhin bedrohte Oliver gerade ihren Kollegen mit einem Messer. Das war wohl auch der Grund, dass sie sich nicht bewegten, selbst ich und Eric standen da wie versteinert, wir alle wussten einfach, dass mit Oliver nicht zu spassen war. 

Es ging nicht lange, da kamen die beiden, die Oliver weggeschickt hatte, wieder, was sie dabeihatten löste beinah wieder einen Schock aus. Eine Frage stellte ich mir dennoch: Wieso holen diese Deppen noch zwei Rollen Klebeband, wenn im Hinterzimmer eine liegt, die so bald nicht leer sein wird?

White & BlackWo Geschichten leben. Entdecke jetzt