1. Kapitel

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Kapitel 1

2013

Drei Jahre waren nun vergangen, seitdem Jase in mein Leben getreten war. Er hatte sich stark verändert, er war offener geworden, ich konnte immer mehr über seine Herkunft und sein Training erfahren, auch wenn ich es immer noch nicht ganz verstand und ich wusste, dass er einiges vor mir versteckt hielt. Ich hatte darauf bestanden, dass er mit mir trainierte, denn das war die einzige Zeit wo er voll in seinem Element war und mir mal ein paar Fetzen einer Erklärung über sein Auftauchen hinwarf. Er konnte sogar richtig charmant und liebenswürdig sein, wenn er nur mal seine stille Fassade ablegte. Auch wenn ich mich davon nicht beeindrucken lassen wollte, weil er immer noch nicht vollständig mit allem herausrückte.

„Frau Crystle." Erschrocken und aus meinen Gedanken geworfen sah ich zu unserer Geschichtslehrerin Frau Franklin. Ja seit über drei Jahren besuchte ich nun schon dieses Gymnasium, so nannte man es hier glaube ich, danach würde ich studieren gehen können, so wie man bei uns in Amerika weiter ans College gegangen wäre. Die Frage war nur, ob meine Noten das auch zulassen würden. „Ja..., was war die Frage?" Sie schüttelte den Kopf und nahm meine Nebensitzerin Marie dran, die hier in dieser kleinen Stadt am Bodensee eine meiner einzigen richtigen Freunde war. Meinen Vater hatte es angeblich beruflich hierher gezogen. Man konnte nicht sagen, dass es hier nicht schön wäre, aber es war nicht leicht, wenn man mitten im Schuljahr hierher kam und noch nicht mal fließend Deutsch sprach. Auch wenn sich das in den letzten Jahren stark verbessert hatte. „1956." Natürlich wusste sie die Antwort, sie war eine gute Schülerin, während ich immer wieder abdriftete. Der Unterricht hier war nicht so mein Ding und mit meinen mangelnden Deutschkenntnissen im ersten Jahr war ich bei den Lehrern eh schon angeschwärzt gewesen. Marie hatte mir da immer geholfen, Englisch war eines ihrer Hauptfächer, so konnte sie es eigentlich recht gut und einiges für mich übersetzen, bis ich es selbst konnte. Durch sie wurden meine Noten besser, aber ich konnte nichts dafür, dass ich immer wieder in meine Gedanken abdriftete. Irgendwie war ich schon immer mehr der Mensch der in Gedanken schweifte.

Die Klasse wurde immer unruhiger, was mich aus meinen Überlegungen brachte, der Unterricht würde gleich zu Ende sein. Marie stupste mich auch schon an und versuchte meine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. „Soll ich dich mitnehmen?" fragte sie lächelnd. Ich schüttelte den Kopf und nahm meine Tasche über die Schulter. „Jase' Nachmittagskurs findet nicht statt, er nimmt mich mit." Marie hatte erst ihren achtzehnten Geburtstag gefeiert , weswegen sie schon mit dem Auto fahren durfte, während ich immer noch auf andere angewiesen war. Aber nicht mehr so lang, dann hatte ich auch das Vergnügen auch ohne Begleitung den Straßenverkehr unsicher zu machen. „Dann bis morgen." Ich drückte sie kurz und machte mich auf den Weg zum Parkplatz vor Jases Gebäude. „Bis morgen."

Die Luft draußen war warm, aber dieser Juni war sowieso einer der Wärmeren. Der Sommer kam immer näher und ich hatte immer noch nicht meine Stimmung darauf angepasst. Das ganz warme Wetter war noch nie mein Fall gewesen, vor Allem nicht hier, die Luftfeuchtigkeit war viel zu hoch, der Teer begann in den heißen Monaten zu stinken und die Hitze schien einen von allen Seiten zu erdrücken. Viel lieber würde ich jetzt am Seeufer sitzen und den frischen Wind durch meine Haare wehen lassen, aber wir wurden zu Hause schon erwartet. Wie gewohnt stand Melanie schon bei Jase am Auto und wollte sich einklinken. Meistens gelang es ihr auch und wir mussten noch an ihrem Haus vorbei. Doch ich mochte sie nicht wirklich, sie hatte etwas an sich, eine Ausstrahlung, die mich abstieß. Obwohl sie hübsch war, ja sie hatte langes dunkles Haar und war immer im neusten Trend gekleidet. Nie saß auch nur ein Haar krumm, oder war ihr Make up nicht perfekt, keine Ahnung wie sie das anstellte. Heute schien sie aber nicht mit uns mitzufahren, denn sie zog nach einem kurzen Nicken mir gegenüber wieder ab. „Nimmt sie tatsächlich den Bus?" Jase lächelte. „Nein, als ob sie das machen würde. Sie hat noch einen Termin in der Stadt und wollte fragen ob ich nicht mitkommen würde." Er machte mir die Tür auf und ich warf meine Tasche hinein, bevor ich mich hineinsetzte. „Du hattest keine Lust?" Er schaute mich an, als ob ich ihn verarschen wollte. „Ich lass dich hier nicht stehen und selbst wenn, den ganzen Nachmittag mit Melanieverbringen steht nicht gerade auf meiner Liste mit Dingen die ich heute tun möchte." Er schwang sich auch in den Wagen und startete den Motor. „Du weißt, dass du dich mir nicht verpflichtet fühlen musst. Ich komm schon klar." Er ging nicht viel aus und lud seine Freunde auch nicht oft zu uns nach Hause ein, manchmal hatte ich das Gefühl, dass er auch nicht wirklich Anschluss hier gefunden hatte. Aber vielleicht lag ich damit auch falsch, denn die Leute mochten ihn, wie konnte man ihn auch nicht mögen. Er stupste mich leicht in die Seite und sah dann verträumt zu mir herüber. „Das weiß ich doch, aber irgendwann wirst du es schon noch verstehen, dass ich mir Sorgen um die kleine Chloe mache." Ich lachte ironisch und stieß ihn unsanft in die Seite. Er tat so als würde es schrecklich wehtun, bevor auch er mit lachte.

The Hunted GirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt