Diesen verstohlenen Blick bemerkt jedoch auch Alexander, der meinem Blick folgt und mir dann entgeistert entgegensieht. »Deswegen also«, zischt er enttäuscht und kurz kann ich sowas wie Verletztheit in seinen Augen sehen, ehe er sich abwendet und an den Rand des Pools schwimmt.
Noch bevor ich schnalle, was hier eigentlich vor sich geht, stehe ich allein im Pool und Noahs Zunge steckt wieder tief zwischen den Lippen von Jelena. Nach ein paar quälenden Sekunden, muss ich mich zwingen, mich von dem Anblick los zu reißen.
Verdammt, Alexander!, schießt es mir durch den Kopf und ich kämpfe mich schnell an den Rand des Pools. Nervös sehe ich mich um, doch ich kann ihn nirgends entdecken. Meine Klamotten kleben auf meiner nassen Haut und der Abendwind fühlt sich echt verflucht eisig an. Zitternd schlinge ich die Arme um meinen Körper. Wo ist er nur?
Ich krame mein Handy aus meinen Shorts, aber als ich auf den Bildschirm tippe, reagiert es nicht. So eine Scheiße aber auch!
Keine Ahnung, warum mein betrunkenes Hirn überhaupt noch denken kann, aber ich habe plötzlich eine Idee. Ich suche nach Alexanders nasser Spur auf den Steinplatten.
Und tatsächlich, sie beginnt gleich neben mir. Fieberhaft folge ich ihr bis die Steinplatten in das grüne Gras unseres Gartens über gehen. Hier sind keine Leute mehr und die Musik ist nur noch gedämpft zu hören.
Ratlos blicke ich in den dunklen Garten, in dem sich schattenhaft bloß ein paar Palmen abzeichnen. Das wäre der Moment, in dem ich meine Handytaschenlampe brauchen würde, verdammt!
»Aleeex«, rufe ich und meine Stimme kratzt. »Aaaaleeex!«
Als noch immer keine Antwort kommt, stapfe ich einfach in die Dunkelheit. In diesem Augenblick kommt eine besonders starke Bö und es schüttelt mich.
»Mann, es tut mir leiiiit!«, wimmere ich und meine Stimme zittert vor Kälte.
Und da steht er in der Dunkelheit plötzlich vor mir.
Meine Augen haben sich inzwischen so an das Dunkel gewöhnt, dass ich in sein schattenverzerrtes Gesicht blicken kann. »Es tut mir leid«, flüstere ich dann und reiße den Blick nicht von ihm.
»Du wusstest es«, sagt er dann und seine Stimme ist so anders, als ich sie in den ganzen Wochen erlebt habe. Er ist plötzlich nicht mehr dieser Idiot mit den blöden Sprüchen.
»Es...es tut mir so leid«, wiederhole ich, als ich mich wieder gefangen habe und mein Unterkiefer zittert fröstelnd. »Wie...wie kann ich das wieder gut machen?«
»Danke, ist schon okay«, erwidert er dann und wendet seinen Blick von mir ab, richtet ihn in die Nacht hinaus. »Ich schätze, ich habs verdient.«
»Nein, nein«, fasle ich, »das ist alles meine Schuld, ich bin schrecklich!«
»Ach, quatsch«, winkt er ab. Dann nimmt er meinen Blick wieder auf. »Du stehst auf ihn, nicht wahr?« Ein kleines leidvolles Lächeln erscheint auf seinen Lippen.
Ich nicke und merke, wie mir die Tränen in die Augen schießen.
Alexander greift in seine nasse Hosentasche und fischt etwas Metallenes heraus. »Auch einen Schluck?«, fragt er und hält mir den geöffneten Flachmann entgegen.
Eigentlich weiß ich, dass ich jetzt Nein sagen sollte. Ich bin schon völlig betrunken, von dieser Nacht und ihrem bitteren Beigeschmack. Aber eine Sache, die war noch nie so klar in meinem Kopf: Ich bin verliebt. Ohne es so richtig zu merken, habe ich mich in den vielleicht größten Vollidioten verliebt, den diese Welt zu bieten hat. Und ich fühle den Schmerz, tief in mir drinnen. Und so kann ich nicht anders: Im Wissen, dass diese Nacht noch viel länger dauern könnte, greife ich zu.
• • •
Als Marlene mit mir die Treppen zu meinem Zimmer hoch geht, kippe ich auf jeder Stufe um. Anders als sonst fühlen sich die Treppen so unglaublich weich an und die Farben auf Merlenes Shirt tanzen vor meinen Augen.
»Dein Shirt is witzig«, gebe ich glucksend von mir und deute auf ihren Oberkörper.
»Ja, sehr witzig«, seufzt sie unbeeindruckt und fasst nach meinem Arm, um mich wieder hoch zu ziehen. Was hat die denn?!
Als ich mich plötzlich in meinem Bett wieder finde und nach oben schaue, schwankt die Decke meines Zimmers, als würde ich mich auf einem Schiff befinden.
»Mann, du bist echt fertig, oder?«, höre ich Marlene sagen.
»Alles bestens, Marls«, kichere ich.
Sie setzt sich an die Bettkante zu mir und streichelt mir über den Kopf. »Das wird schon wieder«, flüstert sie.
Und vielleicht weiß sie auch, dass ich mich gerade total verloren fühle und keine verdammte Ahnung hab, wo es im Leben hingehen soll.
Eigentlich hab ich mich so auf diesen Sommer gefreut. Endlich einmal abschalten und an nichts denken. Aber jetzt bin umgeben von zielstrebigen Studenten, die alle schon wissen, in welche Richtung ihr Leben geht und, das Gefühl, dass meine Scheiß Zukunft so unheimlich ungewiss ist, kann auch kein Wein dieser Welt mehr betäuben.
Dieses Gefühl, sich so allein, verloren und so verdammt verkehrt zu fühlen. Eigentlich kenne ich das gar nicht. Wenn das zum Erwachsenwerden gehört, dann will ich lieber wieder zurück. Ich will hopsend über eine Wiese mit Gänseblümchen laufen und mich abends unter die Decke kuscheln und Bibi Blocksberg Hörspiele hören und dann viel zu schnell einschlafen. Werde ich mich je wieder so unbeschwert fühlen?
Und es ist nicht diese Hilflosigkeit, die mich fertig macht. Nein. Mehr dieses Gefühl von Einsamkeit und die ständige Ungewissheit, ob alles wieder gut wird.
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Jetzt ist es offiziell: über die Hälfte der Geschichte ist vorüber. An dieser Stelle möchte ich mich herzlich bei euch allen bedanken, meinen treuen Leser*innen, die bis hierher gekommen sind! ♥️ Da das Manuskript bereits vollendet ist und nur noch überarbeitet werden muss, gibt es hier voraussichtlich bis zum Ende der Geschichte tägliche Updates. Auf euren Senf in den Kommentaren freue ich mich wie immer sehr!
Eure Anna Vanilla ☺️
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Filmdosensommer
ChickLit❝Lach über das Leben❞, sagt er dann leise, aber bestimmt, ❝sonst lacht das Leben über dich.❞ Und es ist tatsächlich einfach. Simpel auf einem so verdammt hohen Level, dass es beinahe wieder poetisch wirkt. Vor Leia liegt der Sommer ihres Lebens: Sie...