»𝟸𝟼«

2.1K 105 15
                                    

Ich sitze nur mit einem langen Shirt an meinem Körper auf der Toilette von Noahs Zimmer. Ein kleines Lächeln huscht über meine Lippen.

Es ist unbeschreiblich, aber irgendwie fühlt es sich etwas so an, als wäre das hier gerade mein erstes Mal gewesen. Ich hätte es mir nie gedacht, aber Noah ist so zärtlich. Er ist unglaublich bestimmt und fordernd, aber dabei so sinnlich und achtsam. Er hat mich immer wieder mit geweiteten Pupillen angesehen, als müsste er sich mein Bild immer wieder einprägen, um es nie wieder zu vergessen.

Augenblicklich fährt ein angenehmes Ziehen durch meinen Bauch. Ja, er hat mich so angesehen, als müsste er sich mich nur gut genug einprägen, um mich für immer bei sich zu halten. Aber wir wissen beide, dass er derjenige ist, der gehen wird.

Ich zwinge mich aufzustehen und zu spülen, damit er nicht denkt, ich würde hier sonst was machen. Den verdammten Gedanken über das Sterben würde ich am liebsten gleich hinterherspülen.

Auf möglichst leichten Füßen tappse ich zurück zu ihm ins Bett. Es ist ungewohnt, wie er dabei mit einem Lächeln seinen Blick über meinen Körper schweifen lässt.

»Du brauchst nicht auf Zehenspitzen laufen«, sagt er dann und zieht mich an sich. »Du siehst auch so wunderschön aus.«

Ich schlage mein linkes Bein über seine Hüften und blicke zu ihm rauf. »Ich dachte immer, du würdest dich gar nicht für mich interessieren«, flüstere ich.

»Kennst mich doch, mein Pokerface war schon immer oskarwürdig«, gibt er mit einem selbstgefälligen Grinsen von sich.

Ich nicke. Das ist allerdings wahr, denke ich, lächle ihm aber nur entgegen. Dann schließe ich meine Augen und lasse mir von ihm über meine Haare streicheln.

So schlafe ich schließlich ein.

Mitten in der Nacht wache ich auf. Erst in einem zweiten Moment, kommt mir in den Sinn, dass ich gar nicht in meinem eigenen Bett liege. Die Erinnerungen von gestern Abend kommen zurück und ein wohliges Gefühl breitet sich in mir aus.

Erschrocken stelle ich jedoch fest, dass Noah gar nicht mehr neben mir liegt. Die Zettel, die Noah am Abend noch hastig vom Bett auf den Boden befördert hat, sind jetzt weg. Offenbar hat er hier aufgeräumt während ich geschlafen hab. Ich richte mich auf und dann sehe ihn. Er sitzt an seinem Schreibtisch, aber er macht nichts, er sieht einfach nur durch das Fenster auf den mondbeschienenen Pool.

»Noah«, flüstere ich.

Als er meine Stimme vernimmt, dreht er sich in seinem Drehsessel um. Er trägt eine Trainerhose und ein Tanktop.

»Kannst du nicht schlafen?«, frage ich und komme in meinem viel zu großem Shirt auf ihn zu.

»Ich will meine Zeit ja nicht mit Schlafen verschwenden«, gibt er von sich und stößt ein kurzes Lächeln aus.

Ich setze mich auf seien Schoß und streiche ihm über sein Gesicht. Es fühlt sich schon etwas merkwürdig an, das bei ihm zu tun, aber verdammt, zur selben Zeit auch so unglaublich gut.

Noah sieht an mir vorbei, aber ich merke, dass er meine Nähe jetzt braucht.

»An was denkst du?«, frage ich besorgt, doch er antwortet mir nicht. Aber das bin ich von ihm ja gewohnt.

»Findest du eigentlich, dass ich ein guter Mensch bin?«, fragt er mich dann, sieht aber noch immer geradeaus.

Das gibt mir die Möglichkeit, in Ruhe nachzudenken. Normalerweise würde Noah niemals sowas fragen, aber in Anbetracht seiner Situation, verwundert es mich nicht wirklich.

Im nächsten Moment trifft mich sein Blick.

»Ich glaube, wir sind nicht von Grund auf gut oder böse«, sage ich dann mit weicher Stimme. »Ich denke eher, es ist die Summe unserer unzähligen kleinen Taten an jedem einzelnen Tag, die uns zu schlechten oder guten Menschen machen. Sowas Ähnliches hat mal dein Vater zu mir gesagt.«

FilmdosensommerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt