Dienstag, 21.07.2020
„Ich bin so glücklich", schwärmt Pamela zum zigsten Mal an diesem Morgen und hüpft auf meinem Bett auf und ab.
„Ich bin auch froh, das Knarren eures Bettes wieder regelmäßig zu hören", gebe ich sarkastisch zurück und unterdrücke ein Stöhnen. Ich habe meine beste Freundin sehr gern, aber nach meinem gestrigen Alkoholkonsum bereitet mir ihre hohe Stimme schlimme Kopfschmerzen. Offensichtlich hat sie sich gestern dazu entschlossen, Chris zu verzeihen und ihn wieder in ihrem gemeinsamen Bett schlafen zu lassen. All die Geschenke und Blumen von ihm haben sich wohl bezahlt gemacht.
Sie übergeht meine Bemerkung mit einem dicken Grinsen. „Wie konnte ich je an ihm zweifeln?"
„Ich sage es zwar nicht gern, aber du hattest jeden Grund seine Treue infrage zu stellen. Der Typ schreibt tagein, tagaus mit seiner Kollegin. Etwas ist da faul, ich spüre es."
„Du schreibst doch auch jeden Tag seit Jahren mit deinem anonymen Verehrer. Trotzdem behauptest du immer wieder, dass da sonst nichts läuft."
Ich schnaube und stecke die obere Schicht meiner kurzen Haare in einen Zopf. „Das tut es auch nicht. Ich weiß nicht einmal, wer er ist. Er könnte ein Mann in seinen Siebzigern sein. Und ich date niemanden in dieser Altersklasse, tut mir leid."
Pamela lacht auf. „Du datest überhaupt niemanden."
Schon wieder dieses Thema. „So schnell wird sich das wohl auch nicht ändern."
„Ich verstehe nur nicht warum." Diesen Satz muss ich mir mindestens einmal im Monat von ihr anhören. Genauso wie den Rest der folgenden Predigt. „Du hast einen guten Job, Köpfchen, gutes Aussehen und sogar einen Charakter aus Gold und Diamanten."
„Aussehen und Charakter sind Ansichtssache", unterbreche ich sie, bevor sie weiter plappern kann. „Übers Köpfchen kann man streiten. Außerdem ist ein vermeintlich guter Job keine Eintrittskarte in die Herzen der Singlemänner."
Meine Freundin spricht weiter, als hätte sie nichts von dem gehört, was ich ihr gesagt habe. „Dann liegt es wohl oder übel an deinen Ansprüchen, denn genug Verehrer hast du."
Ungläubig lache ich auf. „Nenn mir einen." Während sie überlegt, streiche ich meinen beigen Bleistiftrock glatt und ziehe den gleichfarbigen Blazer so über meine weiße Bluse, dass der Zahnpastafleck von heute Morgen nicht mehr zu sehen ist.
„Ich nenne dir drei." Selbstsicher verschränkt Pamela die Arme vor der Brust und hebt das Kinn. „Weißt du noch Sebastian? Der süße Nachbar von vor drei Jahren?"
„Er war ein Muttersöhnchen", verteidige ich meine noch immer präsente Abneigung gegen ihn. „Was vermutlich daran lag, dass er fünfzehn war. Ganze fünf Jahre jünger als ich."
„Trotzdem ein Verehrer." Sie zuckt die Schultern. „Dann wäre da noch Tobias, der Austauschschüler in unserem letzten Jahr an der Schule."
„Er hat mir offen ins Gesicht gesagt, dass er nur eine Nacht mit mir verbringen möchte." Bei der Erinnerung muss ich mich schütteln. „Das war vermutlich auch sein einziges Ziel bei diesem Austauschjahr – mit so vielen Mädchen wie möglich schlafen. Denn im Endeffekt hätte keines seiner Opfer ihn um die halbe Welt gejagt, wenn er wieder abgehauen wäre." Ich erinnere mich gerne an meine Schulzeit zurück. In der ersten Klasse habe ich Pam kennengelernt und wir sind seither unzertrennlich. Daran haben unsere Karrierepläne auch nichts geändert. Während ich bei Patrick arbeite und unzählige Minijobs gemacht habe, hat sie ihr drittes Studium aufgenommen. Zunächst hat sie ihre Liebe für Biologie aufgegeben, dann ihr Interesse an Wirtschaftsstudiengängen. Nun hat sie vor, ihr Hobby zum Beruf zu machen und studiert Grafikdesign, wenn auch nicht gewissenhaft.
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Blue Rose - Band 1
RomanceRose ist Zwölf, als sie den ersten Brief von dem mysteriösen Blue Rose bekommt. Sie weiß nicht, wer hinter diesem Pseudonym steckt, der behauptet, ihre tote Mutter gekannt zu haben. Aber mit der Zeit lernt sie ihm zu vertrauen. Jahrelang halten sie...