»𝟷𝟹«

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Ich sitze auf den Treppen im letzten Stock und habe mein Gesicht in den Handflächen vergraben, während die Tränen nur so zwischen meine Beine fallen. Ich wusste doch, dass ich die wasserfeste Mascara brauchen werde.

Als ich höre, wie die Wohnungstür aufgeht, zucke ich erschrocken zusammen und höre augenblicklich mit dem Schluchzen auf.

»Leia, wo bist du?«, höre ich die Stimme von Marlene.

Erst will ich mich schon verstecken, doch, da gestehe ich mir ein, dass ich sie jetzt brauche. So schluchze ich weiter und Marlene kommt zu mir hoch.

Sie setzt sich neben mich und legt einen Arm um mich. »Du kennst doch Noah, der verhält sich immer so beschissen«, versucht sie mich zu trösten, obwohl ich es nicht verdient hab.

»Nein, Marlene, das verstehst du ganz falsch, ich hab mich beschissen verhalten...«, weine ich und blicke ihr in die Augen.

»Klar, du warst nicht so nett zu ihm, aber unten waren alle auf deiner Seite und haben Noah mächtig...«, versucht sie zu Ende zu sprechen, doch ich schneide ihr das Wort ab.

»Mann, sein Vater ist tot«, platzt es aus mir heraus.

Ich sehe das Entsetzen in Marlenes Augen.

»Ich hätte das nicht sagen dürfen ...«

»Deswegen war er so ... anders«, murmelt Marlene mehr für sich.

Ich nicke. »Ich schätze mal, niemand außer Lucas weiß davon und der war grade auf dem Klo, als ich das gesagt hab.«

Marlene blickt mir einfühlsam entgegen. »Entschuldige dich bei ihm, dann ist alles wieder gut.«

Ich nicke langsam.

Als wir nach einigen Minuten den Raum wieder betreten, ist die Stimmung ausgelassen. Im Licht der untergehenden Sonne sitzen alle in einem Kreis im Wohnzimmer und trinken Bier — naja bis auf Jelena, die trinkt einen Tee. Die kann auch nicht erwarten, dass die Jungs ihr hier in ihrer Studentenbude einen Cosmo servieren.

Ich verschwinde schnell im Bad, um mein verheultes Gesicht noch einmal zu checken. Marlene setzt sich schon zu den anderen.

Im Spiegel stelle ich fest, dass meine wasserfeste Mascara meinem Heulkrampf nicht ganz standhalten konnte. Sind meine Tränen ätzend, oder was?, rege ich mich innerlich mit dem Hersteller des Produkts auf und suche fieberhaft nach einem Wattestäbchen, um das wieder in Ordnung zu bringen.

Plötzlich schwingt die Tür zum Badezimmer auf und ich zucke zusammen.

»Suchst du was?«, fragt mich Noah skeptisch. Als er meine zerlaufene Wimperntusche sieht, wird sein Ausdruck im Gesicht plötzlich ungewohnt weich. »Brauchst dir jetzt nichts da draus zu machen, Kleine«, sagt er und schenkt mir ein Lächeln. »Ist dir eben raus gerutscht.«

Und da ist sie wieder, seine weiche Seite, die mir ohne mit der Wimper zu zucken vergibt und es sofort warm in mir werden lässt. Aber es ärgert mich auch, dass er wieder den Erwachsenen raushängen lassen muss. Er kommt auf mich zu und öffnet den Badkasten neben mir. »Das suchst du doch«, meint er schließlich mit einem Wattestäbchen in der Hand.

»Danke«, murmle ich mit einem kleinen Lächeln.

»Halt dich aber da draußen ja mit dem Trinken zurück!«, mahnt er mich und macht damit erneut alles wieder kaputt.

Ich will schon was Trotziges erwidern, doch dann nicke ich bloß. »Jaja, ich pass schon auf.«

Nachdem ich wieder einigermaßen vorzeigbar aussehe, trete ich aus dem Bad. Im Wohnzimmer nehme ich neben Marlene Platz und schaue in die Runde. Als mein Blick an Lucas ankommt, sieht er sofort weg. Mann, wie lange will er mich denn noch ignorieren?

FilmdosensommerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt