Kapitel 7

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„Du kannst auch zusehen, wenn du willst", meinte Leo, welcher sich offenbar Sorgen um meine Gesundheit machte. „Ich pack das schon", meinte ich fest entschlossen und packte zusammen mit den anderen Männern das Seil. Leo lächelte und fasste mit an, sodass wir zugleich an dem Seil zogen und so die Wand anhoben. Es dauerte noch zwei Stunden, bis alle Wände gestellt und wir alle völlig verschwitzt waren. „Warum muss es denn im April schon so warm sein", fragte ich und wischte mir den Schweiß von der Stirn. „Lass uns schwimmen gehen", schlug Leo vor und lächelte mich an. „Ich hab keine Badesachen mit..." Ich zögerte etwas bei seinem Vorschlag, immerhin würde er mich fast nackt sehen. „Ich auch nicht. Wir lassen unsere Unterwäsche an." „Okay, aber ich muss noch was holen." Ich eilte zu meinem Rucksack und kramte die samtene Schachtel von unten hervor. Leo war bereits zum See gegangen und hatte seine Kutte behutsam abgelegt. „Was ist das?" Neugierig betrachtete er die Schachtel in meinen Händen, bis sich seine Stirn in Falten zog und er mich ernst ansah. „Woah...Sophia, nicht so schnell, das...wir...." „Was? Ich mach dir keinen Antrag." Ich begann laut zu lachen und öffnete die Schachtel, um ihm den Inhalt zu zeigen. Erleichtert seufzte er und sah mich mit einem entschuldigenden Blick an. „Das wäre doch auch ein bisschen früh, meinst du nicht?" Lachend ließ ich mich in den körnigen Sand fallen. Leo setzte sich zu mir und sah mich an. „Also, was ist passiert, dass ich dich mit versammelter Mannschaft abholen musste?" Ich seufzte, ich wollte nicht darüber reden, aber irgendwie auch schon, also fing ich von vorne an. „Aber du darfst mich nicht auslachen, weil es zu kindisch ist", warnte ich ihn mit erhobenem Finger. „Werd ich nicht", versprach er und drehte sich zu mir. „Naja, Jessica ist...war meine beste Freundin, immer, wenn wir shoppen waren sind wir am Juwelier vorbei, weil sie ein paar Ohrringe so schön fand, also hab ich sie ihr zum Geburtstag gekauft." Ich sah ihn an, wollte wissen, ob er hinterherkam, bis er schließlich nickte und mir zu verstehen gab, ich solle doch fortfahren. „Auf jeden Fall, Jessica hat heute Geburtstag, ich hab ihr also die Ohrringe gegeben und sie meinte nur, dass es ja ‚nur' Ohrringe seien und das das ziemlich ‚lahm' sei", ich begann mich in Rage zu reden, doch Leo hörte mir ernst zu, anstatt mich wie sonst immer nur zu belächeln. „Und dann meinte sie, dass sie von Chloe ja ‚richtige' Ohrringe von Bulgari bekommen hatte und nicht welche ‚aus dem Kaufhaus'. Sie meinte, ich sei ‚stinkreich' und warum ich ihr dann nur ein paar Ohrringe schenke." Wut kochte in mir hoch und ich versuchte, krampfhaft meine Tränen zurückzuhalten. „Weiß du, es geht mir nicht ums Geld oder so. Ich will nicht darauf reduziert werden, dass ich Geld habe und sowas will ich erst recht nicht von meiner besten Freundin hören." Leo nickte verständnisvoll, als er merkte, dass ich mit meiner Rede fertig war. „Du hast sowas nicht nötig. Lass dich von niemandem auf irgendetwas reduzieren, glaub mir", er schüttelte leicht den Kopf und nahm meine Hände, die immer noch die Schachtel umklammerten, in seine. Seine Augenbrauen zogen sich zusammen, als er nachdachte. Dann nahm er plötzlich die Schachtel aus meiner Hand und stand auf. Verwirrt sah ich ihn an und stand ebenfalls auf. „Was hast du vor?" „Geld ist dir egal?" Er sah mich ernst an, ich nickte nur eifrig und verstand immer noch nicht, was er vorhatte. „Dann wirf den Ballast einfach weg", meinte er, holte aus und warf die Ohrringe im hohen Bogen in den See. Vor Schreck schlug ich mir die Hände auf den Mund und sah ihn ungläubig an. „Das waren 48 Dollar", meinte ich, meine Stimme schriller als beabsichtigt. „Du hast gesagt, das Geld ist dir egal, also lass dich nicht von Dingen runterziehen, die dir nichts bedeuten", sagte er leise und nahm meine Hände wieder in seine. „Und jetzt ab ins Wasser, sonst komm ich noch um." Ich entzog ihm meine Hände und zog mir lachend das Oberteil aus. Ich war froh, dass ich mich heute für den hellbraunen Spitzen-BH entschieden hatte und sogar das passende Höschen anhatte, dass es nicht allzu peinlich wurde. Leo zog sein Shirt aus und zum ersten Mal sah ich all die Tattoos, all die Muskeln, die sich normalerweise unter seiner Jeansjacke versteckten. Seine Arme waren bis zu seinen Fingerknöcheln tätowiert, sowie seine Brust, doch das beeindruckendste Tattoo befand sich auf seinem Rücken. Ein Stierschädel, welcher von indianischen Motiven umrahmt und mit ihnen geschmückt war, darunter in großen Lettern der Text „Western Legion". Der Patch von seiner Kutte befand sich eins zu eins als Tattoo auf seinem Rücken. Ich begab mich schon ins Wasser, um mich schon mal an die kalte Temperatur zu gewöhnen. Leo zog noch seine Hose aus und warf sie auf den Klamottenhaufen. Von hier aus, hatte ich die Chance ihn komplett zu betrachten, und mein Gott, der Mann sah toll aus. Wieder fielen ihm ein paar Haarsträhnen ins Gesicht und blieben an seiner Stirn kleben, weshalb ich leicht lächelte. „Man...ich hab gerade 48 Dollar im See versenkt, meine Mutter würde mich Ohrfeigen, meinte er scherzhaft und blieb vor mir stehen. „Dann verrats ihr nicht", schmunzelte ich, wobei sein Lächeln ein wenig einfiel. „Kann ich nicht. Sie reden nicht mehr mit mir, aber das ist egal", winkte er ab und tauchte plötzlich unter. Ich sah mich um, soweit konnte er doch gar nicht sein, das Wasser ging mir doch nur bis zur Brust. Nervös drehte ich mich, suchte im Wasser nach ihm, doch ich fand nix. Als er mich plötzlich an den Beinen packte und wieder auftauchte schrie ich vor Schreck auf und hielt mich an seinen Schultern fest. „Lass mich runter", rief ich und versuchte mit meinen Beinen zu strampeln. Aber anstatt mich runter zu lassen, warf er sich nur mit mir zusammen ins Wasser, sodass ich untertauchte und mich erstmal orientieren musste, eh ich wieder auftauchen konnte. Ich strich mir die Haare aus dem Gesicht und suchte wieder einmal die Wasseroberfläche nach Leo ab. Zwei Arme legten sich von hinten um meinen Körper und hielten mich fest. Ich lehnte mich an seine feste, warme Brust und genoss das Gefühl der Geborgenheit. „Ich hab am Wochenende Zeit", bemerkte ich irgendwann und drehte mich in seinen Armen, sodass ich ihn ansah. „Und da willst du herkommen?" Wissend lächelte er mich an und zog mich noch ein Stück näher zu sich. „Wenn du mich hier haben willst", meinte ich und zuckte mit den Schultern. „Naja...", er druckst herum und zuckte mit den Schultern, „...nicht hier im See, aber bei mir zu Hause, ja." Ich lachte und schlug ihm leicht gegen die Brust. „Du blöder... verarsch mich nicht jedes Mal so", lachte ich und ließ meine Hand auf seiner Brust liegen. „Das macht aber Spaß", rechtfertigte Leo sich und legte seine Hände auf meine Hüfte, ehe er mir immer näher kam und seine Lippen auf meine legte. Sein Bart kitzelte leicht, doch das tat dem unglaublichen Gefühl seiner Lippen auf meinen Lippen nichts ab. Ich stellte mich leicht auf Zehenspitzen, um besser an ihn heranzukommen und legte meine Arme um seinen Hals. Leo öffnete seinen Mund und vertiefte den Kuss. Ich versuchte die Angst, etwas falsch zu machen, abzulegen und mich einfach darauf einzulassen, mich auf ihn einzulassen. Denn es gab kein schöneres Gefühl, als ihn zu küssen. Plötzlich löste er sich von mir, seine Hände jedoch immer noch auf meiner Hüfte. Ich sah ihn an, sah dann verlegen aufs Wasser und spürte dennoch, wie er lächelte. „Ich möchte dich am Wochenende vorstellen, also offiziell", erklärte er, weshalb ich ihn wieder ansah. Man sah mir offenbar die Panik an, die sich gerade entwickelt hatte. Was wenn sie mich nicht mochten? „Hey, keine Angst, wenn dir das zu früh ist warten wir noch." „Was? Nein...ich bin mir sicher. Mit dir, mit uns...aber...was, wenn sie mich nicht mögen?" Das Lächeln, welches ich ihm eben auf sein Gesicht gezaubert hatte, wich einem beherzten Lachen. „Keine Sorge, sie werden dich lieben", meinte er beschwichtigend und verließ mit mir zusammen das Wasser. Am Ufer lagen zwei Handtücher, weshalb wir uns beide ziemlich verwirrt ansahen. Leo sah sich um und entdeckte Martha, die gerade wieder zu den anderen Männern lief. Ich musste lächeln und breitete die Handtücher aus, sodass wir uns darauflegen konnten. „Warum bist du dir so sicher, dass sie mich mögen werden?" „Sie haben keine Wahl. Du bist jetzt Familie und wir passen aufeinander auf, egal was ist." Er sah mich an und verschränkte seine Finger mit meinen. Ich lächelte über seine Worte und legte meinen Kopf an seine Schulter. „Ich muss nach Hause", seufzte ich und schaute in den Himmel. „Ich fahr dich dann." Eine Weile lagen wir noch so da, ehe Leo sich aufrichtete und mich fragend ansah. „Ist das Schuljahr nicht bald rum?" „Ja, wieso?" Ich setzte mich auch auf und sah ihn verwirrt an. „Musst du dir nicht ein College raussuchen?" Warum? Warum musste er ausgerechnet das Thema ansprechen. „Ja...ich...meine Mum will, dass ich nach Harvard geh, aber ich will hier auf ein Community College", erklärte ich und sah auf meine Hände. „Wow...Harvard", gab er beeindruckt zurück und sah auf das Wasser. „Ja...aber ich will nicht zwischen den ganzen Snobs studieren. Ich will was Echtes." Seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, ehe er sich wieder zu mir beugte und mich küsste. Die Schmetterlinge in meinem Bauch schlugen Purzelbäume und gerade fühlte ich mich so glücklich wie nie zuvor.

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