Kapitel 4

32 5 8
                                    

„Beweg dich nicht. Versuch die Kälte zurückzuhalten und deine Angst zu unterdrücken. Lass sie ziehen. Bitte."

Er sah mich eindringlich an.

„Hörst du mich, Luna? Bitte, versuch deine Gedanken zu verschließen. Verriegele sie, als wenn du um deinen kostbarsten Schatz, den du besitzt, eine Mauer baust oder ein Schloss davorhängst. Niemand außer dir kann es öffnen. Niemand außer dir kann die Mauer durchdringen. Deine Gedanken gehören dir."

Völlig überwältigt von Jaros Anwesenheit versuchte ich zu tun, was er verlangte, obwohl meine Angst sich wie ein Dolch in meinen ungeschützten Körper bohrte. Sie fraß mich auf und ich konnte mich nicht dagegen wehren. Ich versuchte dennoch, dagegen anzukämpfen. Eine eisige Kälte durchzog mein Herz, es fühlte sich an, als wenn mein ganzer Körper unter einer Schneedecke begraben wäre. Jaro schien das auch zu spüren.

Er nahm mich in den Arm und seine Wärme strömte durch mich hindurch. Ich schloss die Augen. Wir saßen zusammengekauert unter einem Baum und ich versuchte, meinen Herzschlag unter Kontrolle zu kriegen. Sein Geruch und seine Wärme halfen mir. Mein Puls beruhigte sich, als ich mich entspannte, seine Wärme in mich aufsaugte und seinen vertrauten Geruch aufnahm.

Als ich entspannt genug war und dreimal tief eingeatmet hatte, öffnete ich meine Augenlider. Jaro saß immer noch neben mir und ich vergaß für einen Augenblick die finsteren Gestalten, als ich ihn ansah.

Ich betrachtete das kantige Kinn, erinnerte mich aber auch die manchmal weichen Gesichtszüge, welche sein Gesicht viel jünger wirken ließen. Nebel umhüllte uns und wir befanden uns in ihm wie zwei Fremdkörper.

„Besser?" Er richtete seine Augen auf mich und mein Puls beschleunigte sich wieder.

Verdammt.

Ich nickte tapfer.

„Die Gestalten, die du gesehen hast, sind Dämonen gewesen. Sie... Sie lauern hier noch irgendwo." Seine Augen flatterten unruhig zwischen mir und irgendeiner bestimmten Stelle im Nebel hin und her, wurden glasig, als erwartete er, die Gestalten würden auftauchen.

Meine Gedanken rasten mal wieder, so wie zu oft in den letzten Tagen. Dämonen gab es also auch wirklich. Na klar, warum auch nicht... Schließlich gab es auch eine Parallelwelt, warum also auch keine Dämonen?

Dann kehrte die Angst zurück und ich beugte mich vor, während ich versuchte, sie irgendwie aus meinem Kopf zu vertreiben. Ich wusste, dass Dämonen aus Angst und Grausamkeit ihre Kraft schöpften. Krampfhaft überlegte ich, dachte an schöne Sachen, dachte an Anthony, an meinen Vater, der mir früher als Gutenachtgeschichten immer von Fabelwesen erzählt hatte. Ich atmete stoßweise ein und aus und spürte, dass ich meine Furcht nicht länger unterdrücken konnte. Sie kam immer stärker, erreichte wie die Wellen eines Meeres immer schneller den Strand, und damit auch mich.

Dann sah ich eine Gestalt im Nebel. Schwarze Schatten stießen und tasteten sich vorwärts durch das Grau. Es waren keine normalen Schatten, sie bewegten sich so, als würden sie leben. Wie kleine Schlangen wanden sie sich und fanden ihren Weg direkt zu mir, manchmal zeigten sich stechende, gelbe Augen in ihnen. Sie bildeten einen gruseligen Kontrast zu der Schwärze, die sie umgab und wirkten inmitten des Nebels noch furchteinflößender.

Ich hielt den Atem an, unfähig, mich zu bewegen. Jaro erstarrte neben mir.

Mein Vater hatte mir von Dämonen erzählt. Sie waren die Verfleischlichung von Angst, schlechtem Gewissen, Wut, Furcht und Grauen. Der Dämon vor uns kreischte und Worte bohrten sich in meinen Kopf, als wären sie mir eingepflanzt. Das Grauen in meinem Kopf wuchs und wuchs, mit jedem Wort, was der Dämon zischte.

Lunaaaaa..... Lunaaaaaa......

So schwach und allein.... Vorerst, wenn sie es nicht schafft....

Verwirrt und nach Antworten durstend...

So wie dein Blut, nach dem wir gieren..... Du kannst Vanth nicht entkommen.

Vanth wird dich finden.....

Sie.... Wird.... Dich.....

FINDEN!

Eine kalte Gänsehaut durchzuckte meinen Körper. Ich starrte den Dämon immer noch an, unfähig, mich zu bewegen. Seine gelben Augen durchbohrten mich und die Pupillen wurden immer größer. Da waren Spiralen, die ganze Welt drehte sich.

Nur noch diese gelben Augen. Diese gelben...

Ja..... Gib auf Lunaaaa.....

Es gibt kein Entkommen!

Völlig benebelt und in Trance nickte ich. Ich tat es nicht freiwillig, mein Nacken wurde von Schatten eingehüllt und ich konnte nicht anders. Stimmen wirrten in meinem Kopf. Ich konnte nicht verstehen, was sie sagten, spürte aber trotzdem, was sie meinten. War das mein Ende? Mein Kopf drohte zu zerspringen, die Stimmen wurden immer lauter, immer eindringlicher.

Meine Hand krallte sich in Jaros Arm und er zuckte zusammen. Es gelang mir meinen Blick von den Augen zu lösen und ich sah zu ihm. Er schüttelte sich kurz.

Wie, als wenn er aus einem Traum erwacht wäre, bekamen seine Augen ihren Glanz zurück. Er verengte sie zu Schlitzen, die gefährlich funkelten. Ein Teil von mir fürchtete sich vor ihm. Er zog aus seiner Schwertscheide, die aus Leder gefertigt war, eine Klinge. Sie war mir vorher noch nicht aufgefallen. Es war ein Schwert, welches so poliert war, dass sich die Schatten und Dämonen darin spiegelten.

Jaro stand auf und fuhr mit der Klinge durch die Luft. Ein Zischen und Kreischen ertönte, als sein Schwert durch die Schatten sauste. Doch der Dämon kam immer näher und streckte seine aschfahlen Hände aus. Die langen schwarzen Finger wanden sich schlingernd und hinterließen eine eisige Kälte.

Ich sah panisch zu Jaro. Er bewegte seine Arme und Beine in einem solchem Einklang, sodass niemand daran zweifeln konnte, dass er ein guter Kämpfer und Offizier seines Kingdoms war. Jaro hieb mit seinem Schwert nach rechts und stellte sich wie ein Schutzschild vor mich.

Nachdem er noch ein paar Mal die Klinge seines Schwertes durch die Schatten sausen ließ, verstummten die Stimmen plötzlich, die ich gehört hatte. Erst langsam, dann immer schneller zogen sie sich zurück, bis sie schließlich ganz verschwanden. Erschöpft atmete ich tief ein, die plötzliche Stille wirkte geisterhaft im Gegensatz zu den schrillen Stimmen, welche sich in meinen Kopf gebohrt hatten.

Die angestauten Worte verließen nur mühsam meinen Mund. „Was wollten sie von mir?" Ich zitterte. „Dämonen... Wie? Warum waren sie hier?" Ich vergrub meinen Kopf in meinen Armen. Meine schwarzen Haare fielen mir über die Schultern. Anschließend hörte ich ein metallisches Geräusch und vermutete, dass Jaro sein Schwert zurückgesteckt hatte.

Torquecrea- Schatten und Licht 🔹Zurzeit pausiert🔹Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt