Mit dem breitesten Lächeln, das ich noch hervorbringen kann, lasse ich mich zusammen mit Marlene vor dem Eingang des Gebäudes fotografieren. Nie hätte ich geglaubt, dass diese vielen Blitzlichter so intensiv sein könnten. Ich bin froh, wenn ich anschließend wieder einigermaßen normal sehen kann.
»Hast du die beiden zusammen gesehen?«, raune ich Marlene zu, als wir das Innere der Uni betreten. Auch, wenn noch immer bunte Punkte vor meinen Augen tanzen, kann ich erkennen, wie beeindruckend der Saal ist. Mehrere Reihen Balkone mit Bücherregalen führen in die Höhe, auf denen sich unzählige Menschen mit Sektgläsern in den Händen unterhalten. Marlene wird hier schon im Herbst selbst Studentin sein. Etwas neidisch bin ich ja schon.
»Ja, ich hab sie gesehen«, erwidert sie stirnrunzelnd, »und ich kann dir nur eins verraten, vergiss diesen Kerl!«
»Aber er war so...«, will ich einwerfen und denke an seine zärtliche Art gestern.
»Nichts aber«, schneidet sie mir das Wort ab. »Krebs hin oder her, guter Sex hin oder her, er behandelt dich wie Scheiße!«
Schnaubend blicke ich ihr entgegen, obwohl ich weiß, dass sie die letzte Person ist, auf die ich im Moment wütend sein sollte.
Marlene bedenkt mich mit einem mitfühlenden Blick und fasst mich an die Schultern. »Ich weiß, es ist schwer, aber es ist das Beste für dich.«
»Aber ich hab mich noch nie so sehr zu jemandem hingezogen gefühlt, verstehst du? Diese Gefühle sind so intensiv, wie ich sie noch nie bei keinem anderen hatte«, versuche ihr verzweifelt zu erklären.
Ein Kellner mit einem Sektgläser-Tablett kommt an uns vorbei und Marlene nimmt sich dankend lächelnd gleich zwei davon. Eines drückt sie mir in die Hand.
Und dann sagt sie die Worte, die ich jetzt am wenigsten hören will, aber gerade vielleicht am meisten brauchen kann.
»Hör mal«, beginnt sie, »als meine beste Freundin muss ich dir das einfach sagen. Noah verhält sich genau so wie all die Kerle, die kein Interesse an etwas Ernsthaftem haben und deren Beziehungen nie länger als eine Staffel von Der Bachelor dauern. Du weißt doch noch, wie das bei mir und Kylie damals war...« Sie sieht mich eindringlich an. »Also glaub mir doch eins, Kerle wie er werden sich nie ändern.«
Am liebsten würde ich auf der Stelle laut losheulen und Löcher in den Boden stampfen, weil ich das alles so ungerecht finde. Aber ich bin eine erwachsene Frau in einem edlen Kleid auf einem roten Teppich. Und so zwinge ich mich nur ein einziges Mal, das zu tun, worauf ich später stolz wäre.
»Du hast Recht«, entgegne ich und unterdrücke meine Tränen mit einem kleinen Lächeln.
»Und ich bin immer für dich da«, sagt Marlene dann mit ihrem weichen Blick. »Wenn du willst, beachte ich Sam heute auch gar nicht. Heute Abend gibt's nur uns zwei, versprochen.«
»Danke«, entgegne ich und meine es auch so. In diesem Augenblick hätte mich die Rührung beinahe zum Heulen gebracht, aber ich belasse es bei dem Glanz in meinen Augen.
»Auf uns!«, prostet Marlene und wir stoßen die zwei filigranen Gläser klingend aneinander.
• • •
Der Abend ist schon etwas fortgeschritten, als Marlene mit verstellter Stimme aus irgendeinem hundertjährigen Buch vorliest. Sie hat bereits etwas über den Durst getrunken und findet es jetzt offenbar unheimlich witzig, antike Texte mit versauten Wörtern zu versehen. Sie lacht gerade über ein — ihrer Meinung! — besonders kreatives Wortspiel, als Alexander und Lucas plötzlich hinter uns auftauchen.
»Du solltest sie im Auge behalten«, bemerkt Alexander mit einem amüsierten Grinsen. »Nicht, dass sie noch in einen Blumentopf kotzt.«
»Aiai, Leia würd' ich diese Aufgabe nicht zutrauen«, meint Lucas.
»Was soll das denn bitte bedeuten?«, rege ich mich mit verschränkten Armen vor der Brust auf.
