75. Mark (Einsamkeit)

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Ich sitze in dem Sessel, der im Zimmer von Alex steht und fühle mich - einsam, verlassen, abgelehnt, unnütz - ach all diese Worte treffen zu und sagen doch nicht wirklich aus, wie ich mich fühle. Als mir die Geräusche im Nebenraum zu laut wurden und trotz Badezimmer dazwischen zu mir rüber schallten begab ich mich auf der Suche nach Ablenkung in den Wohnraum, wo ich auf den Blonden stieß. Gemeinsam zogen wir uns dann hierhin zurück. 

Noch vor wenigen Stunden dachte ich, ich bin der glücklichste Mann der Welt. Und dabei spielt die Tatsache, dass ich Hauptmann geworden bin und trotzdem bei Seb bleiben kann, weil dieser ebenfalls befördert wurde nur eine untergeordnete Rolle, denn beruflich wird letztlich alles so bleiben wie es ist, nur dass wir etwas mehr Geld dafür bekommen werden und etwas mehr Befugnisse erhalten haben. 

Es war die Party, die mir Hoffnungen gemacht hat, dass mein Traum von einer perfekten, polyamoren Beziehung wahr werden könnte und dass sie, was das Beste daran ist, sowohl den Mann meiner Träume beinhalten könnte, als auch eine Frau die mit meinen Vorstellungen zurecht kommt. Ich hatte sogar das Bild einer perfekten Familie vor Augen, als mein Blick auf Alex fiel, der mit seinem neuen Freund zusammen saß und redete und lachte. 

 Ich dachte immer, ich will zwei Partner, weil ich bi bin und das bedeutet, ich will eine Frau und einen Mann an meiner Seite haben. Ich konnte die Leute nie verstehen, die sich so einfach für eine Person entschieden und damit ihre andere Seite komplett vernachlässigten - für immer. Eine gute Erklärung dafür bekam ich bisher von keiner dieser Personen. Statt dessen bekam ich mehr als einmal mit, dass eine solche monogame Beziehung zerbrach und sich die mir Gleichgesinnten danach 'überraschenderweise' in eine neue Beziehung mit der genau anderen Seite stürzten. Das hat mich um so mehr darin bestärkt, dass ich dass nicht will - dass ich mehr will. Und ich wusste immer, dass in mir genug Liebe für mehr als einen steckt.

Mit einem tiefempfundenen Seufzer denke ich an die drei Komponenten meiner Gleichung,  auf die sich all meine Hoffnungen in letzter Zeit gerichtet haben.

Alexander, er ist der einfachste in dieser Berechnung, denn er war nicht gewollt, nein, das stimmt wohl so nicht, nicht geplant trifft es eher. Ich muss eingestehen, dass ich es mir lange Zeit viel zu einfach gemacht habe. Um mehr als eine Person zu lieben muss auch mehr dahinter stecken, als der Wunsch nach einer Frau und einem Mann, sonst läuft man Gefahr, dass nur der eine der wirkliche Partner ist und der andere eher ein Sexbuddy den man sich sichert. Lange Gespräche mit Sam haben mir diesbezüglich die Augen geöffnet und das Wissen über CGL hat eine Seite in mir zum Schwingen gebracht, von der ich zwar wusste, dass sie da ist, aber nicht, was wirklich dahinter steckt, was sie bedeutet und wie wichtig sie für mich ist. Mehr noch, wie sehr ich mir einen Partner wünsche, bei dem ich sie ausleben kann.

Jemanden zu umsorgen, sein Vertrauen zu genießen, zu wissen was gut für ihn ist und zu erkennen, dass es ihm gefällt und nicht nervt, wenn ich mich kümmere und einmische macht mich unbeschreiblich glücklich. Zu wissen, dass er sich nicht bevormundet sondern erleichtert fühlt, ja sogar die kleinen Kämpfe, wenn er schmollt oder trotzt und die Versöhnung, die früher oder später mit Dankbarkeit und viel körperlicher Nähe erfolgt, geben mir das warme Gefühl gebraucht zu werden. Er ist daher in meinem Traum zu einem wichtigen Teil geworden, denn weder Seb noch Sam werden mich je auf diese Weise brauchen.

Im Moment jedoch ist er bei genau diesen beiden, weil seine Göttin ihn um Hilfe gerufen hat. Er saß auf meinem Schoß als er ihre Textnachricht bekam, weil wir uns gegenseitig getröstet haben als uns klar wurde, dass der Commander in dieser Nacht unsere Freundin erwählt hat und ja, wir beide waren uns einig, dass es der Commander war und nicht Sebastian, nicht Sebby und auch nicht Seb. "Wieso hat sie ihn zur Hilfe gerufen und nicht mich?" Ich spreche die Frage laut aus um sie aus dem Kopf zu bekommen doch es ist niemand mehr da, der sie beantworten könnte, denn ich sitze hier allein. 

Die Scharfschützin ✅Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt