Samstag, 01.08.2020
Jordan O'Connor, der Jordan O'Connor, hat mich getröstet. Hätte mir jemand vor einer Woche gesagt, dass mein Boss mich in den Arm nehmen und mir beistehen würde, hätte ich es für einen schlechten Witz gehalten. Doch es ist tatsächlich Wirklichkeit. Leider reagiert mein Körper für meinen Geschmack viel zu positiv darauf. Mein Herz rappelt und rumpelt wie ein verrückt gewordenes Tier. Ich denke an seine Hände, die meinen Körper gehalten haben. An seine harte Brust, an die ich mich gelehnt habe und an seinen warmen Atem, der meinen Nacken gekitzelt hat. Durch die Erinnerung stellen sich meine Haare wieder auf. Verdammt, wann hat mein Körper verlernt, neutral auf ihn zu reagieren?
„Dafür, dass du fast niedergestochen wurdest, siehst du ziemlich heiter aus." Erst als Nicolas mich darauf hinweist, merke ich, dass ich lächele. Man sollte meinen, dass jemand, der so etwas erlebt hat, nur schwer einen Grund zum Lachen findet.
Beschämt schüttle ich den Kopf und versuche das Heben meiner Mundwinkel zu unterdrücken. „Ich lebe. Das ist doch die Hauptsache."
Nicolas grummelt. „Erstens das und zweitens, dass wir diesen Bastard finden."
„Ich habe nicht so viel Hoffnung", gebe ich leise zurück und lehne mich an die Fensterscheibe seines Autos. Nachdem Jordan und ich uns voneinander gelöst und in unangenehmes Schweigen gefallen sind, hat er mir angeboten, mich nach Hause zu fahren, damit er direkt an dem Fall arbeiten kann. Doch Matt und die anderen werden bis morgen Abend bei unseren Eltern sein und ich habe Angst, in die leere Wohnung zurückzukehren und allein zu sein. Daher hat Jordan seinen Bruder gebeten, mich abzuholen und zu Amber zu fahren. Seltsamerweise besteht dieser aber darauf, dass ich bei ihnen schlafe. Amber wird später auch vorbeikommen und übernachten, damit ich mich nicht ganz so unwohl fühle. Ich weiß nicht so recht, was ich von diesem Vorschlag halten soll. Aber dass ich nicht allein sein werde, beruhigt meine Nerven.
„Du unterschätzt meinen Bruder." Der Ausdruck in seinem Gesicht zeigt, dass er mächtig stolz auf Jordan sein muss. Die Liebe, die die Beiden zueinander haben, rührt mich gerade deshalb so sehr, weil sie nicht oft zu spüren ist. Die meiste Zeit vermitteln sie eher den Eindruck, als seien sie nur gute Freunde. „Er findet den Typen in null Komma nichts. Mach dir da mal keinen Kopf."
„Ich konnte keine genauen Angaben zu ihm machen. Wie will Jordan ein Phantom finden?"
„Er hat schon geheimnisvollere Fälle gelöst." Das gibt mir Hoffnung, bereitet mir allerdings auch Sorgen. Angenommen der Täter wird gefasst. Was dann? Was mache ich, wenn ich ihm gegenüberstehe? Beleidige ich ihn? Haue ich ihm eine rein? Oder heule ich aufgrund des Traumas, wie ein kleines Kind? Und was, wenn er nicht gefasst wird? Was, wenn meine Angaben nicht genug sind, um ihn zu finden? Wird er mich wieder angreifen? Mich diesmal umbringen? Es kommt eine Frage nach der anderen auf, doch nicht eine einzige Antwort ist in Sicht. „Denk nicht so viel darüber nach, Rose." Nicolas legt mir tröstend die Hand auf die Schulter, sein Blick fest auf der Straße. „Solange du nicht alleine rausgehst, sollte dir nichts passieren. Nimm ein Taxi, wenn es mal spät wird und vermeide dunkle Gassen."
Das sind die Ratschläge, die jede Frau bekommt, um sie davor zu bewahren, in die Hände eines Vergewaltigers zu fallen. Aber warum bekomme ich jetzt einen Grund mehr Angst zu haben? Bis jetzt ist nie jemand aufdringlich geworden, weswegen ich mit einem guten Gefühl in die Öffentlichkeit gegangen bin. Doch jetzt muss ich mich nicht nur vor Sexualstraftätern in Acht nehmen, sondern auch um mein Leben fürchten? Das ist nicht fair.
*
„Wow, ich dachte, die Sache mit Tyler war krass. Aber das... Ich bin sprachlos, Rose. Es tut mir leid, dass du das durchmachen musstest. Hätte ich dich nur nicht alleine losgehen lassen, wäre das nicht passiert." Amber sieht mich durch schuldbewusste Augen an, als ich ihr eine kurze Version von dem wiedergebe, was in der letzten Nacht geschehen ist.
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Blue Rose - Band 1
RomanceRose ist Zwölf, als sie den ersten Brief von dem mysteriösen Blue Rose bekommt. Sie weiß nicht, wer hinter diesem Pseudonym steckt, der behauptet, ihre tote Mutter gekannt zu haben. Aber mit der Zeit lernt sie ihm zu vertrauen. Jahrelang halten sie...