Kapitel 8: Es ist irgendwie nicht mehr besonders

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Ich möchte dir kurz über meine Anfänge auf sozialen Medien berichten. Angefangen hat das Ganze mit einer Messenger-App, die nun jeder auf seinem Handy hat. Man hat die ersten Nachrichten ausgetauscht, war total euphorisiert und es war immer ein Highlight, wenn jemand sein Profilfoto verändert hat. Es folgten Nachrichten wie ,,Cooles Foto" und man freute sich wirklich über jedes einzelne Like oder einzelnen Kommentar. Das war einfach ein besonderes Gefühl. Es folgte die Funktion, Sprachnachrichten aufnehmen zu können und es war ein absolutes Geschenk die Stimme des anderen auf seinem Handy hören zu können. Man hat jede einzelne Sekunde dieser Memo genossen und sich gefreut, dass sich jemand die Zeit für einen genommen hat. Dann gab es erste Emojis, die unsere Nachrichten belebten. Herzen wurden nur für Menschen genutzt, denen man wirklich am Herzen lag. Ich bekam nur von meiner Familie welche, bis eine Freundin von mir anfing, mir Herzen in regelmäßigen Abständen zu schicken. Ich machte davon Screenshots, einfach, weil ich mich so sehr darüber freute und die kleinen Emojis interpretierte.

Selbst meine Freunde waren der Meinung, dass Herzemojis die nächste Stufe von etwas Magischem seien. Es vergingen ein paar Tage und es wurde klar, dass Emojis immer mehr verwendet wurden und somit auch das Mädchen Herzen an alle mögliche Menschen verschickte. Die Magie war weg. Nun viele Jahre später, gibt es keine Magie mehr. Man sieht Emojis überall, die Bedeutung dieser ist völlig verzerrt. Jeder nutzt sie anders. Sprachnachrichten gehören der Normalität an und was das Chatten angeht, ist man gefühlt nur noch genervt und fühlt sich wie ein kleiner Promi, der Fanbriefe bearbeiten muss. Wir konsumieren und konsumieren, sodass wir immer mehr die Magie verlieren. Für mich war das früher wirklich etwas Besonderes mit einem Menschen den ganzen Tag schreiben zu dürfen. Ich war richtig verliebt in diese Kommunikation. Heute habe ich durch diese vielen Momente der Enttäuschung, Angst, dass ich blockiert werde oder Ausschnitte aus unseren Chats weiterversendet werden. Ein krasse Entwicklung, wenn man bedenkt, dass die Nachrichten früher einen so hohen emotionalen Wert hatten. Ich finde, man hat sich früher ganz anders vertraut.

Ich glaube, wir Menschen waren wie in so vielen Punkten unseres Lebens einfach zu süchtig nach mehr. Wir wollten mehr Konversation, wir wollten immer mehr Kontakte, wir wollten mehr Funktionen und wir sehen nun, wozu das geführt hat. Reizüberflutung und fehlende Magie. Bist du zufrieden damit? Ich bin es nicht.

Aus diesen Gründen bewundere ich Menschen, die einfach mal auf soziale Medien verzichten können und Tage in Abwesenheit leben können, ohne, dass sie einen inneren, mentalen Zusammenbruch bekommen. Ich glaube, dass Auszeiten jedem von uns guttun würden, einfach, weil wir die Kommunikation mehr wertschätzen würden und auf ,,unnötige" Nachrichten verzichten würden. Ist für dich die Kommunikation auf sozialen Medien noch besonders? Für mich ist sie so normal, wie das Ein-und Ausatmen geworden. Teilweise ist es sogar so, dass ich direkt nach dem Aufwachen meine Nachrichten durchgucke und im Halbschlaf antworte. Krass, was wir uns so zumuten, oder?

Ich bin ehrlich und weiß nicht, welche Lehren ich dir aus diesem Text mitgeben möchte. Vielleicht ist es diese, Kommunikation über soziale Medien dosierter zu verwenden und Kontakte nicht zu sammeln. Je mehr Menschen du in deinem Leben antworten ,,musst", desto schlechter wird die Qualität dieser Konversation, einfach, weil du keine Zeit dafür hast, ordentlich zu antworten, da ja noch viele andere Menschen in der Warteschlange auf deine Antwort warten.

Ehrlich gesagt, glaube ich auch, dass wir auf manche Kontakte unseres Handys verzichten könnten. Vielleicht macht es ein krasser Grundsatz leichter: Vermeide Konversationen mit Menschen, die später nicht einmal zu deiner Beerdigung kommen würden, sondern verbringe mehr Zeit mit Menschen, die erscheinen würden.

Ein trauriger Gedanke, der mir offenbart, dass viele meiner Schreibkontakte nur aus Langeweile bestehen und keine Tiefe aufzeigen. Ich meine jeder Kontakt kann ja zu einem wichtigen Menschen werden aber wenn wir schon spüren, dass uns da irgendwas in der Konversation fehlt, sei es zum Beispiel die Tiefe des Gesprächs, dann müssen wir uns doch nicht dazu zwingen diese noch aufrecht zu erhalten. Wir haben so wenig Lebenszeit. Warum vergeuden wir sie mit solchen Dingen?

Ist das noch Kommunikation?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt