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Jaro tippte mich an. „Wir würden dich jetzt zu Izumi bringen. Nur, dass du Bescheid weißt. Aber... Vermutlich wäre es besser, wenn du..." Er schaute an mir herab. „Also..."

Seine Schwester kam ihm zu Hilfe. „Wir müssen dir noch etwas passendes zum Anziehen suchen. Denn so..."Sie deutete auf mein durchnässtes schwarzes Top und meine Haare, die sie widerspenstig kringelten- „...kannst du keinen Palast betreten, Luna."

Peinlich berührt zwang ich mich zu einem Lächeln. Nori hielt mir eine Hand hin und ich betrachtete einen Moment lang ihre perfekten langen Finger. Innerlich seufzte ich.

Dann ließ ich mich von ihr auf die silberglänzenden Kieselwege ziehen.

Die kleinen Laternen erhellten die Wege und ich betrachtete staunend, wie sie breiter wurden und sich schließlich zu einer Art Straße weiteten. Als ich aufschaute, sah ich kleine, wie aus Glas bestehende Häuschen, die aber allesamt einen bläulichen Schimmer besaßen. Ich entdeckte in den Schaufensterscheiben vielerlei Dinge, unter anderem kleine Täschchen und Anziehsachen, sowie Bücher und Zeitschriften. Es sah ungewohnt normal aus, bis ich die ersten Wesen wahrnahm. Sie hatten genauso spitze Ohren wie Jaro und Nori und sahen aus wie Elfen ohne Flügel. Ein bisschen ähnelten sie sogar Menschen, aber sie waren um einiges hübscher. Fast jedes Wesen, das ich sah, konnte in meiner Welt einer Modelagentur entsprungen sein.

Unwillkürlich spürte ich Blicke, die mich musterten und hörte praktisch schon das Flüstern über mich. Wieso wurde ich angestarrt? Nori zerrte mich durch eine Tür, worüber ich ziemlich froh war, denn so konnte ich den neugierigen Blicken ausweichen.

Ich sah mich um. Wir waren in einer Art Laden gelandet, denn überall hingen die schönsten Sachen und Kleidung in allen Farben und Formen. Warmes Licht durchströmte den Raum und hinterließ ein wohliges Gefühl in meiner Magengrube.

„So, hier besorgen wir dir jetzt etwas zum Anziehen.", raunte mir Nori zu. Ich sah mich um und fröstelte, denn mein Top war immer noch klatschnass.

Jaro bemerkte, dass ich eine Gänsehaut gekriegt hatte und wandte sich mir zu. „Frierst du? Ich kann dir ein Handtuch zum Abtrocknen bringen, wenn du willst." Etwas verlegen kratzte er sich am Kopf. „Tut mir echt leid. Das war ein bisschen verantwortungslos von mir..." Entschuldigend sah er mich an.

„Ist doch kein Problem, ich bekomm ja jetzt eh etwas Neues zum Anziehen.", grinste ich schief. „Aber gegen ein trockenes Handtuch hätte ich trotzdem nichts einzuwenden."

Daraufhin lächelte er kurz und verschwand in einem Nebenraum. Kurze Zeit später kam er mit einem großen roten Handtuch wieder und legte es mir um die Schultern.

„Danke." Augenblicklich durchfuhr mich ein wärmendes Gefühl und ich kuschelte mich in das Handtuch. Dann rubbelte ich meine Arme und Beine trocken. Nori war inzwischen irgendwo hinter einem Kleiderstapel verschwunden. Ich ging um den Stapel herum und ließ meine Finger über ein glänzendes Stück Stoff fahren, das auf der Spitze lag. „Nori? Wo bist...", fing ich an, als ich von ihr unterbrochen wurde.

„Hier, ich glaube, ich habe das perfekteste aller perfekten Kleider für dich gefunden!" Noris Kopf erschien aus den Tiefen des Kleiderstapels. Stolz hob sie ein hellblaues, langes Kleid hoch, welches über und über mit weißen Stickereien verziert war. Es war schulterfrei und hatte silberglänzende Säume.

Mir fielen fast die Augen aus dem Kopf. Dieses Kleid würde ich nicht anziehen. Keine Frage, es war wunderhübsch, aber Kleider waren nicht meins. Kopfschüttelnd versuchte ich Nori klarzumachen, dass ich einfach nicht geeignet für Kleider war. Kleider und ich waren auf Kriegsfuß. Zumindest bis jetzt und ich sah keine Not, daran etwas zu ändern.

Doch Nori war da offenbar anderer Meinung, denn sie redete eindringlich auf mich ein.

„Hör zu, du gehst zur Königin!" Ihre Stimme war dicht an meinem Ohr. „Das ist etwas Formelles und eine Geste, die sie zu würdigen weiß. Das hat natürlich absolut gar nichts damit zu tun, dass du sehr hübsch in dem Kleid aussehen würdest..." Nori fummelte am Reißverschluss des Kleides herum und lächelte mich strahlend an. „Du musst das anziehen, verstehst du?"

Ich verschränkte die Arme und sah sie trotzig an. „Aber ich habe Izumi doch schon gesehen! Und da habe ich auch das hier getragen.", antwortete ich mit einem leicht provozierenden Ton und zeigte auf mein schwarzes Top. Doch Nori ließ sich nicht davon abbringen. Sie drückte mir das hellblaue Kleid in die Hand und schob mich in eine Umkleidekabine. Dann zog sie den Vorhang zu und stellte sich davor.

„Ich gehe nicht weg, ehe du das Kleid nicht angezogen hast." Sie redete etwas leiser, als sie sich ihrem Bruder zuwandte. „Manche Leute muss man zu ihrem Glück zwingen. Sie wird umwerfend aussehen, sie weiß es nur noch nicht."

Seufzend machte ich mich daran, den Reißverschluss des Kleides zu öffnen. Mein inzwischen ausgezogenes Top und meine Hose hing ich an einen Haken in der geräumigen Kabine. Dann schlüpfte ich in das Kleid. Der Stoff schmiegte sie praktisch an meine Haut und fühlte sich unglaublich weich an. Langsam sah ich hoch, denn ich wusste, dass vor mir ein Spiegel hing.

Ungläubig blickte ich zu dem Mädchen, das vor mir stand. Es war ungewohnt, mich in einem derart glänzenden Kleid zu sehen, noch dazu schulterfrei. Aber aus irgendeinem Grund gefiel es mir. Es saß wie angegossen und betonte meinen Hals, sodass dieser sehr lang wirkte.

Fast ehrfurchtsvoll betrachtete ich meinen Rücken, als ich Noris Stimme hörte.

Torquecrea- Schatten und Licht 🔹Zurzeit pausiert🔹Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt