48. Kommandant Winter (Berichte)

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Ich war noch niemals in meinem Leben so verunsichert wie gerade jetzt. Zum Glück habe ich einige Videokoms die mich von meinem persönlichen Drama ablenken.

Zuerst mit einem Kommandanten von Richt-End, um die Versetzung von Wolf zu terminieren und meine Einschätzung über ihn zu teilen. "Wolf ist zuverlässig und sehr geduldig." - "Sie meinen langsam?" Ich starre den Mann einfach nur so lange an bis er klein bei gibt. "Verstehe, Sie meinen ausdauernd und nicht aufbrausend." Ich nicke, geht doch. In Grund und Boden starren kann ich fast noch besser als brüllen. "Hier ist alles für ihn vorbereitet. Senden sie ihn einfach bei nächster Gelegenheit her." Genau das wollte ich hören. Das bedeutet ich muss kein extra Aufwand betreiben und keine Ressourcen für die Verlegung eines einzelnen Mannes verschwenden. "Ach und Wegener, wenn sie ihn nicht wollen, senden sie ihn wieder zurück zu mir. Hier wird immer ein Platz für ihn frei sein." Jetzt ist es an ihm zu nicken. Im Grunde war das mehr wert als die 15 Minuten vorher, in denen ich seine Stärken gelobt und auf seine Schwachstelle hingewiesen habe.

Als nächstes ist meine Meldung bei Oberst Bauer fällig, der seine helle Freude daran hat zu hören, dass ich Jakobi nicht nur aufgenommen sondern bereits mit meiner besten Eliteeinheit in den Einsatz geschickt habe.  "Sie werden es nicht bereuen, Winter." Ich hoffe er behält recht aber dass wird wohl nur die Zeit zeigen. "Immerhin ist sie kein bisschen fimschig und hat bewiesen, dass sie bei der Elite mithalten kann." Ich bin mir auch vor ihm nicht zu schade einzugestehen, dass sie sich als besser herausgestellt hat als jede Soldatin vor ihr, im Grunde sogar als einige Männer die in den 5 Jahren unter meinem Kommando kamen und gingen. "Ein kleiner Tipp am Rande. Was immer sie tun oder lassen, zweifeln sie niemals ihr Gedächtnis an, sie können nur verlieren." Ich werde hellhörig. "Sie kann sich besonders gut Dinge merken?" Er lacht, dann nickt er. "So könnte man sagen." Wir reden dann noch über andere personelle Veränderungen wie zum Beispiel über Poletti. "Bieten sie ihm an, bis zum nächsten Austausch als Lagerarbeiter zu schuften oder den Dienst zu quittieren. Wenn er nicht freiwillig geht werden wir ihn bei seiner Rückkehr wegen Arbeitsverweigerung und Insubordination vor Gericht bringen." Beim Abschied bittet er mich noch: "Sagen sie Jakobi ich stehe zu meinem Wort." Ich sehe ihn fragend an doch er hat die Verbindung bereits gekappt.

Mein letztes Gespräch ist mit General Fischer, der zufrieden mit dem Artikel über mich ist aber enttäuscht, dass sein Sohn nicht bei dem Gespräch dabei ist. "Sie wissen wie es läuft, Sir. Unsere Eliteeinheit ist im Einsatz und wir müssen rund um die Uhr erreichbar sein. Schichtdienst ist da einfach Pflicht." Er nickt. "Richten sie ihm aus, dass ich es verstehe." Er wirkt immer so knallhart und lässt sich von seinem Sohn auch mit Sir ansprechen wenn es um etwas offizielles geht. Aber er ist Vater genug um zu wissen, dass Mark ihn nicht gerne versetzt hat und mit Sicherheit ein schlechtes Gewissen deshalb hat. Ich wollte Mark nicht daran erinnern, dass der General heute auf dem Plan steht. Mir war es wichtiger, ihm die Zeit zu lassen die er braucht, bevor er sich wieder mit mir auseinandersetzt. Gott, wenn ich daran denke, wie oft ich ihn schon angeschrien oder ihm die Freundschaft gekündigt habe. Und ausgerechnet jetzt, wo ich sogar ausgesprochen lieb und zärtlich mit ihm umgegangen bin, also für meine Verhältnisse zumindest, habe ich Angst um unsere Freundschaft.

Mark taucht erst nach der Siesta in meinem Büro auf um die Abend- und Nachtschicht zu übernehmen. "Der erste Bericht der Elite ist da." Erkläre ich ihm und sehe, wie er nervös auf dem Stuhl hin und her rutscht. "Es gibt 2 Rücktransfers nach Richt-End von Block 3 und 4 Leichen zu bergen, alle mit dem Brandzeichen der TD's. Kein Schaden auf unserer Seite." Er atmet erleichtert auf, doch nicht mehr, als er es sonst getan hat. Ich bin überrascht. "Ich hätte mit mehr Emotionen gerechnet," kommentiere ich seine Reaktion und er blinzelt mich mit zusammengekniffenen Augen an.

Die Scharfschützin ✅Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt