4. Kapitel

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Kapitel 4

Ich hatte tief und fest geschlafen wenn auch nicht sonderlich gut. Durch das Konzentrieren auf Jase Atem konnte ich mich soweit beruhigen, dass der Schlaf mich überkam. Mein Blick war zwar noch etwas verschlafen, als ich die Augen aufschlug, aber sie waren nicht mehr so geschwollen wie gestern noch. „Chloe! Komm schnell!" Verwirrt setzte ich mich auf, Jase griff nach meinem Handgelenk und zog mich aus dem Bett. Er ließ mir nicht mal die Zeit aus seinen T-Shirt in richtige Klamotten zu wechseln. So gut mich meine Füße tragen konnten, versuchte ich mit Jase mitzuhalten. Er ließ meinen Arm erst auf der Treppe los und öffnete dann hektisch die Türe zur Garage, bevor er sich ins Auto schwang. Er ließ den Motor an und schaute mich nochmal panisch an, während er die Beifahrertür aufriss. Was war hier nur los? Warum machte er so eine Hektik? Waren diese Leute etwa hier, hatten sie uns gefunden? Immer noch total verschlafen und verwirrt stieg ich ein und wir rasten aus der Garage. Uns folgte ein Knall, ein ohrenbetäubender Knall. Ich konnte das Salz meiner Tränen schon auf der Zunge schmeckte, während ich aufschrie. „Meine Eltern!"

Mit diesen Worten auf den Lippen schreckte ich hoch und sah mich geschockt um, immer noch den Salzgeschmack auf den Lippen. Dann erblickte ich Jase, der mich geschockt ansah. Doch schnell war sein Blick wieder sanft und er zog mich in seine Arme. Es dauerte noch ein bisschen bis ich mich wieder beruhigt hatte. „Es war nur ein Traum Chloe." Ja, aber es hatte sich in dem Moment nicht so angefühlt. Mein Unterbewusstsein hatte mir gerade gezeigt wie gut ich das hier alles verarbeitete. Leider war ich nicht darauf vorbereitet gewesen, dass mir sowas mal passieren würde, dass ich Teil von irgendetwas sein würde, dass meine Eltern umbringen würde. Das mir so den Boden unter den Füßen wegziehen würde. Ich kuschelte mich an Jases Schulter und durchnässte sein Shirt mit meinen Tränen, aber ich brauchte etwas Halt, jemanden Vertrauten. „Es ist, weil wir ohne sie gehen mussten, ich habe ein schlechtes Gewissen und das gibt nicht dir oder ihnen die Schuld, sondern mir. Wenn ich gewusst hätte, wo ich da drinstecke, würden sie vielleicht noch leben." Er schüttelte den Kopf und strich mir beruhigend über den Rücken. „Sie haben mir so oft gesagt, dass du das Beste bist, was ihnen passieren konnte. Du bist nicht schuld, wenn hier irgendjemand Schuld ist, dann sind es die Chäner und glaub mir, sobald wir die anderen sechs Auserwählten gefunden haben, dann werden wir dem ein Ende setzen." Ich löste mich ein bisschen von ihm, um direkt in die schönen, dunklen Augen schauen zu können. „Du musst mir das alles mal erklären." Er nickte und holte sein Handy vom Nachttisch. Dann zeigte er mir eine Karte, auf der viele blaue Punkte zu sehen waren. „Die blauen Punkte zeigen die Häuser, so wie dieses hier. Dort können wir Unterschlupf finden und auf andere deiner Art treffen. Es gibt uns die Möglichkeit euch Auserwählten zusammenzubringen und vor Allem euch zu schützen, bis eure Fähigkeiten ausgeprägt sind. So haben es die Gründer des Jasalen Heims, indem ich aufgewachsen bin zumindest vorgesehen. Mir wurde mitgeteilt, wer die anderen sind, bis auf die zwei, die wir immer noch nicht ausfindig machen konnten. Ich werde dir zeigen wie es funktioniert, sodass du es auch ohne mich bedienen kannst. Es kann gut sein, dass du es vielleicht ohne mich benuzten musst. Sagen wir mal so, wir Beschützer haben nicht die besten Überlebenschancen." Er sollte erst gar nicht so denken, natürlich würde er überleben. „Du wirst bei mir bleiben, ganz sicher!" Er sah bedrückt zur Decke. „Das hoffe ich sehr, aber..." Ich legte meinen Finger auf seine Lippen, zur Überraschung von mir selbst und unterbrach ihn. „Darüber will ich jetzt wirklich nicht reden, erzähl mir lieber wie wir jetzt weitermachen." Ich wartete darauf, dass er mir den Plan erläuterte, doch stattdessen starrte er sein Handy an. „Jase?" Er starrte weiterhin auf das Handy, seine Miene seltsam traurig. „Wir werden weiter in den Süden fahren, wir müssen schauen, dass wir dich so schnell wie möglich, soweit weg wie möglich von deinem letzten Standort bringen." Da er nicht mehr hinzufügte und ich auch nicht mehr wusste was ich dazu sagen sollte, schaute ich mich in dem kleinen Zimmer um und entdeckte meine Tasche. Gedankenverloren griff ich nach ihr, um mein Handy herauszuholen. Jase schreckte von seinem Handy auf und durchbohrte mich mit seinem Blick. „Du hast dein Handy mitgenommen?" Was war das denn jetzt für eine Frage? Natürlich hatte ich es mitgenommen. „Ja, hast du doch auch." Sein Gesichtsausdruck wurde ernst und er stand auf. Er hatte immer noch seine Jeans an, na gut, war auf der Flucht eigentlich auch eine gute Idee. „Zieh dich schnell an, sie wissen wo wir sind. Gib mir das Handy?" Geschockt stand ich auf und machte mich auf den Weg zur Treppe nach unten.Er nahm währenddessen mein Handy und wollte es auf den Boden werfen. Ich sah ihn wütend an. „Stopp, weißt du wie lang ich dafür gespart habe?" Er verharrte kurz, nahm dann die Simkarte heraus und zerbrach sie. „Sie werden dein Handy orten, es ist nur eine Frage der Zeit bis sie wissen, dass wir hier sind, wir müssen uns beeilen." Schnell drehte ich mich von ihm weg und stolperte die Stufen nach unten, dicht gefolgt von Jase, der seine Sachen und meine Tasche im Schlepptau hatte. Unten angekommen schlüpfte ich schnell in meine Hose und sammelte noch die restlichen Klamotten zusammen, bevor ich Jase zur Garage folgte. „Was ist mit deinem Handy?" Er nahm mich an der Hand und zog mich mit sich zum Auto. „Ist etwas spezieller, erkläre ich dir später." Doch bevor wir das Auto erreichten, wumperte etwas gegen die Garagentür und nach ein paar Sekunden war das Schloss auch schon aufgebrochen und sie wurde nach oben geschoben. Geschockt stand ich da und starrte auf die offene Tür, durch die sich drei vermummte Personen drängten. Drei, immerhin nicht noch mehr. Jase ließ alles fallen und schob mich sofort hinter sich. Ich war immer noch in meiner Starre und versuchte irgendwie meine Muskeln wieder in Bewegung zu bringen. Als der Erste auf Jase losging, fiel mir auf, dass sie gar keine Waffen hatten. Bevor ich aber meine vielen Gedanken beenden konnte, kamen die restlichen zweiauf mich zu, auf Jase konnte ich jetzt nicht mehr als Puffer hoffen, der hatte gerade mit dem einen zu tun. Kurz bevor mich die Faust des einen Mannes traf, erwachte mein Körper endlich aus seiner Starre. Ich wich seinem Schlag aus und trat ihm dann mit voller Kraft in den Magen, während ich mich unter dem Hieb des Zweitens hinweg tauchte. Der Schrei des Mannes erfüllte den Raum und ich zuckte leicht zusammen. Verwirrt versuchte der es nochmal, doch ich schlug ihmdirekt ins Gesicht und warf dann einen kurzen Blick zu Jase, der gerade seinen Gegner zu Boden gebracht hatte und ihm dann die Hände um den Hals drückte. Oh mein Gott, er würde ihn ersticken lassen. Ich erstarrte nur für einen kurzen Moment, aber das reichte schon dafür, dass mich gleich zwei Fäuste trafen und nach hinten warfen. Ich musste mich zusammenreißen um nicht zu würgen, während mich der eine, den ich getreten hatte, auch noch gegen die Wand schlug. Erschrocken keuchte ich auf, aber achtete gar nicht auf den Schmerz, sondern grub dem Mann meine Fingernägel in die Arme. Mit einem festen Tritt riss ich ihn dann zu Boden und drückte meine Fuß fest gegen seine Kehle. Der zweite zerrte an mir, doch bevor er mich hätte weiter verletzen können, stand auch schon Jase hinter ihm, schlang seine Arme um ihn und zerrte ihn von mir weg. Der Mann unter mir schlug um sich und versuchte mich immer wieder aus dem Gleichgewicht zu bringen. Ich kämpfte mit mir selbst, um den Schuh nicht zu lockern. Es erschien mir so falsch, aber ich musste es irgendwie tun. Unter mir wurde er immer wütender und schlug nun noch fester zu, wodurch mein Fuß von seinem Hals rutschte und ich fast zu Boden gegangen wäre. Der Mann rappelte sich so schnell wieder auf, als ob ich ihm nicht vor ein paar Sekunden noch die Luft abgedrückt hätte. Er zielte auf meinen Kopf und leider traf er ihn auch und ich knallte mit dem Rücken wieder gegen die Wand. Er lächelte und legte seine Hände an meinen Hals, doch ich trat heftig gegen sein Schienbein. Er krümmte sich kurz zusammen und ich stieß mich von der Wand, um ihm gegen die Brust zu treten, aber er sprang mit so einem Schwung auf und hielt meinen Fuß fest. Um so mehr du dich bewegst, umso schneller kommst du aus dem Gleichgewicht, dachte ich. Also versuchte ich mich nicht zu wehren, aber er schien es zu durchschauen und drehte meinen Fuß so lange, bis ich zu Boden krachte und mein Kopf hart aufschlug. Er lag so schnell auf mir, das ich nicht einmal die Chance hatte, mir an den Kopf zu fassen oder versuchen konnte aufzustehen. Dann legten sich seine Hände wieder um meinen Hals. „Es ist mir so egal, ob ich dich töten darf oder nicht, aber für den Tod an meinem Bruder wirst du mit dem Leben bezahlen." Er drückte zu und ich schlug mit den Händen luftringend gegen ihn. Ich setzte auch meine Füße ein, doch um so weniger Sauerstoff ich noch hatte, um so mehr schwanden meine Kräfte. Ich sah mein Ende schon kommen, aber niemals würde ich das aufgeben, wofür meine Eltern ihr Leben geopfert hatten, also ließ ich mir etwas einfallen. Ich ließ alle Wehr fallen und schloss benommen die Augen.

The Hunted GirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt