✦6. Bekennung✦

1.1K 44 0
                                    

Du hattest nur Marco, Whitebeard und dem Mann, der dir das Leid zufügen würde erlaubt anwesend zu sein. Ihr hattet euch in einen Raum im Schiff zurück gezogen und du saßt falsch herum auf einem Stuhl, deine Haare über deine Schulter gelegt und das Brandmal dem Tätowierer zugewandt. Whitebeard saß in deiner Blickrichtung, etwas weiter weg und Marco direkt neben dir. Du zittertest vor Angst, warst panisch vor dem Schmerz den du gleich empfinden würdest und konntest nicht ruhig atmen. Dein Blick drehte Runden in dem Raum, konntest deine Augen nicht still halten. Du konntest nichts anvisieren und du wolltest einfach nur, dass es vorbei war. Zwar wolltest du dieses Mal loswerden, aber die Schmerzen machten dir unglaubliche Angst. Du versuchtest dir selber Mut zu machen, dir einzureden dass es nicht so schlimm sein würde und nur noch dieses eine Mal, bevor alles vorbei war. Innerlich betetest du dafür, dass du nur überreagiertest, aber dein Körper wollte einfach nicht aufhören zu zittern, zu schwitzen und konnte vor Angst nicht still sitzen. Deine Hände waren nass vor Schweiß und dein Atem fühlte sich wie Blei an. Du konntest ja nichtmal die Geräusche hinter dir wahrnehmen, die der Pirat der dich tätowierte verusachte, da er die Gerätschaften bereit machte. Sekunden kamen dir wie Stunden vor und das Rauschen deines Pulses in deinem Ohr übertönte sogar Marcos Stimme. Er sprach dir zu und versuchte dich irgendwie zu beruhigen, doch auch das half nicht so richtig. Das Trauma das du erlitten hattest, war einfach zu heftig. Wie auch solltest du das jemals überkommen. Du bissest dir auf die Lippe um nicht jede Sekunde loszuschreien, denn man hatte dir als Sklavin immer verboten zu schreien oder zu weinen. Also hieltest du das auch hier zurück. Als dich die kalte, in einen Latexhandschuh gewickelte Hand an deinem Rücken berührte, gabst du sofort einen leisen Quietscher von dir und dein ganzer Körper zuckte zusammen. Dich überkam eine ekelhafte Gänsehaut und der Tattoowierer versuchte dich irgendwie zu besänftigen.
„Du musst jetzt bitte so still halten wie du kannst. Ich bin so schnell wie ich kann, ich fange jetzt an."
Dein Herz setzte für einen Moment aus, zumindest hattest du das Gefühl und dann raste es weiter, in einer Geschwindigkeit die für dich sicher nicht gesund war. Die kalten Latex Hände berührten dich erneut, stützten sich auf deinem Rücken ab und du spanntest deinen Körper an, hielst die Luft an und kniffst die Augen so feste zu, wie du nur konntest. Du konntest das Rattern der Maschine hören, die Nadeln die in einem Tempo hin und her rasten, das für dich nicht ausmachbar war.
