Die Wahrheit-Teil 4

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Sicht Tim
„Weißt du, wann Jan kommt? Er ist ja sonst auch schon immer etwas früher hier" erkundigt sich meine Mutter während wir im Garten den Tisch decken. Spontan entscheide ich, so zu tun, als ob ich ihre Frage nicht gehört habe und verschwinde ins Haus. Allein seinen Namen zu hören, tut weh. Ich glaube, nur zu wissen, dass er keine Gefühle für mich hat, wäre nicht so schmerzhaft als die Ankündigung, dass er mich nicht sehen will. Ich weiß gar nicht, ob er gleich hier auftaucht. Ratlos fahre ich mir durch die Haare und lasse mich auf mein Bett fallen. Erschöpft schließe ich meine Augen und merke, dass sich Henry neben mich legt. Mein Hund wird spüren, dass es mir nicht sonderlich gut geht. Die halbe Nacht lag ich wieder wach und sehe auch dementsprechend aus. Seit Tagen habe ich kaum geschlafen. Ich kann nicht mehr. Kraftlos kreise ich durch sein weiches Fell und spüre, dass er seinen Kopf auf meinem Bauch positioniert. Ich liebe diesen Hund so sehr. Er würde alles tun, damit es mir besser geht, da bin ich mir sicher. „Timilein, ist alles in Ordnung mit dir? Du gefällst mir gar nicht" ich schrecke zusammen als ich auf einmal die Stimme meiner Mutter wahrnehme. Schnell setze ich ein gekünsteltes Lächeln auf und reibe mir durch das Gesicht „Klar, ich bin nur müde" rede ich mich raus, doch sie zieht nur zweifelnd die Augenbrauen hoch „Sicher?" so überzeugend wie möglich nicke ich und setze mich auf, um mich fertig zu machen. „Naja, wenn was ist, du weißt ja, du kannst mir alles sagen" ich erwidere nichts. Garantiert werde ich mit ihr nicht darüber sprechen, dass ich mich in meinen besten Freund verliebt habe und er deswegen nichts mehr mit mir zu tun haben möchte. „Wann kommt Jan denn jetzt?" will sie wissen während ich im Badezimmer verschwinde. Wieder tue ich so als ob ich ihre Frage nicht gehört habe. Laut schalte ich die Musik ein und lasse mich auf den Badewannenrand sinken. Ich will seinen Namen nicht mehr hören. Ich will, dass es aufhört. Dieser Schmerz ist viel zu stark. Leise seufze ich und streife mir meinen Pullover über den Kopf, um ihn in die Wäsche zu werfen und mir das Hemd anzuziehen, welches wir zusammen auf Madeira gekauft haben. Ich darf meiner Mutter nicht ihren Geburtstag verderben. Für sie muss ich es so aussehen lassen als ob es mir gut geht. Kurzerhand schnappe ich mir deswegen mein Handy und tippe eine Nachricht an Jan. Meine Finger zittern als ich den Text schreibe. Wird er sie überhaupt lesen? Oder hat er mich vielleicht sogar blockiert? In den letzten Tagen haben wir gar nicht miteinander geschrieben. „Ja, ich komme, mache mich gleich auf den Weg" antwortet er nur einige Sekunden später und ich verstaue mein Handy wieder in der Hosentasche. Ich habe keine Ahnung, ob ich froh sein soll, dass er gleich hier auftaucht oder ob ich es besser finden würde, wenn er das nicht tut. Sicher ist nur, dass die nächsten Stunden definitiv nicht einfach werden und ich keine Ahnung habe, wie ich mich ihm gegenüber verhalten soll.

Gewitter im Kopf OSWo Geschichten leben. Entdecke jetzt