17 - Kletten

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Sonntag, 02.08.2020

Alte Angewohnheiten legt man bekanntlich nur schwer wieder ab, daher habe ich dem Drang, ein Frühstück vorzubereiten, nicht widerstehen können. Ich habe früh am Morgen den kleinen Tisch vor der Couch gewischt und Eier sowie Speck auf vier Teller verteilt. Dazu lege ich Brot, das wahrscheinlich demnächst schimmeln wird und stelle eine Kanne Kaffee, Kakao und heißes Wasser für die Teetrinker dazu. Abgesehen von Jordans Vorliebe für Kaffee mit viel Milch, kenne ich die Trinkgewohnheiten der Anderen nicht. Daher habe ich von allem etwas. Saft und Wasser aus Flaschen haben die beiden Männer leider nicht mehr da.

Noch immer habe ich die Klamotten von Jordan an. Zum einen, weil sie gemütlich sind, zum anderen, weil sein Geruch an ihnen haftet. Nach letzter Nacht kann ich sagen, dass ich süchtig danach bin. Als er mir in der Küche so nah gekommen und mir über die Wange gestrichen hat, hat er mir völlig den Atem geraubt. Als hätte er meine Lungen fest in den Händen. Alles, was ich in diesem Moment habe wahrnehmen können, sind sein Geruch und seine Finger gewesen, die mit zarten Berührungen über meine schmerzende Wange gefahren sind. Auch erinnere ich mich an eine quengelnde leise Stimme in meinem Hinterkopf, die mich angeschrien hat, ihn an mich zu ziehen. Stattdessen habe ich ihn verunsichert. Denn ich glaube ganz fest daran, dass er mich beinahe geküsst hätte.

Die Erinnerungen schiebe ich zur Seite, als sich mein Magen zusammenzieht. Ein paar Mal atme ich ein und aus, ehe ich an Nicolas' Tür klopfe.

„Ja", höre ich Ambers gedämpfte Stimme murmeln.

„Ich habe Frühstück gemacht", sage ich dicht an der Tür, ohne sie zu öffnen. „Kommt, wenn ihr bereit seid." Ein müdes Stöhnen ertönt, das ich Nicolas zuordne. Lächelnd schüttele ich den Kopf und stelle mich unsicher vor Jordans Tür. Soll ich ihn wecken? Ich habe Essen für alle gemacht und wenn ich ihn nicht wecke, wird es sicher kalt. Aber er hat meinetwegen schon so wenig Schlaf bekommen.

Bevor ich es mir länger überlegen kann, wird die Tür vor mir einen Spalt breit geöffnet und ein müder Jordan sieht mich durch seine strengen Augen an.

„Guten Morgen", begrüße ich ihn leise und winde mich leicht unter seinem Blick, der meinen ganzen Körper schamlos auf und ab fährt. Beschweren will ich mich nicht, denn irgendwie gefällt es mir. Ein dunkler Schimmer scheint in seine Augen zu treten, als er mich eine Weile betrachtet und etwas sagt mir, dass es nichts Negatives bedeutet. „Ich habe Frühstück gemacht", informiere ich ihn besonnen.

„Mach mir Kaffee." Seine Stimme ist tiefer und kratziger als sonst, als er spricht. Dennoch entgeht mir der befehlende Unterton nicht.

„Habe ich", gebe ich zurück ohne den Blick von seinem zu lösen. Vielleicht bilde ich es mir nur ein, aber ich habe das Gefühl, dass sich etwas zwischen uns verändert hat. Auf eine gute Art. Mit seiner kalten und abweisenden Art kann er das nicht mehr überspielen. Um ehrlich zu sein, wirkt sie nicht einmal mehr echt, sondern aufgesetzt. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass er auch nett und fürsorglich sein kann. Er hat also einen weichen Kern in sich, aber aus irgendeinem Grund versteckt er ihn hinter einer Fassade. Die Frage ist nur Warum?

„Dann fang schonmal an", murmelt Jordan grimmig und macht eine scheuchende Handbewegung. Ich will seine unverschämte Art kommentieren, überlege es mir aber doch anders und drehe mich weg. Im selben Moment tritt er aus seiner Zimmertür und schließt sie mit seinem Schlüssel ab.

*

Die Stimmung während des Frühstücks ist betrübt. Nicolas redet am meisten von uns allen, indem er seinen Bruder vollquatscht. Dieser scheint nur mit einem Ohr zuzuhören und stopft sein Essen in Rekordzeit herunter. Amber hingegen ist ein Morgenmuffel und redet kaum ein Wort. Nur hin und wieder wirft sie mir vielsagende Blicke zu und deutet auf Jordan. Ich versuche es zu ignorieren, mein hämmerndes Herz hat allerdings andere Pläne.

Blue Rose - Band 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt