Kapitel 3

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Ich konnte meine Augen nicht öffnen. Mein eines Bein fühlte sich so an, als wäre eine Horde Bisons drüber getrampelt. Einen anderen, passenderen Vergleich gab es für mich gerade nicht. Ich konnte noch nicht einmal ausmachen, ob es das linke oder rechte Bein war, solcher Schmerz durchflutete mich.

Einfach so. Von einem Moment auf den anderen.

Hatte ich das alles nur geträumt? Reglos und nicht in der Lage, meine Augen zu öffnen, tastete ich mit der linken Hand nach etwas kleinem in meinem Bett. Die andere Hand konnte ich nicht bewegen, denn ein eiserner Schmerz hielt mich davon ab. Ich spürte das gläserne Fläschchen, in dessen Mitte sich eine unausgeglichene Flüssigkeit hin und her wogte.

Das war also doch kein Traum gewesen. Die Erkenntnis durchflutete mich und ließ mich, noch verwirrter als vorher, umbarmherzig zurück.

Was nun? Erst einmal versuchen, die Augen zu öffnen... Sinne schärfen.

Wo bist du, Luna?

Ich strengte mich unwahrscheinlich an, meine Augenlider zu heben, bis ich sie irgendwann zu einem Schlitz geöffnet hatte. Grelles künstliches Licht drang durch meine Augen bis in meinen Kopf und ich schloss sie sofort wieder. Da waren Stimmen.

„Hat sie gerade die Augen geöffnet? Hat sie sich etwas gebrochen?", hörte ich eine mir wohlbekannte Stimme sagen.

Ich schlug schwach und mit mehr Kraftaufwand, als ich es für möglich gehalten hatte, die Augen auf und erkannte zwei Gesichter, die sich über mich beugten. Das eine Gesicht gehörte meiner besten Freundin Anthony und dann war da noch ein fremdes Gesicht, was ich nicht kannte. Wahrscheinlich war das eine Ärztin. Schummrig versuchte ich mich aufzurichten, fiel jedoch gleich wieder zurück in mein weiches Krankenbett.

Es ging mir mächtig dreckig.

„Nun mach mal langsam! Bleib erstmal noch liegen, du hast viele schwere Verletzungen davongetragen." Das war die Stimme der Ärztin. Ich schaute sie mir zum ersten Mal richtig an, sie hatte ein rundliches Gesicht mit einigen Sommersprossen und wirkte selbst noch sehr jung. Meine Freundin tätschelte mir vorsichtig die Stirn.

„Wie geht es dir, Luna?", fragte sie besorgt.

„Ich... mein Bein tut weh... Und meine Hand, meine rechte." Die Finger meiner linken Hand schlossen sich fest um das Fläschchen, ich wollte auf gar keinen Fall, dass sie mitbekamen, woher es kam und was es hier machte.

Mir traten Tränen in die Augen, welche meine Wangen innerhalb kürzester Zeit heruntertropften. Wütend darüber, dass ich weinen musste, biss ich die Zähne zusammen.

„Ist schon gut... Du bekommst gleich ein Schmerzmittel. Du hast volle 35 Stunden geschlafen, Luna." Damit verließ die Ärztin den hell erleuchteten Raum und schob Anthony mit hinaus. Ich wollte schon protestieren, mir fehlte jedoch schlicht und ergreifend einfach die Kraft dazu.

Meine Beine fühlten sich bleischwer an und generell hatte ich das Gefühl, ich würde gleich vor diesem neuen brennenden Schmerz, der mich wie eine Welle mitriss, zerplatzen.

Also überlegte nicht lange und zog langsam das Fläschchen unter meiner Decke hervor, bevor ich noch mehr Tränen vergießen konnte. Die Flüssigkeit glänzte immer noch und ich zupfte den Deckel vorsichtig vom Glas, bevor ich einen kräftigen Schluck trank.

Es konnte mich vergiften. Oder eben heilen, so wie Izumi gesagt hatte. Etwas Schlimmeres als diesen Schmerz hier, konnte ich mir nicht vorstellen, also entschied ich mich für das Trinken dieses Wundermittelchens.

Es schmeckte unerwartet sauer und ich bekam eine Gänsehaut vom Rücken bis in die Arme, langgezogen wie eine sich im Körper windende Schlange. Sie breitete sich wie ihr Gift in meinem ganzen Körper aus, nur, dass es gar kein Gift war, sondern mir guttun würde.

Das hoffte ich zumindest.

Izumi hatte gesagt, es würde gegen die Schmerzen helfen. Oh bitte, lass es der Wahrheit entsprechen.

Also legte ich das Fläschchen unter mein Kopfkissen und wartete.


Torquecrea- Schatten und Licht 🔹Zurzeit pausiert🔹Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt