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»Die Limousine wird euch in der Second Street abholen, klar? Ihr lauft etwa zwanzig Minuten bis dahin, also sollte sicher sein, dass ihr von Paparazzis entdeckt werdet. Wenn ich morgen keine schönen Bilder von euch im Internet sehe, lasse ich euch so lange durch LA wandern, bis ihr überall in den Medien seid! Und jetzt raus hier.«
Sierra Stryker zieht die Tür des schwarzen Vans auf.
Wir haben in einer dunklen Seitengasse geparkt, wo uns niemand sehen kann. Das Licht der Kameras soll uns erst treffen, wenn Noe und ich uns ein Stück entfernt haben.
Die ganze Aktion soll vollkommen ungewollt erscheinen. Nichts als eine Möglichkeit schon vor der Bekanntgabe unserer Beziehung, etwas Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
Auf einmal bin ich unglaublich nervös. Ich hätte nicht damit gerechnet, aber das ist das erste mal, dass ich nicht frei durch die Straßen von Los Angeles laufen kann.
Unwillkürlich muss ich an die Prügeleien denken, die Noe mit Paparazzis hatte. Innerlich flehe ich, dass nichts der gleichen heute Abend passiert.
Ich drehe den anderen den Rücken zu, damit sie meine zittrigen Finger nicht sehen und ziehe mir meine Kapuze über. Nur noch ein paar Haarsträhnen hängen heraus, sodass man zweifellos erkennen kann, dass Noe Glen von einem Mädchen begleitet wird.
»Wir haben nicht bis Sonnenaufgang Zeit!«, grollt Mrs Stryker hinter mir.
Immer noch abgewand verdrehe ich die Augen und klettere aus dem Van.
In etwa zwanzig Minuten wird alles vorbei sein. Wenn ich nur diese kurze Zeitspanne hinter mich bringen kann, ist es schon geschafft. Alles was ich tun muss, ist durchhalten.
Immer wieder lasse ich mir selbst diese Sätze durch den Kopf gehen und wahrscheinlich ist es das einzige, was mich in diesem Moment noch bei Sinnen hält.
Ein kleiner, abgedrehter Teil von mir freut sich sogar auf die ganze Aktion.
Ist es nicht das, was ich immer wollte? Das Rampenlicht auf mir, die Aufmerksamkeit hunderter Fans und die Cover der Klatschpresse.
Das ist mein Moment.
Mrs Stryker gibt Noe in diesem Moment einen kleinen Schubs aus dem Auto raus, schlägt dann die Tür zu und schon im nächsten Moment springt der Motor an und das Auto entfernt sich.
Jetzt sind wir alleine.
Zwei unbewaffnete, auf einem Kriegsplatz ausgesetzt.
»Wow«, sage ich leise und rücke noch einmal meine Kapuze zurecht. »Bist du sicher, dass sie für dich arbeitet? Sie wirkt viel eher wie dein Chef.«
»Oh du hast da was falsch verstanden.« Vorsichtig sieht Noe sich um. »Sie ist sehr wohl meine Angestellte. Allerdings ändert das nicht die Tatsache, dass sie deine Vorgesetzte ist.«
Endlich dreht er sich zu mir um und streckt mir seine Handfläche hin. Ich ziehe nur eine Augenbraue hoch.
Mit einem genervten Seufzer ergreift er meine Hand und verschränkt seine Finger in meinen.
Die Geste überrascht mich, doch natürlich ist es das einzige was Sinn macht, wenn wir zusammen gehören wollen.
Ohne noch ein weiteres Wort zu verlieren, verlassen wir die Gasse und begeben uns langsam in Richtung der belebteren Straßen.
Anfangs bleibt alles ruhig. Wir laufen an ein paar Passanten vorbei, die die Stunden kurz nach Sonnenuntergang nutzen, um nach Hause zu kommen. Doch als wir uns einer Kreuzung nähern, kann ich förmlich spüren, dass dort eine ganz andere Gruppe von Menschen auf uns wartet: Menschen, die das Nachtleben in Los Angeles in vollen Zügen genießen wollen.
Ich werde spürbar unruhig, doch Noe lässt kein Zögern zu. Ohne mich überhaupt anzusehen, zieht er mich weiter voran.
Es ist anders als ich es mir vorgestellt habe.
Vielleicht ist es albern, doch ich habe mir immer gedacht, die kreischende Menge der Paparazzi würde uns förmlich ins Gesicht schlagen und uns einkesseln, doch es ist ganz anders.
Zuerst ist da nur ein Lichtblitz. Das erste Foto wurde von uns gemacht. Unauffällig wende ich mich in die Richtung und sehe, dass der Fotograf etwas zu seinem Nebenmann sagt, der sich augenblicklich auch uns zuwendet.
Mit jedem Schritt den wir machen, ist das erneute Klicken einer Kamera zu hören, ein erneuter Blitz erfasst uns. Allmählich scheint uns ein dauerhafter Raunen zu begleiten, ohne dass ich auch nur ein Wort aus der Menge heraus hören kann.
Ich wage es nicht, mich umzudrehen, aber ich weiß, dass ein paar Leute uns folgen.
Ohne es selbst zu realisieren, umklammere ich Noes Hand etwas fester.
Mein Herz beginnt schneller zu klopfen, während ich den Blick starr auf den Boden gerichtet habe. Noch darf man mein Gesicht nicht erkennen - ganz im Gegensatz zu meinem Begleiter, der unberührt und aufrecht neben mir hergeht und den Fotografen kaum Beachtung schenkt.
Nach und nach werden die Stimmen um uns herum lauter. Jemand ruft Noes Namen und langsam beginnen sich die restlichen Leute einzustimmen.
Ein paar, an denen wir besonders dicht vorbei laufen, stellen Fragen. Sie wollen Fotos mit ihm machen und möchten wissen wer ich bin. Beleidigungen, sowie Komplimente sind heraus zu hören.
Inzwischen muss auch Noe seinen Blick etwas abwenden, da ihn die vielen Kamerablitze blenden.
Innerlich weiß ich, dass ich die Aufmerksamkeit genießen sollte, doch je mehr Leute uns folgen und Bilder machen, desto eingeengter fühle ich mich.
Sie schreien uns an und beobachten uns, wie wilde Tiere in einem Zoo. Als wären wir zu nichts als zur Belustigung da.
Jemand kommt mir viel zu nahe und versucht mir die Kapuze vom Kopf zu ziehen.
Kurz habe ich das Bedürfnis in die entsprechende Richtung zu schlagen, aber dann muss ich mir wieder ins Gedächtnis rufen, dass ich nichts weiter als die liebenswerte Freundin bin, die sich keinen Fehler erlauben darf.
Die plötzliche Menschenmasse macht mir Angst und ich fühle mich gedemütigt.
Ich weiß nicht wohin wir gehen oder ob wir uns überhaupt noch gerade aus bewegen, doch im Moment ist mir nur wichtig, hier raus zu kommen.
Orientierungslos wanke ich weiter in die Richtung, in die mich die Hand meines Nebenmanns führt.
Erneut spüre ich den Griff von einer unbekannten Person - diesesmal um meinen Oberarm. Man versucht mich von Noe wegzuziehen, doch noch bevor ich realisieren kann, was passiert, lässt er meine Hand los, legt einen Arm um meine Hüften und zieht mich dicht an sich heran.
Erleichtert verberge ich mein Gesicht an seiner Schulter, während er seine Schritte beschleunigt und mich gut geschützt durch die Menscharschar bringt. Als ich kurz aufblicke, sehe ich noch mehr Handys, die in unsere Gesichter gehalten werden, aber sie werden einfach zur Seite geschoben.
Wäre ich alleine hier rein geraten, wäre ich verzweifelt, aber die Nähe meines Begleiters tut auf einmal unfassbar gut.
Niemals hätte ich geglaubt, dass mir das ehrlich durch den Kopf gehen würde, doch ich bin dankbar für Noes Gesellschaft.
Noch immer strecken sich Hände nach uns aus, doch sie scheinen uns nicht zu erreichen.
Im Endeffekt ist es unmöglich zu sagen wie, doch wir erreichen tatsächlich die Limousine.
Knapp hundert Menschen folgen Noe Glen und dem mysteriösen Mädchen, welches er so schützend an seiner Seite hält.
Mein angeblicher Freund öffnet mir die Tür und stellt sich schützend zwischen mich und die Paparazzi, während ich einsteige. Kaum befinde ich mich in dem Fahrzeug und bin ein Stück reingerutscht, folgt er mir und zieht mich erneut an sich heran.
Noch ein paar letzte Fotos werden durch die offene Autotürür geschossen, dann zieht Noe sie zu und sperrt somit die Menschen, die Schreie und die Lichtblitze aus. Schon im selben Moment lässt er mich auch wieder los und rutscht ein Stück weg von mir. Die verspiegelten Scheiben, erlauben keinem neugierigen Fan einen Einblick in das Auto.
Als ich spüre, dass wir losfahren, streife ich mir langsam wieder die Kapuze vom Kopf. Dabei fällt mein Blick auf Mrs Stryker, die uns direkt gegenüber sitzt.
»Sieht so aus, als könnten wir uns auf ziemlich viel Presse freuen«, kommentiert sie und hakt etwas auf ihren Klemmbrett ab.
»Bilder gibt es definitiv genug«, antwortet Noe und lehnt sich zurück.
Ich kann nicht fassen, wie ruhig er ist. Wir sind gerade praktisch von Menschenmassen erdrückt worden!
Wahrscheinlich ist es all das schon gewöhnt.
Allmählich kann ich ihm nicht mehr verübeln, dass er mal auf einen Paparazzi losgegangen ist.
Obwohl mich niemand groß beachtet, gebe ich mir Mühe mir nichts anmerken zu lassen.
Meine zitternden Hände verstecke ich in der Bauchtasche meines Kapuzenpullovers und nach einigen Versuchen, bekomme ich auch meinen hektischen Atem wieder unter Kontrolle.
All dieser Trubel, nur um ein paar Gerüchte in die Welt zu setzen?
Vor den beiden anderen würde ich es nur ungern zugeben, aber ich bin unfassbar erleichtert, dass es vorbei ist.

Etwa eine Stunde später stehe ich vor dem Spiegel in meinem Badezimmer und wische mir mein MakeUp vom Gesicht. Ich wurde ziemlich stark geschminkt, damit ich auch noch im Licht der Kameras gut aussehe und nicht richtig zu erkennen bin.
Eigentlich hatte ich absolut nichts dagegen, doch als ich mich schließlich vollständig abgeschminkt habe, sind meine Augen geschwollen und mein gesamtes Gesicht scheint förmlich zu brennen.
Ich fühle mich wirklich müde und würde mich am liebsten nur noch in mein überdimensionales Himmelbett fallen lassen, aber allein der Gedanke fühlt sich falsch an. Mein Körper ist verschwitzt, meine Haare kleben noch vor lauter Haarspray aneinander und generell fühle ich mich einfach schmutzig.
Langsam streife ich mir alle Klamotten vom Leib und lasse sie achtlos fallen. Die Unordnung bildet einen seltsamen Kontrast zu den blitzeblanken Fließen.
Vollständig entblößt trete ich in die Dusche und schalte das Wasser an.
Augenblicklich trifft mich ein eiskalter Wasserstrahl. Normalerweise mag ich es lieber warm zu duschen doch an diesem Abend ist mir die Erfrischung willkommen. Es scheint mich in die Realität zurück zu holen - mich wieder in meinen eigenen Körper zu versetzen.
Allmählich spüre ich, wie mit dem Wasser auch meine Anspannung an mir herabläuft und schließlich im Abfluss verschwindet. Ganz langsam habe ich das Gefühl wieder frei durchatmen zu können.
Eine ganze Weile bleibe ich in der Duschkabine stehen. Es gibt unzählige Einstellungen für den Wasserstrahl und an einem anderen Tag hätte ich sie sicher mit Freude ausprobiert, aber heute möchte ich nichts anderes als mich mit kaltem Wasser berieseln zu lassen und dabei mit meinen Gedanken so weit wie möglich entfernt zu sein.
Als ich ein wenig später wieder heraus trete und mich mit einem Handtuch umwickle, fühle ich mich etwas besser.
Ich habe weder Shampoo, noch Duschgel benutzt, aber das war auch nicht nötig. Es ist, als wäre ich von etwas gesäubert worden, das sich tief in meinem inneren befindet.
Prüfend sehe ich mich im Spiegel an und streiche eine nasse Haarsträhne zurück.
Ich sehe aus wie immer, aber warum fühle ich mich nicht so?
»Es wird nicht immer so sein«, erkläre ich meinem Spiegelbild leise. »Es wird besser.«
Natürlich ist es ein Ding der Unmöglichkeit, dass meine Reflexion reagiert, doch je genauer ich mich ansehe, desto sicherer bin ich, einen Hauch Erleichterung in meinen eigenen Augen zu erkennen.
Vielleicht ist es albern, doch es fühlt sich an, als müsste ich mich vor meinem eigenen Spiegelbild rechtfertigen, wegen dem, was ich ihm antue. Zum ersten Mal in meinem Leben, scheine ich meinen eigenen Körper zu verlassen.
Kurz schüttle ich mich.
Keine vierundzwanzig Stunden in diesem Haus und ich drehe schon durch!
Für solche Momente lebe ich doch. Mein ganzes bisheriges Leben war darauf aufgerichtet diese Aufmerksamkeit zu bekommen. Alles was ich tun muss, ist, mich daran zu gewöhnen.
Ich trockne mich ab, um nicht weiter nachdenken zu müssen und gehe dann ohne Kleider und mit feuchten Haaren zurück in mein Schlafzimmer.
Obwohl James mir versichert hat, dass niemand das Recht hat, in meine privaten Gemächer einzudringen, habe ich abgeschlossen. Wahrscheinlich ist es unnötig, aber es hilft mir, mich besser zu fühlen. Zumindest nachts will ich durch eine fest verriegelte Tür von den schrecklichen Menschen auf der anderen Seite getrennt sein.
Müde lasse ich mich auf meine Matratze sinken und krabble unter meine Bettdecke.
Heute Vormittag hatte ich noch die Befürchtung, dass ich mich in dem riesigen Bett verloren fühlen würde, doch in dem Moment, als ich die Augen schließen und bereit bin, ins Land der Träume zu reisen, bin ich tatsächlich dankbar für die Freiheit, welches mein Schlafgemach mir gibt. Nachdem man von einer schamlosen Menschenmenge eingekesselt wurde, gibt es wohl nichts schöneres, als so viel leeren Raum um einen wie möglich.
Dies ist mein letzter Gedanke, bevor ich endlich einschlafe.

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