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Auf dem Weg nach draußen, fühle ich mich, als würde ich auf einer Luftmatratze laufen. Alles scheint unwirklich, meine Gedanken sind weit weg und jeder Schritt ist unsicher.
Was war das gerade?
Ich habe tatsächlich ein Rollenangebot bekommen - wahrscheinlich auch noch ein gut bezahltes - und trotzdem scheint alles daran falsch zu sein.
Ja, ich wäre gerne Schauspielerin, aber mein Leben ist nicht der Film, für den ich in einen anderen Charakter schlüpfen möchte.
Theoretisch hat die ganze Sache seriös gewirkt, aber ist sie das tatsächlich?
Welche Art von Mensch, kommt auf die Idee, eine gestellte Beziehung zu vermarkten? Entweder eine ziemlich geldhungrige Person oder eine ziemlich gestörte Person.
Ich fand schon immer, dass die Linie zwischen Genie und Psychopath gefährlich schmal ist.
Gedankenverloren streichen meine langen Fingernägel über das eiserne Geländer zu meiner rechten. Das leise Klimpern, welches dadurch erzeugt wird, holt mich wieder in die Realität zurück.
Ich bin wieder beim Haupteingang angekommen und durch die mächtige Glastür kann ich bereits Mikes Auto sehen. Als ich wieder an die frische Luft trete, erkenne ich, dass mein bester Freund an der Tür seines Fahrzeugs lehnt und mir erwartungsvoll entgegen sieht.
Rasch atme ich durch.
Die Schweigepflicht, welche ich unterschrieben habe, gilt leider auch für den Menschen, dem ich sonst alles sage. Ich muss alles daran setzen, normal rüber zu kommen und meinen gedanklichen Zwiespalt über das Angebot zurückstellen. Wenn wir Zuhause sind, kann ich mir darüber weiter den Kopf zerbrechen.
Ich setze ein leichtes Lächeln aus und gehe die letzten Stufen zum Auto hinunter.
»Hey, wie war's?«, fragt Mike mich und wirkt ehrlich neugierig. »Du warst länger als die anderen Mädchen da drin.«
»Es war eigentlich so wie immer«, antworte ich und streiche eine Strähne meines schwarzen Haares zurück. »Ich musste noch kurz auf Toilette, deswegen habe ich etwas länger gebraucht. Hoffentlich musstest du nicht zu lange auf mich warten.«
»Alles gut.« Er lächelt mich an und zieht mich in eine Umarmung. »Ich weiß, dass es dir nicht leicht fällt, all das hinter dir zu lassen, aber ich bin stolz auf dich, okay?«
Schweigend erwidere ich die Umarmung. Ich kann es einfach nicht über mich bringen, etwas zu sagen.
Normalerweise wäre ich mehr als dankbar für seine Unterstützung gewesen, doch was gerade in diesem Gebäude passiert ist, hat einiges verändert.
Vorsichtig löst er sich wieder von mir.
Vielleicht sieht er mir an, dass etwas nicht stimmt, doch falls er das tut, dann schiebt er es auf das Ende dieser Ära.
Wir steigen beide in das Auto ein und Mike lässt extra für mich alle Fenster runter und öffnet das Dach. Er selbst ist nicht der größte Fan von diesem Durchzug, aber er weiß nur zu gut, wie sehr ich es liebe. Es gibt mir ein Gefühl von Freiheit und Unbegrenztheit - beinahe als wäre ich schwerelos.
»Kate und ich wollten dich eigentlich zur Feier deines Abschlusses heute Abend zum Essen einladen, aber wir haben morgen Vormittag eine Prüfung. Ich hoffe es ist in Ordnung, wenn wir den Restaurantbesuch um 24 Stunden verschieben.«
»Selbstverständlich«, antworte ich. »Das ist wirklich lieb von euch.«
Kate ist Mikes Freundin. Die beiden sind schon seit Jahren zusammen und ich denke, der einzige Grund, warum sie noch nicht geheiratet haben, ist der Stress, den sie mit dem College aktuell haben.
Seit ich in LA bin, sind sie praktisch meine gleichaltrigen Adoptiveltern.
Mike habe ich kennengelernt, da er der Stiefsohn meines Onkels ist. Er war immer bei Familienfeiern dabei und hat durch seine Erzählungen erstmals mein Interesse an Los Angeles geweckt.
Als ich ihn vor drei Jahren anrief und erzählt habe, dass ich in seine Heimatstadt ziehe, war es sein Angebot, dass ich übergangsweise bei ihm und Kate wohnen könnte.
Mein Aufenthalt in der Wohnung der beiden war eigentlich nicht länger als für zwei Monate geplant, doch mit der Zeit wurde leider immer klarer, dass ich mir keine eigene Bleibe leisten konnte.
Die beiden waren so nett, mich nie rauszuschmeißen, aber mir ist natürlich bewusst, dass es beiden lieber wäre, wenn ich endlich ausziehen würde.
Ich schließe die Augen und lehne mich in meinem Sitz zurück.
Der kühle Luftzug ist eine angenehme Abwechslung zu der sonstigen Hitze, die hier herrscht.
Meine Haare werden später verknotet und durcheinander sein, aber das ist es mir wert.
»Es ist ungewohnt dich so still nach einem Casting zu erleben«, höre ich meinen Nebensitzer sagen. »Keine Flüche über die inkompetenten Castingdirektoren oder das magersüchtige Miststück, das die Rolle bekommen hat. Du scheinst dich tatsächlich weiter zu entwickeln.«
Ich öffne meine Augen und sehe, dass er grinst. Seine Zähne glänzen auffällig weiß neben seiner tief gebräunten Haut. Nach unserer ersten Begegnung habe ich seinen Namen vergessen und habe ihm beim nächsten Mal, aufgrund dieses Hauttaints, als Milchkaffee bezeichnet.
Damals war ich sieben und alle fanden das unglaublich niedlich, aber tatsächlich hat sich diese Bezeichnung gehalten und ich rufe ihn auch heute noch ab und zu bei diesem Namen.
»Das täuscht«, kommentiere ich seine vorherige Aussage. »Ich habe nur endlich meinen Traum wahr gemacht und der Gewinnerin des Castings die Augen ausgekratzt.« Ich mache mit einer Hand eine krallenartige Bewegung. »Übrigens der wahre Grund, warum ich länger gebraucht habe als sonst.«
»Dachte ich mir schon«, antwortet Mike und wendet seine Augen kurz von der Straße ab, um zu mich anzulächeln. »Ein wunderschöner Abschluss.«
»Ja, nicht wahr?«, sage ich leise lachend. »Nun habe ich endlich Frieden gefunden.«
»Zumindest bis die nächste Bitch dir den Titel der Jahrgangsbesten auf dem College wegschnappt.«
»Oh bitte!« Ich lege meine Füße hoch. »Wenn ich auf dort alle umbringen müsste, die besser als ich sind, würde ich einiges zu tun haben.«
»Jeder braucht eine Freizeitbeschäftigung«, zieht Mike mich auf. »Und nimm die Füße da runter, das ist frisch geputzt!«
»Achja? Hast du mit der flachen Hand drüber gewischt?« Kritisch beäuge ich das Armaturenbrett voller Fingerabdrücke und Flecken. Dennoch stelle ich meine Füße wieder dorthin, wo sie hingehören.
Nur wenige Minuten später parkt mein Nebensitzer mit einem scharfen Manöver ein und bringt sein Auto schließlich zum Stehen.
»Meine Damen und Herren, wir sind gelandet«, kommentiere ich leicht grinsend, während er aussteigt und mir die Tür öffnet.
Ich verlasse ebenfalls den Wagen und wir laufen die kurze Strecke, zu dem Gebäude, in dem sich unsere Wohnung befindet.
Das Haus ist beliebt bei Studenten und wird oft spaßeshalber als Das Haus, das niemals schläft bezeichnet.
Fairerweise muss man zugeben, dass der Name nicht unpassend gewählt ist. Vor 04:00 morgens kann man keine Stille erwarten und meistens kommt auch schon um 07:00 wieder Leben in die Bewohner, da sie zu Vorlesungen müssen.
Innerhalb dieser drei Stunden, hat man oftmals dann schon aufgegeben einen gesunden Nachtschlaf zu bekommen und sitzt mit einem Eimer Popcorn vor dem Fernseher.
Auch wenn es ein chaotisches Leben ist, liebt ein Teil von mir diese Routine.
Mike und ich fahren mit dem Aufzug in den siebten Stock, wo sich unsere Wohnung befindet und kurz darauf treten wir über die Türschwelle.
Als erstes fällt mein Blick auf das ebenfalls stark gebräunte Mädchen mit den strohblonden Haaren. Kate sitzt in der Mitte des Wohnzimmer auf dem Fußboden. Um sie herum liegen mehrere Bücherstapel, Notizblöcke und Lernzettel.
Unwillkürlich taucht vor meinem inneren Auge ein Bild von Dämonenbeschwörungen auf, in der das Mädchen in der Mitte eines Kerzenkreises sitzt. Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen.
»Oh gut! Mike, April, ihr seid wieder da. Habt ihr eine Ahnung, wo ich den Aufschrieb mit allen Themen für die Klausur hin habe? Ich weiß, dass ich das Blatt heute morgen noch beim Frühstück neben meinem Brettchen liegen hatte und durchgegangen bin, aber seitdem ist es unauffindbar.«
Gestresst fährt sie sich durch ihre kurzen Haare und stößt dabei mit dem Ellenbogen einen Bücherstapel um.
Ihre Angst vor Prüfungen ist nichts neues für mich. Obwohl sie meistens gut abschneidet, verfällt sie in den letzten Tagen vor dem Termin in eine Art hektische Dauer-Panikattacke.
Mein bester Freund und ich sehen uns kurz an. Er scheint mir stumm die Frage zu stellen, ob ich von jetzt an alleine zurecht komme.
Kurz nicke ich, woraufhin er sich vollständig seiner Freundin zuwendet.
»Hast du schon mal im Kühlschrank nachgesehen?«, höre ich ihn sagen, während ich mich in mein Zimmer begebe. Der Satz lässt mich leise auflachen, vor allem da es nicht unwahrscheinlich ist, dass Kate ihr Zeug an den unmöglichsten Stellen der Wohnung vergisst.
Ich erinnere mich nur zu gut an das Lexikon, welches ich beim Duschen ruiniert habe.
Möglichst leise, um niemanden zu stören, mache ich meine Zimmertür zu und schließe damit meine Freunde aus.
Für einen Moment konnte ich meine ungewöhnliche Lage beinahe vergessen, doch jetzt, da ich alleine bin, kommt der Gedanke mit voller Wucht zurück.
Kurz lausche ich, um sicher zu sein, dass Mike und Kate mit ihrer Klausurvorbereitung beschäftigt sind, dann streife ich mir meine hohen Schuhe ab, hebe meinen Laptop vom Boden auf und lasse mich damit aufs Bett sinken.
Gewöhnlich verbringe ich die Zeit nach Castings eher damit, mir etwas bequemeres überzuziehen oder mich abzuschminken, doch nicht heute. Ich bin zu neugierig.
Egal was ich weiterhin tun würde, es könnte mich nicht mehr von den Geschehnissen des Vormittags ablenken.
Ich klappe den Laptop auf, öffne Google und gebe als Suchbegriff ein: Noe Glen.
Augenblicklich erstreckt sich mir eine Vielzahl von Artikeln, deren Überschriften mich einen Moment schockieren.
Sein zweiter Entzug - kann Noe Glen den Drogen nicht entkommen?
• Milliadärssohn in Schlägerei verwickelt
• Beleidigungen gegenüber der Presse - küsst Glen mit diesen Lippen seine Mutter?
• »Für den Jungen ist alle Hoffnung verloren» - Noe Glens Exmanager im Interview
• Frostige Stimmung bei Familie Glen - was ist zwischen Arthur und Noe geschehen?
Ich blinzle mehrmals. Als Sierra Stryker gesagt hat, dass Noe ›nicht ideal zurecht kommt‹, hatte ich zwar schon den Verdacht, dass etwas mit ihm nicht stimmt, doch ich habe mir nicht vorgestellt, welche Ausmaße dies ausnimmt.
Nur zu gut kenne ich die Klatschpresse und sicher stimmt nicht alles was dort in diesen Artikeln steht, aber ein schlechter Ruf kommt nicht aus dem Nichts.
Nach einigem Suchen, finde ich einen Artikel, der etwas neutraler geschrieben ist:

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