Kapitel 11

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Fast routiniert schob ich mein Motorrad in die Garage und schloss das Tor von dieser. Ich nahm mir einen Lappen aus der Schublade und putzte das Bike. Sollten Mum oder Phil doch mal in die Garage gehen, dann würden sie nicht bemerken, dass das Bike jetzt regelmäßig fährt. „Schicke Weste." Vor Schreck zuckte ich zusammen, weshalb ich mich nicht mehr in der Hocke halten konnte und auf meinen Po fiel. Voller Schrecken sah ich zu Annie, welche mit verschränkten Armen im Türrahmen stand und mich musterte. „Soll ich putzen helfen?" Lächelnd nahm sie sich einen weiteren Lappen und gesellte sich zu mir. Ich war immer noch zu perplex, um auf sie zu reagieren, weshalb ich sie nur mit offenem Mund anstarrte. „Ich weiß Bescheid, Süße. Ich bin ja weder taub noch blind. Neu ist mir allerdings das...", sie deutete auf meine Weste und begann das Motorrad zu putzen. Als ich endlich wieder aus meiner Starre erwachte, putzte ich etwas verlegen weiter, während ich krampfhaft nach einer Antwort suchte, die sie nicht auf die Palme bringen würde. Niedergeschlagen seufzte ich und beschloss, ihr die ganze Wahrheit zu erzählen. „Du erinnerst dich doch noch an den Typen vom Einkaufszentrum, oder?" „Den dunklen Retter", bemerkte sie mit einem Lächeln im Gesicht. Ich schmunzelte über ihre Bemerkung. Das musste ich unbedingt Leo erzählen. „Ja, genau der", lächelte ich und putzte den Scheinwerfer. „Und, was ist mit dem?" Ihre Augenbrauen zuckten verräterisch und ihr schelmisches Grinsen tat ihr übliches. „Naja...wir sind zusammen und seit heute bin ich irgendwie Mitglied vom Club...also, eher Eigentum", erklärte ich ihr und drehte mich mit dem Rücken zu ihr, sodass sie den Patch lesen konnte. „Ich freu mich für dich, ehrlich, aber findest du das nicht ein wenig...sexistisch?" „Dass ich dem Club gehöre?" Sie nickte und legte den Lappen beiseite. „Ja, schon, aber irgendwie ist es eine riesen Ehre, überhaupt dazuzugehören", meinte ich, während ich noch den Auspuff abwischte und dann den Lappen in die Ecke schmiss. „Das versteh ich Süße", meinte Annie lächelnd und strich mir über den Rücken, „aber pass bitte auf dich auf, mh?" „Mach ich", lächelnd stand ich auf, schlang meine Arme um sie und gab ihr einen Kuss auf die Wange.
Als wir die Haustür hörten, schossen wir auseinander und Annie sah mich mit großen Augen an. „Gib mir die Kutte. Ich bring sie dir nachher." Hastig zog ich die Kutte aus, drückte sie Annie in die Hand und verschwand schleunigst aus der Garage. „Hallo Mum", meinte ich etwas zu fröhlich, weshalb sie mich prüfend ansah. „Du bist schon da? Wie wars bei Jessicas Party?" Kurz überlegte ich, weshalb ich bei Jessica sein sollte, bis mir einfiel, dass ich ja eigentlich zu ihrer Geburtstagsparty eingeladen war. „Es war...cool, echt toll", log ich und versuchte unauffällig zur Treppe zu gelangen. „Das freut mich", meinte meine Mutter, wobei sie eher weniger nach Freude klang. Ich polterte die Treppe nach oben und ging in mein Zimmer, wo meine Kutte bereits auf meinem Bett lag.
In der nächsten Woche trafen sich Leo und ich eher unregelmäßig, was daran lag, dass ich viel mit der Schule zutun hatte und er viel in Denver unterwegs war, wegen einem ihrer Drogendinger. So hatte ich mir fürs Wochenende einfallen lassen, dass Annie und ich zusammen wegfahren würden, wobei Annie nur zu ihrem Freund fuhr. Vor lauter Aufregung, war ich wieder einmal die Erste im Schulbus. Unruhig wippte ich mit dem Bein, wartete ungeduldig darauf, dass der Bus schneller fuhr und ich endlich das letzte Stück zu meinem Haus rennen konnte. Annie wartete bereits auf mich, weshalb ich an ihr vorbei, die Treppe nach oben hastete, meine Kutte überwarf und meinen Rucksack nahm. Sie würde mich heute bei den Jungs absetzten und, sie gab es zwar nicht zu, aber sie war genauso aufgeregt wie ich. Sie fuhr einen hellrosanen 55er Chevrolet Bel Air und bis auf die Farbe, war das Auto ein absoluter Traum. Sie startete den alten, knatternden Motor und wartete, dass ich endlich einstieg. Ich schmiss meinen Rucksack auf die Rückbank und setzte mich in das Auto, natürlich nicht, ohne mir den Kopf anzustoßen. „Also. Wohin?" „Crown Point", antwortete ich und schrieb Leo, dass ich gleich da sein würde. „Dort? Da hat Sean sich doch immer rumgetrieben." Ich grinste sie an, wissend, dass Sean es auch bei der Western Legion versucht hatte. „Ernsthaft? Ihr sucht euch den gleichen Club aus?" Ich zuckte entschuldigend mit den Schultern und lachte. „Das muss doch was heißen", meinte ich lächelnd und sah aus dem Fenster, wartete ungeduldig darauf, dass wir endlich da sein würden. „Hup zweimal bevor wir reinfahren", klärte ich sie auf und packte mein Handy weg. „Wieso?" „Tus bitte einfach." Ich sah sie gespielt streng an, woraufhin sie nach Crown Point abbog und zweimal hupte, bevor wir die Wendeschleife erreichten. Annie staunte nicht schlecht, als sie die große Siedlung sah, samt Werkstatt, Arztpraxis und kleinem „Festplatz". „Wir sehen uns am Montag", meinte ich lächeln, drückte ihr einen Kuss auf die Wange und stieg aus. Eher zögernd fuhr Annie los und aus Leo auf mich zukam und mich küsste blieb sie kurz stehen, wahrscheinlich um einen Blick auf ihn zu erhaschen. „Feuerprobe bestanden", fragte er scherzhaft und legte seine Arme um mich. „Ich denke schon, sie ist zumindest nicht ausgestiegen und hat dich angeschrien", antwortete ich ebenso amüsiert und küsste ihn nochmal kurz. „Was steht für heute an?" Er schien zu überlegen. „Hallo? Erde an Leo." Ich wedelte mit meiner Hand vor seinem Gesicht herum, bis er sie in seine nahm und mich mitzog. „Wir müssen nochmal nach Pioneer Creek. Die Dächer müssen noch gedeckt werden", erklärte er und setzte sich auf sein Motorrad. Ich nahm hinter ihm Platz und sah mich um, sah die immer noch verwirrten Gesichter der anderen. „Annie hat sie ganz schön aus der Ruhe gebracht", bemerkte ich, als Leo den Motor startete und losfuhr. „Naja, wir sehen eher selten rosane Oldtimer", meinte er lachend und gab Gas. Ich schmiegte mich an ihn und begann ihn zu kitzeln. Er begann leicht zu lachen, nahm meine Hand und legte sie zurück an seine Hüfte. „Wenn du das weiter machst, nehm ich dich nicht mehr mit. Dann kannst du hinterher rennen." „Du bist gemein", scherzte ich liebevoll und fuhr mit meiner Hand zaghaft unter sein Shirt. Seine Bauchmuskeln spannten sich an, doch diesmal sagte er nichts, weshalb ich meine Hand dort ließ und die Fahrt genoss. Kurze zwanzig Minuten später waren wir schon da, weshalb Leo sein Bike abstellte und wir zu den anderen gingen. „Wie weit seid ihr", rief er zu den anderen