»Na, du bist doch immer hackedicht«, lacht er.
»Was?!«, schnappe ich. »Die paar Abende.« Aber eigentlich ist es mir schon längst bewusst. Und ich bin eigentlich schon ganz froh, dass es heute nicht so ist. Aus diesem Grund macht es mich auch ehrlich wütend, dass Lucas mir das ausgerechnet jetzt unter die Nase reiben muss.
»Naja, wie auch immer, wir werden euch jetzt begleiten, nicht dass wir euch am Ende nicht mehr finden«, erklärt Lucas.
»Ihr seid dosch Langweiler«, lallt Marlene mit trunkenem Gesicht und wir drei prusten los.
»Sie ist echt noch mal 'ne Stufe asozialer, wenn sie getrunken hat«, meint Alexander.
»Kennt ihr zufällig diesen Elyas M'Barek?«, fragt Lucas plötzlich ganz beiläufig und legt Marlenes Arm um seinen Nacken, damit sie nicht umkippt.
»Das frachst du noch?«, quiekt Marlene. »Der ischt beschte!«
»Mit dem haben wir davor 'n Foto gemacht«, erwähnt er in einem Ton, als wären sie bloß auf dem Klo gewesen.
»Ihr habt WAS?!«, kreische nun auch ich.
Marlene wird in diesem Augenblick wieder hellhörig. »Oh. Mein. Gott. Was? WO?!«, ruft sie aus.
Alexander und Lucas tauschen einen verwirrt-belustigten Blick. »Was ist schon dabei, wir kennen den doch auch.«
»Aber verdammt, es ist Elyas, ihr Idioten, wir müssen ihn unbedingt finden!«, kommt es aus meinem Mund.
Damals in der Serie Türkisch für Anfänger war ich voll in ihn verknallt und hatte sogar Poster von ihm an der Wand hängen.
»Na gut«, gibt sich Lucas geschlagen, »da unten irgendwo müsste er noch sein.« Er deutet mit dem Zeigefinger einen Stock tiefer auf den gegenüberliegenden Balkon.
»Na dann, auf geht's!«, verkünde ich. »Ich muss davor nur noch schnell aufs Klo.«
»Mann, Leia, du bischt echt scheiße!«, protestiert Marlene. »Elyas wartet nicht ewisch auf uns.«
»Er wartet doch gar nicht auf uns!«, zische ich und dann wende ich mich an die Jungs. »Passt ihr hier solang auf sie auf?«
Sie nicken.
Dann laufe ich den langen Gang bis zu den Toiletten runter. Als ich wenig später wieder aus dem Klo will, kommt mir im Vorraum bei den Waschbecken plötzlich Noah entgegen.
»Was machst du hier?«, frage ich verwirrt. »Du weißt schon, dass das hier die Frauentoilette ist?«
»Ich glaube, eher, dass du dich irrst«, kontert er und deutet mit einem amüsierten Grinsen auf das Pissoir links neben mir.
Na, dann liege ich eben mal wieder falsch.
Noah kommt auf mich zu, aber ich weiche einen Schritt zurück. Nur gut, dass wir allein hier sind.
»Was hast du denn?«, fragt er verwirrt und will mich an der Taille zu sich ziehen, aber ich entreiße mich ihm.
»Das fragst du noch?!«, zische ich empört.
Und in diesem Moment reißt mir der Geduldsfaden. Ja, er wird sterben. Aber deshalb hat er doch noch lange nicht das Recht, wie eine Verkehrswalze über meine Gefühle zu fahren.
»Noah!«, zische ich mit Nachdruck. »Ich lass das so nicht mehr mit mir machen! Entweder du trennst dich von Jelena, oder das war's mit uns.«
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Das ich so bald wieder zum Updaten komme, hätte ich nicht gedacht. Naja, umso besser. Ich hoffe, euch hat das Kapitel gefallen. Ich wünsch euch noch ein nices Wochenende!
Eure Anna Vanilla ♡
PS: Hat es euch gestört, dass das Kapitel nicht so lang war? 🤔
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Filmdosensommer
Genç Kız Edebiyatı❝Lach über das Leben❞, sagt er dann leise, aber bestimmt, ❝sonst lacht das Leben über dich.❞ Und es ist tatsächlich einfach. Simpel auf einem so verdammt hohen Level, dass es beinahe wieder poetisch wirkt. Vor Leia liegt der Sommer ihres Lebens: Sie...