13. Deployment

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August 2004, Royal Airforce Base Odiham

Meine Finger waren eng mit Harrys verschlungen, als wir zusammen über das große Rollfeld schritten. Er hatte Jona auf dem Arm, während ich Alex an meiner anderen Hand hielt. Ich versuchte die Kameras, die von allen Seiten auf uns gerichtet waren, komplett zu ignorieren und jeden einzelnen Moment mit Harry zu genießen. Es waren unsere letzten Momente zusammen als Familie, bevor Harry erneut in den Auslandseinsatz musste. Seine Einheit war nach Afghanistan berufen worden. Harry würde Helikopter fliegen und gegen Terroristen kämpfen. Kein humanitärer Einsatz, nein ein echter Kampfeinsatz. An Bord seines Helikopters würden keine Lebensmittel oder kranke Menschen transportiert werden. Anstellen der Verletzten und Lebensmittel würden Waffen und Munition an Bord sein. Waffen, die auf Terroristen zielen sollten, um diese umzubringen, in der Hoffnung, dass Harrys Kameraden schneller den Abzug drücken würden als die Gegenseite. Allein bei dem Gedanken drehte sich mein Magen um und ich wollte mich am liebsten direkt vor der gesamten Weltpresse übergeben. Ich hatte Harry angefleht nicht zu gehen, sogar seine Großmutter um Hilfe gebeten. Doch weder die Queen, noch Harry wollte hören was ich zu sagen hatte. Harry wiederholte immer wieder die gleichen Worte, „Ich habe einen Eid geleistet! Nur weil ich der Enkel der Queen bin, heißt, dass nicht das dieser Eid weniger wert ist. Ich werde kämpfen!" Nach diesen Worten hatte ich keine Chance mehr. Weder meine Tränen noch meine Wut oder mein Schweigen änderten etwas an der Tatsache, dass mein Ehemann uns für mindestens sieben Monate verlassen würde, um in der Wüste gegen Terroristen zu kämpfen. Menschen, die jetzt schon ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt hatte, während er noch nicht mal in ihrem Land war, sondern immer noch meine Hand hielt. Ich schaute zu meiner Seite und versuchte mir jedes kleine Detail von Harry ein zu prägen. Die kleinen Lachfalten um seinen Mund herum. Der leichte Schwung in seinem Gang und wie er mich selbst jetzt in dieser Situation anlächelte, als wenn wir auf dem Weg zum Flieger waren, der uns in unseren nächsten Urlaub bringen würde.

Den Abend vorher hatten wir noch zusammen auf der Couch gelegen, nachdem wir die Jungs gemeinsam ins Bett gebracht hatten. Alex und Jona waren beide super schnell eingeschlafen, als wenn sie gewusst hätten das Harry und ich den Abend für uns brauchten. Harry hatte seine Arme um mich geschlungen. „Ich freue mich schon auf all deine Emails!", sagte Harry in die Stille hinein und küsste meinen Haaransatz. Ich drehte mich in seinem Arm um, damit ich ihn besser anschauen konnte. „Ich schreibe dir jeden Tag mindestens einmal. Wenn es Zeit wird für dich nach Hause zu kommen, werde ich dir so viele Emails geschrieben haben, dass du eigentlich direkt da bleiben willst!", lachte ich und versuchte es extra lustig klingen zu lassen. „Niemals!", hauchte Harry und küsste mich. Ich lächelte in unseren Kuss hinein und krabbelte auf seinen Schoß, wenn er uns schon für sieben Monate verlassen musste, würde ich seine letzte Nacht zu Hause besonders schön machen.

„Schatz, sie wollen ein paar Fotos machen!", holte mich Harrys Stimme aus meiner Erinnerung zurück. Ich schaute zu ihm auf und nickte nur. Ich ließ mich von ihm vor die Kameras ziehen. Harry hatte Jona noch immer auf seinem Arm. Ich schob Alex vor uns und spürte wie Harry seinen Arm um meine Hüfte legte und mich eng an sich ran zog. Seine raue Camouflage-Uniform rieb sich an meinem Oberarm. Ich hatte mich heute für ein luftiges blaues Sommerkleid entschieden. In royal-blau. