NINE

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Über meine Worte hätte ich mich verfluchen können. Am Nachmittag, als ich zu Hause war, machte ich mir jede Menge Gedanken, was auf mich zu kommen würde. Schließlich würde dies nicht von meinen Mitschülern unbemerkt bleiben. Zwar hatte ich den heutigen Tag herumgebracht, ohne dass jemand, außer Youngjae, bemerkte, dass ich zusammen mit Yugyeom den gemeinsamen Weg zu sich nach Hause lief. Aber dieser wusste auch darüber Bescheid, dass ich eingewilligt hatte am gestrigen Tag. Bauchschmerzen bekam ich dennoch, schon allein von dem Gedanken, dass davon auch nur ein einziger Mitschüler Wind bekam. Dann würden die Gerüchte doch verstärkt werden!

"Also wie wollen wir das machen? Eine Stunde Koreanisch, eine Stunde Mathe, oder wie ist das?", erkundigte sich der Größere, warf seine Mathe- und Koreanischhefte auf den Boden, auf welchen wir anscheindend lernen sollten. Ich musterte sie nur halbherzig, zog meine Augenbrauen zusammen.
"Ist mir egal.", murmelte ich, legte meinen Kopf in den Nacken.
"Sieh das doch nicht so gleichgültig, Manno man.", beschwerte er sich und strich sich seine Haare nach hinten.

Es war schon lustig zu hören, wie so eine Aussage von dem Jungen kommt, der sonst so desinteressiert tat und gefühlt nie Lust auf seine Mitmenschen hatte. Ich schüttelte meinen Kopf, setzte mich auf den Boden und wühlte ebenfalls meine Hefte heraus, die ich allerdings zu einem kleinen Stapel neben mich legte.

"Wie du meinst."
"Was ist genau dein Problem?"
"Wenn ich das wüsste, dann hätte ich es schon längst, ohne deine Hilfe anzunehmen, behoben."
Er zischte leise auf, schien zu überlegen. "Es ist nur zu deinem Gunsten. Wenn du nicht willst, dann helfe ich dir nicht. Dann will ich aber genauso wenig, dass du von dir gibst, ich habe dir nicht geholfen."
"Man könnte ja deinen tollen Ruf zunichte machen.", schnippte ich weiterherum. Eigentlich hätte ich bei solchen Worten schon längst einen Schlussstrich gezogen und mich somit wieder gefangen. Allerdings kannte ich derzeit keine meiner Grenzen und teste weiter aus, wie sehr ich Yugyeom stritzen konnte, ohne dass er aus seiner Haut fuhr. Ich war wohl noch immer frustriert und ließ es einfach an ihm aus.

"Ein Ruf ist nicht alles, was man zu verlieren hat. Wenn man seinen Charakter verliert, dann ist es viel schlimmer als so ein blöder, wiederaufbaubarer Ruf."
"Also was du nicht sagst. Du könntest beinahe Poet werden, bei deinen Worten, die du von dir gibst.", seufzte ich, mein Blick gegen den Teppich gerichtet und meine Finger schnippsend gegen diesen.
"Also fang dich bitte wieder, Kunpimook."

Still schweigend saß ich dann da, wie ein kleines, bockiges Kind, dessen Spielzeug weggenommen wurde. Bestimmt musste dieser Anblick für ihn todeslustig sein, denn irgendwann beschloss Yugyeom lauthals anzufangen mit Lachen, was mich innerlich erneut anspannte, ich aber meine Worte herunterschluckte, um nicht erneut genervt zu antworten.

"Süß, wie du versuchst bockig zu sein.", sagte er nach Luft schnappend. Ich blies meine Wangen auf, fing an mit Schmollen.
"Warum bist du so anders, als in der Schule? Ich versteh dich nicht."
"Das Gleiche könnte ich auch von dir behaupten."

Auf seine Worte erwiderte ich nichts, sondern blätterte orientierungslos in meinem Heft herum. Diese Stille machte mir zu schaffen, allerdings wollte ich nicht wirklich privat mit ihm Reden.

"Weißt du, ich bin nicht der, für den mich alle halten. Ganz und gar nicht. Ich bin froh, wenn ich die Schule hinter mir habe und keiner mehr ist, der in meinen Arsch kriecht, nur weil ich mich hinter einer Maske verstecke, die jeder mag.", erklärte er, weicht dabei gezielt meinem Blick aus. "Eigentlich bin ich so wie Jackson und Jaebum, die bei-"
"Die Kriminellen?", schnitt ich ihm das Wort ab. Er fing an schief zu grinsen, schüttelte jedoch sofort den Kopf.
"Jackson zockt den Leuten das Geld ab, beklaut sie sogar. Aber er macht das nicht für sich selbst, sondern spendet es an Kinder- und Jugendheime, weil... ja, wie soll ich sagen. Er hat selbst in einigen sein halbes Leben gewohnt und fande die Einrichtungen grausam von der Ausstattung her, die er besuchte. Jaebum und meine Wenigkeit versuchen ihn schon seit über einem Jahr davon abzubringen, mit seinen Spielchen aufzuhören. Aber sag mal einem Alkoholikkranken, dass er aufhören soll mit Alkohol trinken."
"Ich fühl mich irgendwie schlecht, dass ich ihn so eingeschätzt habe..", gab ich nach wenigen Sekunden zu, als Yugyeom seine Rede beendet hatte. Er lächelte.
"Musst du nicht. Jeder hat eine Last mit sich zu tragen, die ihn ausmacht. Die Eine ist größer, die Andere kleiner. Aber letztendlich sind wir auch alle nur Menschen und niemand ist schlechter oder besser wie der Andere."

𝗗𝗲𝗺𝗶𝘀𝗲𝘅𝘂𝗮𝗹 ✧ YUGBAMWo Geschichten leben. Entdecke jetzt