aufs Dach. Ein älterer, etwas dicklicher Mann, der mir als Attila vorgestellt wurde, beugte sich zu uns runter und begann zu lachen. „Keine Sorge, wir haben euch noch genug Arbeit übrig gelassen" feixte er und nagelte weiter die Schindeln an. Eifrig schnappte ich mir einen Werkzeuggürtel, legte ihr mir um und steig aufs Dach. Leo schüttelte nur lächeln den Kopf und saß kurze Zeit später hinter mir. „Wie kann man nur so nach Arbeit geiern", fragte er amüsiert und schlug die Schindeln fest. „Naja, meine Mum hat mich nie was machen lachen, aber mein Dad hat mir gezeigt, dass handwerkliche Arbeit auch Spaß machen kann. Beim Jagen musste ich immer die Hirsche ausnehmen...", erklärte ich lächeln, wobei mich der Gedanke aber auch irgendwie anwiderte, „...das war immer echt wiederlich, aber es gehört halt dazu, so wie das hier", ich erhob den Hammer, „und wenn ich es einfach so annehme, wie es ist, macht es Spaß." „Du warst jagen", fragte Leo gespannt. „Ja, ziemlich oft und ziemlich gut. Ich hab ne super Trefferquote", meinte ich grinsend und sah ihn an. Attila lachte daraufhin ein gehässiges Lachen. „Nimm dich in Acht Leo, die Kleine weiß, wie man mit 'ner Flinte umgeht." „Ich merk das schon", meinte er lachend und sah mich an, den Blick voller Liebe und Stolz.
Nachdem wir mit dem Dach fertig waren, ging ich nach drinnen, in die große, hölzerne Lodge, in der Martha wohnte. Leo hatte mir gesagt, dass sie als eine Art Clubhaus dient. Die Lodge ist also die Kommandozentrale des Clubs. „Na Süße, ist heiß draußen, was", fragte mich einer. Es dauerte einen Moment, bis mir einfiel, dass er Rider hieß, oder zumindest so genannt wurde. „Weißt du, du könntest auch mal etwas für mich machen", meinte er schmierig und kam mir etwas näher. „Machs dir selber, Rider, und lass mich in Ruhe", meinte ich ernst und schob ihn beiseite, sodass ich in die Küche konnte. Dort angekommen, lehnte ich mich an die Theke und wartete, bis der Schauer endlich vorüber war. Es lief mir eiskalt den Rücken hinunter. Immer noch angewidert, holte ich mir ein Wasser aus dem Kühlschrank und ging wieder nach draueßen, wo ich Rider sah, der mich mit seinem schmierigen Blick verfolgte. „Wir werden heute Nacht hier bleiben", meinte Leo zu mir und deutete auf die Lodge. „Dein Rucksack ist schon oben." Verwirrt sah ich ihn an. „Rider hat ihn hochgebracht", erklärte er mir und lief bereits zurück zu dem Rohbau vom Haus. Wieder huschte mir ein Schauer über den Rücken, doch ich ignorierte das Gefühl und folgte Leo.
Der Abend brach schnell herein, weswegen wir dann alle gemeinsam in der Lodge saßen und aßen. „Ich freu mich, dich häufiger zu sehen, Sophia", meinte Martha liebevoll, wobei sie mir über die Schulter strich und mich anlächelte. „Wir alle freuen uns", meinte Rider, ein süffisantes Grinsen auf den Lippen. Ich sah zu Leo, welcher kurz verunsichert schien, sich dann aber wieder mir zuwandte. „Ich freu mich besonders", flüsterte er und küsste mich. „Nehmt euch ein Zimmer", rief Ranger durch den ganzen Raum, und bewarf uns mit einer Serviette. „Na gut", meinte Leo nur, stand auf und warf mich über seine Schulter. Ich schrie vor Schreck kurz auf, versuchte aber nicht, mich zu wehren, sondern ließ mich einfach Baumeln. Er schlug mir vor versammelter Mannschaft auf den Po, weshalb ich nochmals kurz aufschrie, dann aber zu lachen begann. Rider fixierte mich mit seinem Blick, doch ehe ich mich darauf versteifen konnte, hatte Leo uns bereits aus dem Raum getragen und war auf dem Weg nach oben.

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