Leo

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Eine Woche war es her, dass dieser Dreckskerl Sophia angefasst hatte und eine Woche hatte ich ihn im ganzen Bundesstaat gesucht, bis ich endlich fündig geworden war. Ich hatte Sophia heute aus der Schule abgeholt, von wo aus wir direkt nach Crown Point gefahren waren. Eagle hatte mir gesagt, dass Rider immer noch in einem kleinen Camp bei Wichita Mountain unterkam und sich dort vor uns versteckte. Ich würde die Chance nutzen und ihm seine Lektion erteilen. Sophia war seit dem Vorfall still geworden, sie traute sich nicht mehr so viel vor den Jungs und versteckte sich häufig in meiner Hütte, das machte mich wütend. „Leo?" Sie sah mich wieder aus ihren unschuldigen Augen an und nahm meine Hand. Etwas gedankenverloren sah ich sie an, doch sie schien zu bemerken, dass ich ganz woanders war. „Hör auf dir Gedanken zu machen, es ist alles okay", beteuerte sie, wobei sie mit ihrem Daumen über meinen Handrücken strich. „Sophia, hör auf, das dauernd zu sagen. Es ist nichts okay, ich seh es dir doch an", antwortete ich wütend und entzog ihr meine Hand. In ihrem Gesicht spiegelte sich ihre Überraschung und gleichzeitig ihre Trauer wieder, verdammt, ich liebte dieses Mädchen wirklich. „Es tut mir Leid, ich kann da nur nicht drüber wegsehen", meinte ich ehrlich und zog sie in eine Umarmung. Sie schlang ihre Arme fest um mich und vergrub ihr Gesicht an meiner Brust. „Ich muss für meine Prüfung lernen", murmelte sie, weshalb ich sofort wieder lächelte. Es war unglaublich, wie zuverlässig sie sich doch um die Schule kümmerte. „Scheint, als ob mein Einfluss auf dich doch nicht so schlecht ist", meinte ich scherzhaft, woraufhin sie leicht lachte. „Tja, es braucht ne Weile, um mich zu brechen." Sie löste sich von mir und sah mich lächelnd an, wobei immer noch ein kleiner Grind auf ihrer Lippe zu sehen war. Sie ging in meine Hütte und für einen kurzen Moment dachte ich, sie würde die Tür hinter sich schließen und drinnen bleiben, doch dann kam sie wieder raus und setzte sich vor dem Feuer auf die Couch. „Mach dir keine Sorgen, sie wird schon drüber weg kommen", meinte Rickie alias Ranger und legte eine Hand beruhigend auf meine Schulter. Vorsichtig nickte ich, entzog mich ihm und ging zu Manny, der Hilfe bei einem Bike brauchte. Ich Hintergang Ranger und missbrauchte sein Vertrauen, doch zu allem Übel hörte ich nicht auf die warnenden Worte meines Bruders. „Hey Leo, cool, dass du kommst. Ich brauch Teile aus der Stadt", meinte Manny und drückte mir einen Zettel in die Hand. „Besorg ich dir, aber lass das Bike ganz", sagte ich grinsend und zeigte auf das Motorrad, welches gänzlich zerlegt war. „Willst du es machen?" Abwehrend hob ich die Hände und lachte laut auf. „Nee, lass mal. Ich will mir nicht die Finger schmutzig machen." „Pussy", rief er mir hinterher, weshalb Sophia etwas verwirrt hinter der Lehne hervorsah. „Ich muss in die Stadt, kommst du klar", fragte ich sie, während ich mich über die Lehne lehnte und in ihre Unterlagen sah. War ich froh, dass ich die Schule abgebrochen hatte. „Ich komm klar, keine Sorgen", lächelte sie und küsste mich kurz, wobei mein Herz kurz schneller schlug. Was auch immer dieses Mädchen mit mir machte, es war bestimmt nicht gesund.
Ich brauchte in der Stadt länger als erwartet, weshalb ich erst gegen Abend in die Siedlung zurückkehrte. Sophia und die anderen standen um den Grill herum und lachten und scherzten. Es war schön, sie wieder so zu sehen, als Teil des Clubs, doch das würde nichts an meinem Vorhaben ändern. Wir aßen zusammen und Ranger beschloss, noch kurzfristig eine Besprechung einzuberufen. „Ich geh schon rein, während ihr euer Zeug macht", meinte Sophia, weshalb ich sie fragend ansah. „Ich lern noch ein wenig", erklärte sie schließlich und ich verstand. „Du kannst dann schon schlafen gehen, es könnte später werden." So verschaffte ich mir die nötige Zeit, die ich brauchen würde. Sie nickte und wollte schon verschwinden, ehe ich sie an der Hand fasste, zu mir zog und meine Lippen sanft auf ihre legte. Sie seufzte leise gegen meinen Mund, was mir ein Lächeln entlockte. „Bis später, Süße", meinte ich, und ließ sie los. Die Besprechung war tatsächlich länger als gedacht und zudem auch ziemlich langweilig, weshalb ich mich vorzeitig abmeldete und nach draußen zu meinem Bike ging. Ich startete den Motor und fuhr los. Auf halber Strecke nahm ich mein Handy und wählte Eagles Nummer. „Eagle hier, ich seh alles", ging dieser ans Telefon, weshalb ich lachend den Kopf schüttelte. „Wie lange willst du das eigentlich noch durchziehen", fragte ich belustigt und hörte ein Lachen am anderen Ende der Leitung. „Keine Ahnung, aber es lockert zumindest immer die Stimmung auf." „Ist Rider immer noch in der Hütte auf dem Wichata Mountain", fragte ich dann doch ernst. Am anderen Ende hörte man ein Rascheln, dann ein knacken, dann war alles still. „Ja. Alles unverändert, er macht sich gerade ein Omelette." „Moment..." Ich stutzte, woher wollte er das wissen. „Eagle, beschattest du ihn etwa?" „Hey, ich werd für gute Arbeit bezahlt, da liefer ich auch gute Arbeit", meinte Eagle und legte dann auf. Ich gab etwas Gas und bog auf die Schotterstraße, die zu der Wanderhütte führte. Ungefähr 100 Meter vor der Hütte ließ ich mein Motorrad stehen, nahm mein Jagdmesser aus meiner Satteltasche und zog es aus der Hülle. In der glänzenden Klinge spiegelte sich das Mondlicht, brach sich an dem Sägerücken im Messer und blendete mich. Ich machte mir das Holster um den Oberschenkel und steckte das Messer zurück. Ich brauchte nicht einmal mehr groß über den Vorfall nachzudenken, um nicht eine tiefe Abscheu gegen Rider zu empfinden. Wütend stieg ich die letzten Meter bergauf, wissend, dass Eagle mich bereits gesehen hatte. Hinter der Kurve entdeckte ich die Hütte, in einem Fenster brannte eindeutig licht. Ich machte eine abweisende Handbewegung, Eagle würde es gesehen haben und hoffentlich verpisste er sich jetzt auch. Als ich vor der Tür stand atmete ich kurz tief durch, ehe ich diese mit einem kräftigen Tritt aus den Angeln trat. Rider sah erschrocken von seinem Omelette auf, sein Gesicht noch komplett geschwollen und Blau. „Was willst du hier? Keinen Bock mehr auf deine Schlampe", fragte er provokant und schob sich einen weiteren Bissen in den Mund. „Ich werd dir dein beschissenes Maul stopfen", drohte ich, machte ein paar Schritte auf ihn zu und packte ihn am Kragen, nur, um ihn unsanft gegen die Wand zu drücken. „Na los, stech mich schon ab." „Das hättest du gerne." Er holte mit seinem Kopf aus, schlug gegen meinen, weshalb ich ihn losließ und er mich überrumpelte. Ich schlug ihm wieder ins Gesicht, genau auf die Wunden, sodass er vor Schmerz zurückwich. Ich schubste ihn nach hinten, er landete auf dem Boden und sah mich an. Mit aller Kraft trat ich auf seinen rechten Arm, weshalb er aufschrie, und versuchte sich mir zu entziehen. Ich kniete mich hin, meinen Fuß weiterhin auf seinem Unterarm, und zog mein Messer aus meinem Holster. „Was?...was hast du vor?" Seine Augen wurden groß vor Angst, fast flehend sah er mich an. „Leo...hör auf...wir waren Brüder", beteuerte er, und flehte mich an. „Ja, waren. Und das ist für das, was du meinem Mädchen angetan hast", meinte ich wütend, setzte mein Messer an und trennte ihm die Hand ab. Er schrie, wand sich unter mir, versuchte wegzukommen, doch ich ließ ihn nicht, er sollte wissen, wie Sophia sich gefühlt haben musste, schutzlos, ohne Ausweg. „Und die", ich hielt seine blutige Hand in meiner, „verfütter ich an irgendein Vieh." Er sah zu seiner Hand, weshalb er noch mehr schrie und von mir wegrutschte. Ich griff in meine Tasche, zog einen Verband heraus und warf ihm das Päckchen hin. „Wenn du Sophia auch nur noch einmal ansiehst, schneid ich dir die andere auch noch ab", drohte ich und verließ seine Hütte. Seine Hand warf ich in den angrenzenden Fluss, sollten sie sich doch die Fische holen. Ich stieg wieder auf mein Bike und fuhr davon. Auf meinem Shirt waren Blutflecken, weshalb ich mit der Hand drüber wischte, was das Ganze jedoch nicht besser machte. Ich hoffte nur, dass Ranger und die anderen mir jetzt nicht mehr in die Quere kamen.
In der Siedlung angekommen, stellte ich mein Motorrad zu den anderen und ging leise in meine Hütte. Die Lichter waren alle aus, weshalb Sophia mit Sicherheit schon schlief. Jetzt, nachdem ich getan hatte, was ich tun musste, fühlte ich mich besser, ausgeglichener. Leise schlich ich ins Schlafzimmer und da lag sie, schlafend auf ihren Unterlagen ein Bein in der Decke verheddert und ihren Kopf auf meinem Kissen. Ich zog meine Kutte aus und hing diese an einen Haken, als sich Sophia in meinem Bett regte und mich ansah. Ehe ich aus dem Schlafzimmer gelange, hatte sie das Licht eingeschalten und sah mich an. „Wo warst du so la-...was ist passiert?" Sie schien mit einem Mal hellwach, als sie das Blut an meinem Shirt und an meinen Händen sah. „Leo...was ist passiert?" Sie rutschte zu mir hin, kniete vor mir auf dem Bett und sah mich an. „Nichts, es ist alles gut. Mach dir keine Sorgen", winkte ich ab und ging ins Bad, um mich zu waschen. Unterwegs zog ich das Shirt aus, überlegte kurz, es zu waschen und schmiss es schlussendlich weg. Sophia tapste mir hinterher und hielt mich am Arm fest. „Was hast du gemacht", fragte sie ernst, wobei ich wusste, sie würde mich nicht gehen lassen. „Du warst bei Rider, oder?" „Sophia, er hat es verdient", meinte ich entschuldigend, löste mich von ihr und wusch mir das Blut von den Händen. „Du hast ihn umgebracht", fragte sie ungläubig, wobei sie immer lauter wurde. „Was? Nein. Er soll ruhig damit leben", meinte ich kühl und spritze mir etwas Wasser ins Gesicht. „Leo ich hab dich nicht darum gebeten"meinte sie wütend und starrte mich an. „Ich weiß", schrie ich sie an, weswegen sie zusammenzuckte. „Niemand hat mich darum gebeten. Es war für mich. Ich wollte die Genugtuung haben. Und weißt du was? Es hat sich gut angefühlt", schrie ich und lief zurück ins Schlafzimmer. „Es ist mir egal, dass ich damit gegen Rangers Verbot verstoßen habe, aber verdammt, er hat dich angefasst. Er hat dich geschlagen und ich soll ihn einfach laufen lassen?" „Es geht dir also um Ehre?" Tränen standen in ihren Augen und ich wusste nicht, ob sie nicht jeden Moment gehen würde. „Nein verdammt. Es geht mir um dich. Ich liebe dich und er hat nicht einfach das Recht dich anzufassen. Er wird nie wieder eine Frau schlagen, erst recht nicht dich", meinte ich jetzt entschieden leiser und stützte mich auf mein Bett auf. „Leo es ging mir nie darum, jemanden zu verletzen. Ich war vielleicht etwas durcheinander danach, aber ich wollte das nicht." „Verdammt nochmal, ich aber! Ich kann es nicht sehen, wenn dir weh getan wird und vielleicht ist es ziemlich konservativ, aber manchmal ist ausgleichende Gerechtigkeit das einzig sinnvolle." Schwer seufzend setzte ich mich auf das Bett und legte meinen Kopf in meine Hände. Leise kam Sophia zu mir getappst, blieb vor mir stehen und legte ihre Hände auf meine Schultern. Langsam fuhr sie über die nackte Haut, fuhr die Linien meiner Tattoos nach und stoppte irgendwann, sodass ich sie ansah. „Ich liebe dich auch."

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