Samstag, 11.07.2020
Völlig am Ende mit meinen Nerven werfe ich mich erschöpft auf die Couch, um durchzuatmen. Dann reiße ich mir unsanft die Gummihandschuhe von den verschwitzten Händen und sehe mich im unordentlichen Wohnzimmer der O'Connors um. Ich kann nicht glauben, dass die Wohnung innerhalb einer Woche so verdreckt ist. Ich wohne in einer Vierer- WG und nie hat es bei uns so schlimm ausgesehen.
Rose: Matt hatte recht.
Rose: Männer sind Schweine.
Achtlos werfe ich das Handy neben mir auf das Kissen und fahre mir entnervt mit der Hand über das Gesicht. Meine großen angeschwollenen Augenringe fühlen sich an, wie eine zweite Haut.
„Wer ruht sich denn da aus?" Nicolas' klare Stimme reißt mich aus meinem Halbschlaf. „Feierabend?", flötet er, als er sich neben mich setzt und seine schwarze Lederjacke lässig abstreift.
„Nein, tut mir leid", murmele ich. „Ich muss noch das Bad machen." Ich will aufstehen und mich wieder an die Arbeit machen, als er mich plötzlich am Handgelenk greift und zurück auf die Couch zieht.
„Entspann dich mal", lacht Nicolas mich fürsorglich an. Mein Blick fällt auf seine braunen Locken, die bei jeder Bewegung hin und her wippen. „Du wirst schließlich für deine Stunden bezahlt."
„Also kann ich fünf Stunden lang nichts tun und bekomme trotzdem Geld?", frage ich zur Hälfte scherzend und zur Hälfte hoffnungsvoll.
Er schüttelt grinsend den Kopf. „So einfach ist es dann doch nicht. Aber du kannst auch nicht arbeiten, wenn du uns hier umfällst." Seine Stirn legt sich in Falten, als er besorgt mein Gesicht mustert. „Ich verstehe immer noch nicht, warum du einen zweiten Job hast, wenn du nach deinem ersten so–" demonstrativ gestikuliert er in mein Gesicht „– aussiehst."
Ich seufze. „Ich habe es schon hundertmal erklärt. Ich will–"
Nicolas schneidet mir mit einer abwerfenden Bewegung das Wort ab. „Ja, ja, ja. Ordnungsfetisch und so. Ist mir klar. Ich kann es trotzdem nicht nachvollziehen. Andere in deinem Alter suchen sich einen Partner, gehen auf Partys, haben wilden Sex und du..." Er mustert mich abschätzig, als stünde das richtige Wort in meinem Gesicht geschrieben. „Du suchst dir ein Klo zum Putzen."
„Hey, dein Zimmer sieht schlimmer aus als das Klo."
„Ich verbringe viel Zeit dort." Mit einem Zwinkern steht er auf und zieht sich im Gehen das T-Shirt über den Kopf. „Ich gehe schnell duschen, bevor du das Bad sauber machst. Ruh' dich bis dahin etwas aus." Mit diesen Worten verschwindet er hinter der Tür auf den Flur.
Obwohl ich froh über die kurze Verschnaufpause bin, hoffe ich trotzdem, dass er schnell fertig wird. Ich will nicht länger als nötig in dieser versifften Wohnung bleiben und sehne mich schon nach einer Runde erholsamen Schlaf in meinem gemütlichen Bett. Die Überstunden diese Woche haben mich völlig ausgelaugt. Dazu noch die nächtlichen Fitnessstudiobesuche, die ich machen muss, um meinen angestauten Frust herauszulassen. Davon habe ich nämlich eine ganze Menge, seit Patrick darauf beharrt, dass ich ihn bei seinem neuen Spitznamen anspreche – Riesengroßes Arschloch. Dabei macht er seinem Namen alle Ehre, indem er mich ständig herumkommandiert, hin und her scheucht und Dinge für ihn erledigen lässt, die nicht zu meinen eigentlichen Aufgaben gehören. Im Endeffekt tue ich trotzdem alles, was er sagt, weil ich es mir nicht leisten kann, diesen Job zu verlieren. Und jeden Tag nur zu putzen, um mich über Wasser zu halten, ist auch kein attraktiver Gedanke.
Ich schaue auf mein Handy und ein wehmütiges und trauriges Lächeln schleicht sich auf meine Lippen. Elf Jahre und ich benutze immer noch dasselbe. Jenes, das Blue Rose mir damals zugeschickt hatte. Zugegebenermaßen: Es ist völlig veraltet, hängt sich ständig auf und sieht einfach nicht mehr schön aus. Aber ich habe das Gefühl, dass meine einzige Verbindung zu ihm abbricht, wenn ich es wechsle. Ich kann ihm jederzeit mit jedem anderen Handy schreiben, dennoch verbinde ich so viele Erinnerungen und Emotionen mit diesem einen Besonderen, dass ich es nicht über das Herz bringe, es umzutauschen.
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Blue Rose - Band 1
RomanceRose ist Zwölf, als sie den ersten Brief von dem mysteriösen Blue Rose bekommt. Sie weiß nicht, wer hinter diesem Pseudonym steckt, der behauptet, ihre tote Mutter gekannt zu haben. Aber mit der Zeit lernt sie ihm zu vertrauen. Jahrelang halten sie...