Kapitel 21

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Als sie sich bis zur Tür durchgeschoben hatte, beschleunigte Josie ihren Schritt und ging geradewegs zu der Treppe, die hinauf zu den Zimmern der Schüler führte. Schnell stieg sie die Stufen hinauf, bis sie am Absatz angekommen war, machte dort dann allerdings halt. Prüfend ließ sie ihren Blick den Flur hinauf und hinab wandern, um sicherzugehen, dass er völlig leer war. Zwar sollten alle Schüler noch immer unten sein und die Verleihung des Miss Mystic Falls Preises feiern. Trotzdem war Vorsicht besser als Nachsicht.

Da sie niemanden erblickte, ging sie weiter bis sie vor Hopes Zimmertür stehen blieb. Beide Mädchen hatten abgemacht, dass sie den Zauber nicht in Josies eigenem Zimmer durchführen sollte. Nachdem Lizzie nicht gewonnen hatte, konnten sie nämlich nicht riskieren, dass ihre Schwester in ihr Zimmer zurückkam und sie davon abhielt ihre Aufgabe zu erfüllen. Immerhin war es möglich, dass ihnen nur diese Chance blieb und sich ihnen danach keine weitere ergeben würde. Gerade waren schließlich alle unten beim Fest und damit abgelenkt.

Sie zog den kleinen Schlüssel hervor, den Hope ihr überlassen hatte, um damit die Tür zu öffnen und einzutreten. Schnell schloss sie die Tür wieder hinter sich und trat dann auf den Schreibtisch zu. Dort hatte Hope sowohl eine Kerze, als auch ein Messer für sie vor Beginn des Wettbewerbs bereits gelegt. Auch wenn sie es anfangs nicht gedacht hatte, war es gut jemanden zu haben, der mit ihr in dieser Sache steckte und sie unterstützte. Alleine wäre sie sicher nicht so weit, wie sie es mittlerweile ist und wäre vielleicht niemals auf die Idee gekommen es auf diese Weise zu probieren. Immerhin wurden sie in der Salvatore Boarding School gelehrt ihre Finger schwarzer Magie zu lassen und ihnen wurde nicht mehr beigebracht, als etwas zur Verteidigung. Nun da jemand mit dunkler Magie sie jedoch angriff, fühlte es sich nur richtig an Feuer mit Feuer zu bekämpfen. Außerdem musste sie zugeben, dass die dunkle Magie für sie schon immer in gewisser Weise faszinierend gewesen war.

Ihre Finger schlossen sich um die beiden Gegenstände und sie stellte die Kerze vor sich auf dem Boden ab. Ein bloßes Fingerschnippen genügte, um den Docht zu entzünden und eine helle Flamme entfachen zu lassen. Für einen Moment starrte sie einfach darauf, bevor sie sich erneut erhob und zu Hopes Nachttisch herüberging. Dort lag ein zusammen gefalteter Zettel, doch auch ohne die Worte zu lesen, wusste sie, was er enthielt.

Als sie danach griff, zitterten ihre Finger vor Aufregung leicht. Vielleicht wäre es doch besser gewesen, wenn Hope das hier durchführte und Josie sich von Emma Tig erwischen ließ. Immerhin kannte die Mikaelson den Zauber bereits, doch andererseits konnte Josie sich nicht so einfach von ihrem Vater erwischen lassen. Zu erklären wäre es sicher nur sehr schwer. Eine andere Wahl als es selbst zu versuchen blieb ihr also nicht. Allerdings war es nötig, dass sie noch eine Weile wartete, bevor sie den Zauber zu sprechen begann, sonst würde ihre Ablenkung dahin sein.

Sie warf einen Blick auf die Uhr, die auf dem Schreibtisch stand. Noch zwei Minuten, bevor es an der Zeit war. Vorsichtig faltete sie den Zettel auseinander und ließ ihre Augen über die Buchstaben wandern, die dort geschrieben standen. In Gedanken ging sie den Spruch durch, wagte jedoch noch nicht ihn auszusprechen.

Erneut fiel ihr Blick auf die Uhr. Noch eine Minute. Ihr Herz begann bei der Vorstellung endlich zu wissen, wer dahinter steckte und diese Person aufhalten zu können, schneller. Noch immer konnte sie sich keinen Reim darauf machen, wer es auf sie abgesehen haben sollte. Und besonders weshalb. Sie war die Saltzman Schwester, die von den Schülern lieber gemocht wurde und sie wusste nicht, wieso man versuchen sollte ihr zu schaden.

Noch ein weiteres Mal warf sie einen Blick in Richtung der Uhr, nur um zu erkennen, dass sie nun auch die letzte Minute verstrichen war. Für einen Moment setzte ihr Herz aus, als sie ihren Blick auf das Blatt senkte und es auf den hölzernen Boden legte. Dann legten ihre Finger sich um den Griff des Messers und schnitt sich damit leicht in ihre Handfläche, so wie es der Zauber von ihr verlangte. Ein leichter Schmerz zog sich bis hinauf in ihren Arm, doch es war nur ein kleines Opfer für das, was der Spruch ihr bringen würde.

Sie streckte ihre Hand über die Flamme und schloss ihre Finger zu einer Faust. Langsam begannen einzelne Blutstropfen über ihre Haut zu rinnen und in die Flamme zu fallen. Mit einem Zischen vermischte die Flüssigkeit sich mit dem hungrigen Feuer. Sie senkte ihren Blick auf den Zettel und begann abzulesen, was dort geschrieben stand. Kaum hatte sie das erste Wort ausgesprochen, färbte die Flamme sich in einem tiefen Blutrot und züngelte in die Höhe.Sobald sie den ersten Satz beendet hatte, spürte sie, wie Magie durch ihren Körper zu fließen begann. Hope hatte ihr vor der Veranstaltung erlaubt einen Teil ihrer Magie abzusaugen und nun konnte sie spüren, wie Hopes Energie durch ihren Körper floss und ihn zu beleben schien. Es war ein warmes und angenehmes Gefühl, das sie zuvor noch nie gespürt hatte. Jede Magie, die sie von jemandem nahm, ließ sie etwas anderes spüren, doch so wie bei Hope war es noch nie gewesen. Sie schien etwas genauso Besonderes an sich zu haben, wie Hope selbst besonders war.

Als sie zu einer Wiederholung des Spruches ansetzte, wurde um ihn herum für einen Moment alles schwarz, bevor vor ihrem inneren Auge ein völlig neues Bild auftauchte. Es dauerte einige Sekunden, damit sie realisierte, dass es genau das war, was passieren sollte. Sie versuchte ihren schnellen Herzschlag so gut es ging zu beruhigen und sich auf das zu fokussieren, was sie um sich herum sah.

Um sie herum erstreckte sich die Halle der Salvatore Boarding School, in der noch immer die meisten der Schüler, sowie die Gäste des Miss Mystic Falls Wettbewerbs zu sehen waren. Es war ein Gewirr aus Stimmen, das es Josie unmöglich machte sich auf eine von ihnen zu konzentrieren und der Blick der Person, durch deren Augen Josie sah, wurde schnell hin und her geworfen, was es ihr im ersten Moment unmöglich machte etwas Genaues zu erkennen. Dann schien sich die Person jedoch in Bewegung zu setzen und auf die Tür zuzugehen, durch die man zurück zum Hauptgang des Schulgebäudes gelangte. Dabei lief sie an einem Spiegel vorbei, der es Josie erlaubte einen Blick auf die Gestalt zu erhaschen.

In der spiegelnden Oberfläche erblickte sie ein Mädchen mit dunkelbraunem Haar und Augen in genau derselben Farbe. Ihre Haut war leicht gebräunt, doch ihr Gesicht hatte Josie noch nie hier gesehen. Dabei musste sie eine Schülerin der Salvatore Boarding School sein. Zumindest verriet das die Schuluniform, in die sie genauso gekleidet, war wie Josie selbst.

Ein weiterer Blick wurde ihr jedoch nicht gestattet, denn erneut wurde es um sie herum schwarz und kaum eine Sekunde später fand sie sich wieder in Hopes Zimmer wieder. Josies Atmung war flach, als sie kurz blinzelte und sich mit den Händen auf dem hölzernen Boden abstützte. Schnell pustete sie die Kerze aus und lehnte sich leicht zurück. Für einen Moment schloss sie ein weiteres Mal ihre Augen und erblickte ein weiteres Mal das Gesicht des Mädchens, das sich regelrecht in ihren Geist eingerannt hatte. Wer dieses Mädchen war, wusste sie nicht und sie hatte auch keine Ahnung, weshalb sie Josie in dieser Weise in ihren Träumen folterte, doch nun hatte sie die Möglichkeit endlich dafür zu sorgen, dass es aufhörte und sie in der Nacht wieder ruhig schlafen konnte. Ohne Hopes Hilfe hätte sie das allerdings vermutlich nie geschafft.

-

Gerade hatte Hope den Spruch zum letzten Mal gesprochen, da folg die Tür hinter ihr auf und brachte sie damit dazu den Blick über ihre Schulter zu werfen. Dort entdeckte sie Emma Tig, die sie mit ernstem Gesichtsausdruck ansah:"Hope Mikaelson, was zum Teufel soll das hier werden?"Hope versuchte ihr Gesicht nicht zu verziehen, als die Frau sie ansprach, doch tatsächlich hatte sie nur darauf gewartet, dass Miss Tig auftauchte. Immerhin war das der Grund gewesen, weshalb sie den Zauber überhaupt durchgeführt hatte. Ihre einzige Aufgabe war es von Josie abzulenken und sie damit zu schützen. Sie selbst konnte dafür ein bisschen Ärger in Kauf nehmen. So viel war es ihr wert, Josie dabei zu helfen die Person zu finden, die sie terrorisierte. Wenn nicht auch noch viel mehr. Mittlerweile war sie ihr mehr als nur wichtig geworden und sie half Josie nicht bloß nur noch, um zu beweisen, dass sie nicht diejenige war, die dahinter steckte.

„Du weißt, was jetzt kommt, oder?", Emmas Ton war vorwurfsvoll und machte eine Handbewegung, die der Tribridin klarmachte, dass es Zeit war das Zimmer zu verlassen, in dem sie sich aufgehalten hatte. Und tatsächlich wusste Hope es. Immerhin war es nicht das erste Mal, dass sie dabei erwischt wurde, wie sie dunkle Magie praktizierte. Auch, wenn es dieses Mal nicht in ihrem eigenen Interesse gewesen war. Emma konnte sie das auf keinen Fall wissen lassen und Doctor Saltzman erst recht nicht. Hätte Josie gewollt, dass ihr Vater es wüsste, hätte sie es ihm mit Sicherheit bereits selbst erzählt, und es stand ihr deshalb nicht zu ein Geheimnis zu verraten, das nicht ihres war.
„Du hast mir einiges zu erklären, Hope", fügte Miss Tig hinzu, während sie gefolgt von Hope über den Flur schritt.
„Ja, ich weiß", murmelte diese, während sie bereits dabei war sich in Gedanken eine möglichst gute Ausrede zurechtzulegen.

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