Shittyhair

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Noch nie war es so angenehm gewesen, mit Bakugou zu lernen. Das lag vermutlich daran, dass sie alles anderen taten außer lernen. Kirishimas Schulbücher lagen vergessen auf dem Bett, während er unter Bakugou lag und sich küssen ließ.
"Das beste Lerntreffen überhaupt", wisperte er gegen Bakugous Lippen und rieb seine Nase leicht gegen die des Blonden, was dieser sich widerstandslos gefallen ließ. Er war überraschend sanftmütig und anschmiegsam, wie Kirishima in den vergangenen Wochen festgestellt hatte.
Wer hätte auch gedacht, dass Bakugou jemand war, der gerne Zärtlichkeiten austauschte? Kirishima hatte ja angenommen, dass er seinen Mitschüler gut kannte, aber nun lernte er doch noch eine Menge Neues über ihn dazu.
Bakugou tat zwar so, als würde er nicht gerne Händchenhalten, leistete aber nie Widerstand, wenn Kirishima seine Hand nahm. Er schloss genießerisch die Augen, wenn man seinen Nacken kraulte und er entspannte sich, wenn man die Finger über seine Arme wandern ließ. Bakugou war wie eine Katze. Extrem eigensinnig, aber unglaublich kuschelig, wenn er dafür in der Stimmung war.
Vielleicht lag es daran, dass der sonst so mürrische Schüler die meiste Zeit über extrem angespannt war und es eine willkommene Abwechslung war, wenn jemand ihm Streicheleinheiten zu teil werden ließ.
Und das war etwas, was Kirishima nur zu gerne tat. Er liebte es zu sehen, wie sich Bakugou entspannte. Vor allem zu wissen, dass er dafür verantwortlich war und dass Bakugou ihm genug vertraute um sich fallen zu lassen, ließ Kirishimas Herz jedes Mal höher schlagen.

"Glaub nicht, dass du ums Lernen rumkommst, Idiot. Wenn du den Stoff nicht raffst, verkackst du den Test nächste Woche", brummte Bakugou in einem Versuch streng und fokussiert zu sein.
Vielleicht würde es ihm besser gelingen, wenn er dafür von Kirishima aufstehen würde. Aber da der Blonden seinen Worten noch keine Taten folgen ließ, zog Kirishima ihn kurzer Hand am Nacken wieder zu einem Kuss heran.
Mittlerweile hatte der Rothaarige den Dreh beim Küssen raus. Die anfängliche Unsicherheit war verschwunden. Und nach dem ersten kleinen Unfall, der Bakugou eine blutige Unterlippe nach einem unschönen Zusammentreffen mit Kirishimas Zähnen beschert hatte, war der Rothaarige auch vorsichtiger.

Jetzt, wo er es konnte, war er nahezu süchtig nach Bakugous Lippen. Er hasste die langen Schultage, in denen er sich zurückhalten musste. Es dauerte viel zu lange, bis sie in einem ihrer Zimmer alleine waren. Und wenn sie Pech hatten, dann lud sich Kaminari selber ein, den Abend mit ihnen zu verbringen oder die Clique wollte etwas gemeinsam unternehmen. Ein echtes Dilemma für den geselligen Kirishima, der eigentlich nie etwas mit seinen Freunden absagte. Aber die flüchtigen Handberührungen oder hastig gestohlenen Küsse, verborgen vor den Augen ihrer Freunde, waren einfach nicht genug.
Kein Wunder, dass er sich jetzt auf Bakugou konzentrieren wollte und nicht auf die Schule.
"Ich mein es ernst, Kackfrisur", murmelte Bakugou und stützte sich sogar auf seine Ellenbogen um etwas mehr Abstand zwischen sie beide zu bringen. Oh oh. Er meinte es wirklich ernst... "Dein Hirn kann jede Lernminute gebrauchen."

Kirishima zog prompt eine Schnute. Natürlich wusste er, dass Bakugou recht hatte. Dennoch seufzte er leise und gab Bakugou einen Schlag gegen die Schulter. Denn es gefiel ihm nicht wirklich, mit dem Knutschen aufzuhören und auch nicht, dass Bakugou ihn beleidigte. "Ich habe meine Haare nicht mal so gestylt", beschwerte er sich halbherzig.
Dass Bakugou seine Haare beleidigte war an der Tagesordnung. Wobei Kirishima fast glaubte, dass es nicht mal mehr eine Beleidigung war, sondern einfach sein Rufname aus Sicht des Blonden. Es ging ihm auch nicht wirklich auf die Nerven, weil er so sehr daran gewöhnt war. Aber gerade trug er nicht mal seine heißgeliebte Gelfrisur.
"Mhm... solltest du öfter so lassen", kommentierte Bakugou und spielte mit einer der roten Haarsträhnen.
Kirishima war schon aufgefallen, dass der Blonde Gefallen an seinen nicht frisierten Haaren gefunden hatte und wollte sich gerade schon wieder versöhnlich an ihn schmiegen, als Bakugou weitersprach. "Sieht weniger dämlich aus", fügte Bakugou hinzu, weswegen Kirishima genervt seufzte und ihn nun von sich wegschob.
Er war nicht wirklich beleidigt. Aber würde es den Anderen umbringen, mal etwas Nettes über seine Haare zu sagen? Denn so oft wie er seine Hände darin vergrub, konnte er sie ja nicht so furchtbar finden.
Seit Bakugou an einem Abend scheinbar ganz fasziniert von der für Kirishima eher unliebsamen Frisur gewesen war, ließ der Rothaarige bewusst das Styling seiner Haare ab und an aus, wenn er wusste, dass er nur mit Bakugou alleine sein würde.

"Danke auch...", schnaufte Kirishima und angelte nach seinem Schulbuch. Der Blonde beobachtete ihn dabei kurz perplex, bevor Leben in ihn kam. "Bist du beleidigt?" Bakugous Stimme klang ungläubig. Vermutlich hatte er so gar nicht damit gerechnet, dass Kirishima jemals so etwas wie beleidigt sein könnte. Die Irritation darüber war ihm deutlich anzusehen.
"Weil du meine Haare ständig kritisierst? Wie kommst du drauf?", gab Kirishima zurück und schlug demonstrativ das Buch auf. Es war ja nicht so, als ob er wirklich wütend war, aber von jemanden, der ihn sofort an sich zog, sobald sie alleine waren, konnte man irgendwie schon zumindest keine Beleidigung erwarten, oder?

Obwohl Kirishima kein Wort von dem, was auf der falsch aufgeschlagenen Seite stand, laß, schwiegen sie sich beide an. Etwas, das Kirishima, der gerne und viel redete und sehr harmoniebedürftig war, wirklich schwer fiel. Aber nun wollte er nicht klein beigeben, wo er einmal angefangen hatte.
Schließlich erhob Bakugou die Stimme. "Tut mir leid." Irritiert sah Kirishima sofort von dem Buch auf.
Er öffnete den Mund, war aber so verwirrt, dass er kein Wort herausbrachte. Hatte Bakugou sich gerade wirklich entschuldigt? War er lebensbedrohlich krank? Hatte er etwas getrunken oder hatten Aliens ihn ausgetauscht? Wer war dieser Kerl und was hatte er mit Bakugou gemacht?

"Guck nicht so dämlich", knurrte der Blonde missmutig, vermutlich weil es ihm auch nicht gerade gefiel, diese Art von Eingeständnis zu machen. Jedenfalls tat er das ja sonst nie. "Ich bin nur... verwirrt. Bakugou Katsuki entschuldigt sich doch nicht", gab Kirishima aufrichtig zu und legte das Buch zur Seite. Was auch immer er erwartet hatte, das war es nicht gewesen.
Betont gleichgültig zuckte Bakugou mit den Schultern. "Du bist wütend..."
"Ich bin nicht wütend", versicherte Kirishima. Er war äußerst selten wütend. Und wenn schon gar nicht auf jemanden, den er wirklich mochte. "Aber du findest es nicht gut..." "Wenn derjenige, den ich seit Wochen abends küsse, mein Aussehen beleidigt? Das ist wirklich nicht besonders männlich von dir", stimmte Kirishima nun ebenfalls mit einem Schulterzucken zu.

"Aber deine Haare sehen..." "Alter!" "Ich sag ja nicht, dass du scheiße aussiehst", fand Bakugou und musterte Kirishima, der ihm einen vielsagenden Blick zu warf. "Na danke... an deinen Komplimenten musst du echt noch arbeiten", kommentierte Kirishima die Bemerkung und senkte den Blick wieder in das Buch.
Bakugou allerdings fasste bestimmt nach seinem Kragen und presste einen Kuss auf seine Lippen, was sich Kirishima trotz allem gefallen ließ. Die Küsse des Anderen machten eben einfach süchtig.
"Du siehst gut aus!", sagte Bakugou, die Hand immer noch an Kirishimas Kragen. "Wenn ich das nicht finden würde, würde ich das hier nicht tun."
Ja, gut, so viel hatte sich Kirishima auch schon zusammengereimt. Bakugou würde ihn wohl schon attraktiv finden und mögen. Alles andere wäre wirklich extrem seltsam.

"Ich gebe jedem einen dämlichen Spitznamen", redete Bakugou weiter, als würde das alles erklären. Kirishima senkte allerdings erneut den Blick. Vielleicht störte ihn ja auch genau das. Es war nicht so, dass die Beleidigungen an ihm nagten. Er fand seine Haare nämlich toll so wie sie waren. Vielleicht lag es wirklich daran, dass Bakugou jeden mit einem unschönen Spitznamen bedachte.
"Ich will aber nicht wie jeder sein", erklärte Kirishima leise und sah auf, als Bakugous Hand sein Kinn erstaunlich sanft anhob. Sein Blick bohrte sich in den des Rothaarigen.
"Idiot, das bist du auch nicht." Auch seine Stimme klang sanfter als sonst. Die kleine Beleidigung sollte Kirishima ihm da wohl durchgehen lassen.
"Aber was willst du hören? Irgendwelche Kackkosenamen? Das ist dämlich. Das mache ich nicht", erboste sich Bakugou auch schon direkt wieder, als er weitersprach. Selbst seine Mimik drückte absolutes Unbehagen gegenüber Kosenamen aus. Er ließ seine Hand sinken und schüttelte den Kopf, als müsse er diesen Gedanken ganz schnell vertreiben.

Belustigt lachte Kirishima auf. Er konnte sich Bakugou auch nicht derart kitschig vorstellen. Das wäre sogar wirklich beängstigend. "Wie wäre es einfach mit meinem Namen?", schlug er daher schulterzuckend vor. Alle anderen schafften es ja auch ihn so zu nennen. Ab und an nannte Bakugou ihn ja auch selbst so. Wieso dann nicht also die ganze Zeit?

"Eijirou..."
Kirishimas Herz machte einen Satz.

Sein Vorname kam gänzlich unerwartet. Kaum jemand nannte ihn bei seinem Vornamen. Das war eben etwas, was man in der Oberstufe nicht mehr tat. Vor allen Dingen nicht unter Männern. Jemanden beim Vornamen zu nennen war etwas Besonderes, etwas Intimes. Kein Wunder, dass Kirishimas Herz schier ausrastete.
Sein Schweigen hatte wohl zu lange gedauert, denn Bakugou wurde prompt nervös. Das war ihm deutlich anzusehen, obwohl er sich sonst doch immer gut unter Kontrolle hatte. "Oder Kirishima", verbesserte er sich, offensichtlich ein wenig verlegen und auch irgendwie besorgt. Ob er das Gefühl hatte, dass er zu weit gegangen war?
Hastig schüttelte Kirishima den Kopf, um den Anderen zu beruhigen. "Ich mag es, wenn du Eijirou sagst", gestand er leise und immer noch ein wenig überwältigt. Kaum zu glauben, dass er seit Wochen mit einem Kerl knutschte, aber sein Vorname ihn aus der Bahn warf.
"Es war nur so... unerwartet...", murmelte Kirishima verlegen.

"Aber wenn du mich so vor den anderen nennst, dann werden die sich wundern", gab er leise zu bedenken. Und das war etwas, was sie beachten mussten. Bisher hatten sie das was sich zwischen ihnen abspielte für sich behalten. Einvernehmlich, wie es schien.
Vielleicht weil noch keiner von beiden bereit gewesen war, sich dem zu stellen, was passieren könnten. Kirishima hatte keine Ahnung, wie ihre Klasse darauf reagieren würde.
Gerade seine männlichen Freunde machten ihm da Sorgen. Was, wenn Sero und Kaminari es seltsam finden würden? Immerhin hatte er niemals irgendwem etwas in die Richtung gesagt. Was, wenn sie es nicht nur seltsam, sondern sogar abstoßend finden würden? Darüber hatte sich der Rothaarige viele Gedanken in letzter Zeit gemacht. Deswegen kam es ihm auch gerade recht, dass Bakugou auch noch keine Anstalten gemacht hatte, es irgendjemanden zu sagen.

"Dann sollen die sich eben wundern. Ist mir doch egal!", fand der Blonde aber just in diesem Moment und wirkte so selbstsicher wie immer. Kirishima musterte ihn genau, um einzuschätzen, wie ernst es ihm damit war. "Ist es?", hakte der Rothaarige beeindruckt nach. Bakugou war immer so mutig und selbstsicher. Das war bewundernswert.
Aber noch viel besser war das, was dann folgte.
"Ist nicht so, als wärst du mir peinlich, oder so", erklärte Bakugou bestimmt, weswegen sich ein Lächeln auf den Zügen des Rothaarigen ausbreitete. "Ich dir?" Leichte Unsicherheit machte sich auf Bakugous Gesicht breit, wie Kirishima besorgt feststellte und weswegen er schnell die Hände hob. "Nein! Nein, auf keinen Fall. Du bist absolut cool und männlich. Du bist der Beste", versicherte Kirishima mit einem Lächeln, das Bakugou auch sofort wieder beschwichtigte. Mehr noch. Auf seinen Lippen erschien ein zufriedenes Lächeln. "Dachte ich's mir", murmelte er so selbstsicher wie eh und je.

"Eijirou also." "Und Katsuki", fügte der Rothaarige hinzu und war erstaunt darüber, wie gut es sich anfühlte, den Vornamen des Anderen bewusst auszusprechen. Auch Bakugou schien der Klang zugefallen. Denn er nickte zufrieden.

Da gab es aber noch etwas, was Kirishima nun auf dem Herzen lag.
"Heißt das, wir sind jetzt... zusammen?", wollte er vorsichtig wissen. Denn wenn ihn jemand fragte, wieso er den Blonden beim Vornamen nannte, dann sollte er die offizielle Begründung kennen. Er hätte ja wirklich nichts dagegen, Bakugou seinen festen Freund zu nennen. Aber so etwas konnte er ja unmöglich ohne die betreffende Person entscheiden.
"Pfft... ob wir zusammen sind, fragt er..." Bakugou verdrehte die Augen. "Natürlich sind wir das, Kackf... Eijirou", verbesserte sich Bakugou hastig, als ihm klar wurde, dass er seinen neuen Vorsatz schon fast direkt wieder gebrochen hatte.
Ertappt und mit ein wenig Schuldbewusstsein sah er Kirishima an, der jedoch mit bester Laune grinste. So viele positive Wendungen an einem Abend. Da konnte er wohl mit dieser einen Sache mehr als gut leben.
"Wäre vermutlich einfach nicht dasselbe, wenn du es nicht ab und zu sagst."

It has to be youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt