08 - Verhütung & Jungfräulichkeit

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Freitag, 14.03.1997

„Rose", stöhne ich erschöpft von der langen Nacht und wiege meine Tochter im Arm hin und her. „Jetzt schlaf doch bitte endlich. Mama ist auch müde." Doch das Baby in meinen Händen weint lautstark weiter. Ich habe schon alles versucht. Windeln gewechselt, gefüttert, vorgesungen und den Bauch gestreichelt. Aber sie will einfach keine Ruhe geben.

Ich zucke fürchterlich zusammen, als die Tür zu Rose' Kinderzimmer aufgerissen wird. Mein Mann steht völlig außer Atem im Türrahmen und sieht aus, als hätte er ein Gespenst gesehen. Seine Haare sind zerzaust und sein Pullover ausgeleiert. „Wer hat dich denn gejagt?", frage ich scherzhaft über die Schreie meiner Tochter hinweg.

„Ryder", keucht er. „Er ist weg."

Samstag, 18.07.2020

Es ist schon Abend und ich will gerade ins Fitnessstudio aufbrechen, als es plötzlich an der Haustür klingelt. Fragend sehe ich zu meinen Freunden, die auf der Couch lungern und sich eine Zahnpastawerbung ansehen. „Habt ihr etwas bestellt?", frage ich in die Runde, doch sie schütteln nur stirnrunzelnd den Kopf.

Neugierig haste ich zur Haustür und öffne sie schwungvoll, doch dort steht niemand. Wer auch immer es gewesen ist, hat aber ein Päckchen auf die Fußmatte gestellt. Als ich die ordentliche, geschwungene Schrift sehe, mit der mein Name geschrieben wurde, schleicht sich ein Grinsen auf meine Lippen.

„Wer ist es?", ruft Chris aus dem Wohnzimmer, als ich mit dem Päckchen im Arm die Tür wieder schließe.

„Post für mich", gebe ich zurück und sprinte aufgeregt in mein Zimmer. „Das Übliche", ergänze ich noch im Gehen und höre meine Freunde lachen. Sie alle wissen von Blue Rose und dass er mir oft Pakete schickt. Doch nie haben sie den genauen Inhalt gesehen, weil ich möchte, dass es etwas Besonderes bleibt. Ich habe das Gefühl, dass nachdem ich meine Mama verloren habe, Blue Rose der Einzige ist, der mich noch mit ihr verbindet. Nicht nur, weil er mir Briefe und Geschenke von ihr an mich zukommen lässt, sondern weil sie mich ihm überhaupt erst anvertraut hat. Ich will, dass unsere Beziehung zueinander, so kompliziert sie auch sein mag, eine Art Geheimnis bleibt. Irgendeinen Sinn muss die strenge Anonymität schließlich haben.

Vor Neugier platzend, werfe ich mich auf mein Bett und reiße das schlecht beklebte Paket auf. Mir ist es schleierhaft, wie jemand mit so einer schönen Handschrift, in anderen Bereichen seine Feinmotorik nicht genauso einsetzen kann. Zuallererst springt mir, wie sonst auch, eine Rose ins Auge. In jedem der Päckchen von Blue Rose befindet sich immer eine Rose, die zum jeweiligen Anlass passt. Wenn es keinen speziellen Anlass gibt, legt er eine blaue Rose bei, die seine mysteriöse Art symbolisieren soll. Diesmal ist es eine wunderbar duftende Rose in einem hellen Rosaton. Diese lege ich zur Seite und öffne einen gefalteten Zettel, mit der Aufschrift „Öffne mich zuerst!".

„Hey Rosie.

Ich weiß nicht, wieso ich ausgerechnet jetzt auf die Idee komme, dass dieser Brief angemessen sein könnte. Ich meine, du bist dreiundzwanzig - eine erwachsene Frau. Eigentlich hätte dieses Paket dich schon vor Jahren erreichen sollen (glaube ich).

Ich habe lange nachgedacht und verfasse diesen Brief auch nicht zum ersten Mal, weil ich nicht weiß, wie ich dir das sagen soll, ohne es unangenehm zu machen. Ich weiß nicht einmal, ob es nicht doch zu früh ist. Deswegen habe ich mich entschieden, einfach gar nichts zu sagen. Du wirst das Thema vermutlich nie anschneiden, aber ich möchte es endlich hinter mich bringen.

Du wirst wissen, worum es geht, wenn du den Brief deiner Mutter öffnest.

Aber bevor du das tust, will ich dir noch kurz erklären, was rosa Rosen symbolisieren.

Blue Rose - Band 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt