Kapitel 10

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Nach mehreren Stunden erreichten Albus und Gellert die erste Siedlung.
„Dort vorne!", sagte Gellert leise und deutete auf die kleinen Häuser, die etwas weiter entfernt standen.
Mit vorsichtigen Schritten betraten sie die kleine Siedlung, die nur aus fünf Häusern, einem Platz in der Mitte und dem größeren Haupthaus bestand.
Es war still.
Keine Erwachsenen, die ihrer Arbeit nachkamen.
Keine Kinder, die auf dem Platz spielten.
Kein Wind, der über die Weite pfiff.
Die Siedlung war verlassen.
„Denkst du, sie sind freiwillig gegangen?"
Gellert schüttelte den Kopf.
„Das werden wir gleich sehen!"
Damit ging er zum Haupthaus und öffnete die Tür, den Zauberstab bereit in der anderen Hand.
In der Dunkelheit konnten sie nichts sehen.
„Lumos!"
Zwei gleißende, helle Lichter erleuchteten das dunkle Innere des Hauses.
Erschrocken zuckte Albus zurück.
Leichen.
Mehr als zwei Dutzend Leichen lagen grausam zu einem Haufen geworfen ein paar Meter von ihnen entfernt.
Männer, Frauen, ja sogar Kinder hatte man getötet.

Mit großen Schritten näherte Gellert sich den Leichen. Mit einem verschlossenen Gesichtsausdruck untersuchte er die Todesursache.
Schließlich stand er auf und drehte sich zu Albus um.
„Wir sind auf der richtigen Spur. Diese Menschen starben durch den Todesfluch!"
Albus nickte beklommen.
Er atmete tief durch.
„Wir sollten weiter!"
Sanft legte Gellert eine Hand auf Albus' Schulter und drückte einmal kurz zu.
„Komm!"
Albus nickte und folgte Gellert nach draußen.
„Es ist also davon auszugehen, dass er Tunesien schon im Besitz hat. Doch was ist sein Ziel? Seine Aufgabe, die er erfüllen will?", grübelte Gellert.
Nach einigen Momenten sagte Albus: „Vielleicht möchte er Afrika von uns befreien."
„Befreien?"
„In den Kolonien herrscht eine strikte Hierarchie, vor allem in den französischen. Die Afrikaner müssen die harte Arbeit verrichten während die Franzosen die höheren Posten besetzen. Sie wollen den harten Gesetzen entfliehen, die ihnen aufgezwungen wurden. Was würde da besser passen als ein mächtiger Zauberer, der bereit ist, die europäischen und amerikanischen Fesseln zu sprengen?"
Darauf schwieg Gellert eine Weile.
„Das ist nachvollziehbar. Allerdings glaube ich nicht, dass das sein einziges Ziel ist. Er ist grausam und schreckt vor nichts zurück" er zeigte auf das Haupthaus, wo die Leichen lagen, „Er wird uns angreifen, um eine neue 'Versklavung' zu verhindern und wir werden zu seinen Marionetten!"
„Dann bleibt uns nur eine Möglichkeit: Kämpfen und Siegen!", erwiderte Albus düster.
Gellert nickte und holte seine Münze heraus. Er schloss sie in seine Hand und merkte, wie sie anfing, wärmer zu werden.
Vinda und Queenie würden hoffentlich bald kommen, sodass sie den Weltvertretern Bericht erstatten und die weitere Vorgehensweise besprechen konnten.

Zwei Stunden später kamen zwei schlanke Gestalten auf sie zugerast.
Gellert erkannte seine zwei Anhängerinnen.
Sobald sie ankamen und von ihren Beobachtungen erzählt hatten, apparierte das Team.

MACUSA, New York

„Vinda, Queenie! Ihr könnt zurück nach Hause. Ich rufe euch, falls wir eure Hilfe brauchen."
Vinda nickte und sie verschwanden im frühmorgendlichen Nebel von New York City.
Albus und Gellert sahen sich kurz an.
„Ich werde jetzt den MACUSA unterrichten. Es ist dir überlassen, ob du mich begleitest oder nach Hogwarts zurückkehrst."
Stolzen Schrittes betrat Gellert das Gebäude. Mit einem selbstzufriedenen Lächeln bemerkte er, dass Albus ihm gefolgt war.
Gemeinsam unterrichteten sie Miss Picquery über die Geschehnisse. 
"Das ist beunruhigend. Ein paar Teams haben Ähnliches gemeldet. Anscheinend hat er eine Spur aus Leichen in den Ländern südlich von Tunesien hinterlassen. Von den anderen Teams haben wir noch nichts gehört!"
Gellert nickte stoisch. "Wenn wir im weiteren Verlauf dieser Woche nichts von ihnen hören, müssen wir davon ausgehen, dass sie - beseitigt wurden."
Albus schluckte bei Gellerts Worten. Er hatte nie zur leichtherzigen Sorte von Zauberern gehört, doch trotzdem schreckte es ihn ab, auf diese Weise über den Tod zu denken. 
"Der Bund hat beschlossen, um einen Überraschungsangriff seitens dieser Bedrohung auszuweichen, ihre Länder aufzurüsten. Amerika wird es genauso machen.", informierte Picquery die zwei Zauberer. 
"Russland ebenso!", stimmte Gellert zu. Ein missbilligender Zug lag auf seinem Gesicht. Er wäre gerne über diese Entwicklung in Kenntnis gesetzt worden!
"Nun denn, einen schönen Abend wünsche ich!", sagte Albus warm und neigte in britischer Manier den Kopf zum Abschied. Er und Gellert verließen den MACUSA. 
"Ich werde gleich aufbrechen.", sagte Gellert. Ein Hauch Unsicherheit spiegelte sich in seinen Augen wieder und fragend legte Albus seinen Kopf schief. Rasch trat Gellert einen Schritt näher und zog den braunhaarigen Briten in einen zärtlichen Kuss. Albus wusste nicht wie ihm geschah. Kaum hatte er realisiert, dass sein Partner ihn gerade küsste, war diese sanfte Berührung auf seinen Lippen schon vorbei. Ein leiser Knall und Albus stand alleine auf der verlassenen Straße mitten in New York. Wie in Trance tasteten seine Fingerspitzen nach seinen Lippen, die merkwürdig kribbelten. Ein kleines Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Albus fühlte sich leicht beschwipst als er die Straße verließ. Er wusste, dass dieses Gefühl daher rührte, dass sein Geliebter ihn soeben geküsst hatte. So trunken vor Glück apparierte er schließlich nach Hogwarts zurück und fiel in seinem Bett in süße Träume. 

Closer Than BrothersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt