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Man sagt, es gibt einen Unterschied zwischen Lügen und Schauspiel.
Doch wenn sich das ganze in der realen Welt abspielt, fühlt sich das absolut nicht so an.
Ich werde meine Freunde nichts vorspielen, ich lüge sie an. Ich täusche sie bewusst und wenn die Wahrheit rauskommen sollte, gibt es dafür keine Entschuldigung.
»April?«, reißt Mike mich aus meinen Gedanken. »Schmeckt es dir nicht?«
Leicht verwirrt blicke ich auf.
Wie geplant sitze ich mit Mike und Kate in einem Restaurant, zur Feier des Beginns meines neuen Lebens. Obwohl wir nur selten Essen gehen und es eigentlich etwas ganz besonderes sein sollte, habe ich mein Gericht bisher kaum angerührt.
»Doch doch, natürlich«, entschuldige ich mich rasch. »Es ist nur... Ich war mit den Gedanken woanders.«
»Etwas, was du gerne mit uns teilen möchtest?«, fragt Kate mich sanft. Wie immer, wenn sie gerade eine Klausur hinter sich gebracht hat, ist sie bewundernswert ruhig und ausgeglichen.
Leicht nervös sehe ich mich in dem Lokal um. Unser Tisch steht etwas abseits, eigentlich wäre es ein guter Moment, Sierra Strykers erster Aufforderung nachzukommen.
Eigentlich habe ich nicht geplant den Plan an diesem Abend umzusetzen, aber was bringt es denn, wenn ich es weiter vor mir her schiebe?
»Ich habe jemanden kennengelernt.«
Fast gleichzeitig heben die beiden interessiert den Kopf. Seit ich in LA bin, hatte ich noch an keinem Jungen Interesse gezeigt. Umso überraschender macht es jetzt meine Enthüllung.
»Tatsächlich?«, fragt Mike. Ich kenne ihn gut genug, um zu wissen, dass er sich gerade zurück hält, um mich nicht überstürzt auszufraben.
»Ja, eigentlich kenne ich ihn schon etwas länger, aber... Es ist kompliziert.«
Kate legt ihr Besteck zur Seite und wendet sich mit voller Aufmerksamkeit mir zu. »Okay, was immer es ist, erzähle es uns.«
Ich muss tief durchatmen. Dashier fühlt sich falsch an, doch ich habe einen Vertrag unterschrieben, an den ich mich halten muss.
»Ich date Noe Glen.«
Mike klappt die Kinnlade runter, während Kate überrascht die Augenbrauen hochzieht. Die beiden tauschen einen kurzen Blick aus.
Offensichtlich ist ihnen mein neuer Freund bekannt - im Gegensatz zu mir.
»April«, setzt Kate vorsichtig an. »Dir ist doch bewusst, dass es sich bei diesem Jungen um eine ziemlich problematische Person handelt. Er hat vielleicht Geld und sieht gut aus, aber du solltest dich in nichts reinziehen lassen.«
Sie klingt mehr nach einer Mutter, als meine eigentliche Mum es jemals getan hat.
»Sie hat Recht«, mischt sich auch Mike ein. »Noe Glen und seine komplette Welt - das kann ziemlich hart sein.«
»Es ist nicht so wie ihr denkt«, verteidige ich mich. »Er ist nicht so wie ihr denkt.« Mit jedem Wort verfalle ich mehr in die Rolle des blind verliebten Mädchens. »Noe ist sehr missverstanden von der Öffentlichkeit. Er ist einer der charmantesten und zuvorkommensten jungen Männer, die ich je kennengelernt habe. Er bedeutet mir was, versteht ihr? Ich denke, dass da etwas besonderes zwischen uns ist.«
Erneut sehen die beiden sich an, wie besorgte Eltern, deren Tochter in tiefen Schwierigkeiten steckt.
Ich hätte nicht damit gerechnet, aber ihre beschützerische Art, macht mich tatsächlich etwas sauer. Wir sind beinahe gleich alt und ich bin durchaus im Stande meine eigenen Entscheidungen zu treffen!
»Wir gönnen dir dein Glück selbstverständlich, April«, sagt Mike ruhig. »Alles was wir möchten, ist, dass du vorsichtig bist. Noe Glen hat eine Historie, die nicht ganz ohne ist und auch noch nicht so weit in der Vergangenheit liegt.«
»Das ist mir bewusst«, erwidere ich, innerlich flehend, sie würden meine Gefühle doch verstehen. Noch nie zuvor, habe ich mich so stark in eine Rolle hineinversetzt. »Aber ihr kennt ihn nicht so wie ich. Wir haben viel geredet in den letzten Monaten und er will sich ändern. Er möchte Sachen wieder gutmachen und ein besserer Mensch werden. Ich kann ihn dabei unterstützen!«
»Warte, warte«, wirft Mike ein. »In den letzten Monaten?!«
Kurz muss ich schlucken.
»Es tut mir leid, ich hätte euch früher davon erzählen sollen, aber Noe meinte, es wäre das beste es erstmal für uns zu behalten. Er hat nur versucht mich zu schützen.«
»Vor uns?«, fragt mein bester Freund und sieht dabei ein wenig verletzt aus. »Seit wann musst du vor uns beschützt werden?«
Es tut mir schrecklich leid ihn so zu sehen, aber irgendwie muss ich in meinem Charakter bleiben.
»Offensichtlich hatte er nicht ganz Unrecht!« Entschlossen schiebe ich meinen Teller ein Stück weg von mir. »Ihr versteht unsere Beziehung nicht - ihr versucht es noch nicht einmal!«
Kate, die spürt, dass der Streit zwischen Mike und mir zu eskalieren droht, greift ein: »Natürlich versuchen wir es zu verstehen, April. Es ist nur so, dass du ausgehend von deinem aktuellen Wohnort, Beruf und Kontostand in den letzten Jahren nicht unbedingt die schlausten Entscheidungen getroffen hast.«
Obwohl es höflich formuliert ist, stößt es mich vor den Kopf.
Denken sie tatsächlich so von mir?
Trauen sie mir wirklich nicht zu, verantwortungsbewusst zu handeln?
Und wenn sie die Wahrheit wüssten, was würden sie darüber denken?
»Noe ist keine falsche Entscheidung«, sage ich leise. »Er ist mir wichtig und ich bin ihm wichtig.«
Beinahe erwarte ich, dass Mike und Kate sich wieder einen ihrer besorgten Elternblicke zuwerfen, aber sie beide starren nur noch stumm auf ihre Teller.
»Ich dachte, ihr würdet euch für mich freuen«, murmle ich. »Ich dachte, mein Glück würde euch etwas bedeuten.«
Noch immer sehen die beiden nicht auf.
»Tut mir leid.« Ich schiebe meinen Stuhl zurück und stehe auf. »So habe ich mir das nicht vorgestellt.«
Dann verlasse ich das Lokal.

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