Und dann setzte er an. Er legte die Tattoomaschine auf deinen Rücken und ließ die von Tinte getränkten Nadeln in deinen Rücken stechen. Ein Schwall von unfassbarem Schmerz und Erinnerungen in deinem Kopf überkamen dich und du bissest dir so feste auf die Unterlippe, dass sie zu bluten begann. Mit aller Kraft versuchtest du nicht vor Schmerz zu schreien, deinen Körper nicht zu bewegen und Besagten unter Kontrolle zu bringen. Deine Hände suchten verzweifelt nach etwas an das sie sich krallen konnten, du brauchtest ein Ventil um deinen Schmerz ertragen zu können, damit du das hier überlebtest. Erst fanden deine Hände Platz an den Ecken des Stuhles, doch dort bekamst du keinen richtigen Halt. Als nächstes Ziel suchten sie sich das Tuch, das von Marco, dass er dir geschenkt hatte. Verzweifelt gruben sich deine Hände tief in den Stoff, zerknitterten ihn und drückten so feste an ihm, dass du das Gefühl hattest deine kurzen Fingernägel bohrten sich durch den Stoff. Das Tuch, der Stoff, dein wertvolles Geschenk war das einzige bei dem du dich etwas beruhigter fühltest. Es war von Marco und das konntest du spüren, du hattest es zwischen deinen Fingern und es linderte deinen Schmerz ein wenig. Trotzdem quälten dich die Nadeln in deinem Rücken so sehr an der Stelle an der du schon vor Jahren diesen schrecklichen Schmerz gespürt hattest und der dich zu dem gemacht hatte, was du warst. Kaputt. Zerbrochen. Auch wenn du wusstest, dass das hier zu deinem Besten war, war es so unterträglich für dich, für deine Seele. Du durchlebtest in deinem Kopf all die schrecklichen Momente als du 5 warst, den stechenden Schmerz von dem heißen Metall auf deinem Rücken, die Ohnmacht, das Blut, die Tränen.
Als du für einen Moment deine Augen aufmachtest und dein Blick auf den, in dieser Richtung sitzenden Whitebeard richtetest, konnte man dein Leid in deinen Augen erkennen. Die Augen die so rot davon waren deine Tränen im Zaun zu halten, die Augen die nichts erkennen konnten und die keinen einzigen Schimmer in ihnen trugen. Marco blickte in deine trostlosen, leidenden Augen und das brach ihm das Herz. Er war ein Pirat, er hatte keine Ahnung was du alles durchgemacht hattest. Er kannte den riesigen Schmerz in deiner Brust nicht, er wusste nicht was es bedeutete eine Seele zu haben, die in abertausende Stücke zerschmettert war und die sich erst jetzt langsam aber sicher wieder zu einem großen Teil deines Inneren zusammen setzen durfte. Und doch konnte er all das in deinen Augen erkennen. Alles. Nichts blieb ihm erspart. Er hatte zuvor schon bemerkt wie verzweifelt du dich in sein Tuch klammertest, es festhielst als würde dein Leben davon abhängen, was es vermutlich auch für dich tat. Er wollte dir helfen, alles ein bisschen leichter für dich machen, doch konnten dir seine Heilkräfte gerade nicht helfen. Das Trauma in dir würde er nicht heilen können. Niemals. Und doch musste er irgendwas tun. Er konnte es nicht ertragen dich so leiden zu sehen, den Schmerz in deinem Herzen spüren zu können. Überzeugt nahm er seinen Stuhl, setzte sich direkt vor dich und schaute dich erstmal nur an.
„(Name)", sprach er. Aber du hörtest ihn nicht. Alles andere ging gerade in dir vor, du konntest seine Stimme nicht vernehmen.
„(Name)", probierte er es erneut. Wieder keine Reaktion, außer das leidende Gesicht von dir. Als er dich ein drittes Mal angesprochen hatte und du immernoch nicht reagiert hattest, nahm er seine Hände und legte sie auf deine Wangen. Er hielt deinen Kopf fest, drehte ihn direkt vor seinen und schaute dich intensiv an.
Für eine Sekunde lenkte dich das ab und du machtest deine Augen ganz auf, schautest ihn an, mustertest seine Iris, doch du konntest den Ausdruck in seinen Augen nicht identifizieren.
„(Name).. (Name), du darfst weinen. Du darfst schreien. Du musst dich nicht zurückhalten, schrei so laut du nur kannst. Weine so viel wie du willst, bitte."
Seine Worte klangen fast wie eine Bitte, einen Aufruf dazu dein Leid rauszulassen, deine aufgestauten Gefühle wie eine Welle über dich und die anderen hereinbrechen zu lassen und sie in die Außenwelt zu verbannen. Du hattest den besorgten Blondhaarigen klar und deutlich verstanden und als sich dein Mund öffnete und ein so lauter und von unglaublichem Schmerz gezierten Schrei ertönte, erzitterte die Moby Dick für eine Sekunde. Du schriest dir die Seele aus dem Leib, wedeltest mit deinem Kopf hin und her, den Marco aber um keinen Umstand losließ. Er hielt dich fest, war für dich da und akzeptierte die dicken Krokodilstränen die über seine Hände strömten. Als dir der Atem für deinen Schrei fehlte, holtest du panisch Luft und holtest direkt zum nächsten vom Leid befleckten Schrei aus. Marcos Ohren mussten abfallen, so nah wie er bei dir saß, aber er ertrug es ohne etwas zu sagen. Wellen, nein Fluten, gar Tsunamis überkamen dich, so stark waren deine Gefühle, dein Trauma und deine Vergangenheit. Jeder einzige Schlag, Tritt, Beleidigung oder Erniedrigung, die du über die Jahre erleiden musstest, steckte in deinen Schreien. Wie oft hattest du dir gewünscht alles heraus zu lassen, und jetzt war der Zeitpunkt gekommen. Du zeigtest auch nicht den leisesten Anschein von Zurückhaltung, du gabst alles. Deine Augen flimmerten, wimmerten, rollten sich nach hinten und blinzelten als gäbe es keine Zukunft für dich. Dein Körper sträubte sich, erlöste sich von allem und der Schmerz auf deinem Rücken machte alles noch so viel intensiver für dich. Wie du noch still sitzen konntest, wie der Mann dein Tattoo noch fortführen konnte war dir ein Rätsel, aber das hattest du vermutlich dem Mann zu verdanken der direkt vor dir saß. Er hielt dein Gesicht so wunderschön fest, seine weichen Hände lagen auf deinen Wangen, wurden überströmt von Tränen und erschütterteten von Schreien, trotzdem dachte er nicht daran dich los zu lassen. Im Gegenteil fixierte er deinen Kopf, hielt ihn fest, damit der Mann hinter dir nicht verwackelte. Marco ließ seinen Blick nicht von dir, schaute dich still an und spendete dir seinen Trost durch seine Anwesenheit. Es tat ihm weh, dass er dich so sehen musste, dass du durch all das ganz alleine gehen musstest und du erst jetzt gerettet wurdest. Auf der anderen Seite war er froh, dass ihr dich mitgenommen hattet und du dich jetzt in Sicherheit wiegen konntest. Auch wenn du diesen Schmerz ertragen musstest und es besser für dich war, das konnte auch nicht das Leid wettmachen das du empfandest. Der Kommandant der ersten Division schloss seine Augen, beugte deinen Kopf etwas in Richtung Boden und tat dasselbe mit seinem Kopf, lehnte sich vor und legte seine große Stirn auf deine. Du konntest kleine blaue Flammen zwischen deiner und seiner Stirn spüren und er versuchte dir irgendwie ein bisschen Kraft zu übermitteln, das hier alles zu überstehen.
Wie aus dem Nichts wurde dein Kopf still.
Alle die Erinnerungen stoppten damit, dich zu überfluten und in dein zerbrochenes Selbst zu ziehen. Du hattest das Gefühl, dass dies das Werk des Phönix war, das seine Stirn deine Gedanken stoppten und nur dein Herz und deine Seele übrig blieben, als ein zerstörtes Chaos. Automatisch wurden deine Schreie leiser, deine Schluchzer lauter und deine Hände, dessen Knöchel schon weiß vom Klammern waren, etwas Lockerer. Deine Unterlippe zitterte und du sehntest dich nach mehr Berührungen von Marco. Du schmiegtest deine Stirn mehr an seine, drücktest mehr dagegen, verlangest nach seiner Haut. Es tat gut, lenkte dich von dem Schmerz ab und vor allen dingen: Er ging nicht weg. Fügte dir keine Schmerzen zu, nein, er hielt dich fest und beschützte dich vor dir selber. Die bösen Geister in deinem Kopf hatten sich zurückgezogen, weil dort jetzt ein Phönix herrschte. Das helle türkise Licht am Ausgang deiner Hölle war zu sehen und du konntest seine Wärme spüren. In deinem Rausch, die Schmerzen die dich betäubten, die Berührungen nach denen du immer mehr verlangtest, konntest du deinen Retter nur einen Satz leise flüstern hören. Worte die nur für deine Ohren geschaffen waren.
„Du schaffst das."
Und dann setzten die Nadeln auf deinem Rücken endlich ab. Du fühltest wie sich der Druck eines anderen Menschen auf dir entfernte und damit auch dein panischer Atem. Du konntest plötzlich wieder normal atmen, deine unbändige Angst verschwand und du warst in der Lage deine Augen normal zu öffnen. Mit einem müden Blinzeln blicktest du Marco an, der dich so sanft und liebevoll anlächelte wie er nur konnte.
„Du hast es geschafft. Wir sind fertig. Herzlichen Glückwunsch zu deinem Tattoo!", sagte der Tattoowierer zu dir. Langsam lockerte sich also deine Haltung, deine Finger lösten sich von dem zerknitterten Stoff und auch Marco ging wieder auf Abstand zu dir. Vorsichtig richtetest du deinen Rücken auf und auch wenn du noch etwas des Schmerzes spüren konntest, überkam dich die Erleichterung. Du hattest es geschafft. Du hattest deine Vergangenheit hinter dir gelassen, sie ausradiert und niemand konnte dir jetzt noch nachweisen, dass du mal eine Sklavin warst. Du warst in diesem Moment so stolz auf dich, ein wohlwollendes Gefühl überschwemmte dein Herz und deinen Kopf und das breiteteste Lächeln das du je auf deine Lippen gelegt hattest, zierte dein Gesicht. Leise, kleine Tränen der Freude kullerten dein Gesicht herunter und du spürtest dass sich alles gelohnt hatte. Du warst glücklich. Mehr als das. Du warst sprachlos. Einfach nur wunschlos.
Mutig wie du dich fühltest versuchtest du aufzustehen, doch hattest du wohl unterschätzt wie dein Körper auf das Tattoo und deine Ausbrüche reagierte. Deine Beine fingen sofort an zu zittern und du brachst wieder zusammen, du hattest keine Kraft um selber aufzustehen. Marco sprang sofort auf und hielt dich fest, bevor du dir weh tun konntest. Er packte dich, als wärst du ein Stück Papier und hob dich hoch. Es überraschte ihn, wie unfassbar leicht du warst.
„Ich bring dich in dein Zimmer, yoi. Du bist bestimmt super erschöpft", sagte er zu dir und trug dich mit Leichtigkeit durch die Flure in dein kleines Reich. Es war dir zwar etwas unangenehm und du wurdest rot, aber du warst dankbar für seine Hilfe, wenn du nicht mehr konntest. Aber wie solltest du Marco das jemals wiedergeben..? Er hatte so viel für dich getan und du absolut nichts. Jetzt musste er dich sogar schon tragen.
„Hast du hunger, (Name)? Nach der Tortur solltest du vielleicht was essen."
„Nein.. danke.. ich möchte nur schlafen..", erwidertest du seiner Frage. Essen wolltest und konntest du nicht. Danach stand dir nicht der Kopf. Du warst einfach fertig. Der liebe Mann brachte dich also in dein Zimmer, legte dich in deine Hängematte und ging wieder, nachdem er dir eine gute Nacht gewünscht hatte. Du hattest ihn dankbar angesehen und dich auf den Bauch gelegt. Sobald die Tür deines Zimmers geschlossen war, warst du weg. Eingeschlafen und fertig mit deinem Kreislauf. Das war zuviel für dich gewesen und das spürtest du jetzt.

Phönixblau [Marco x Reader]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt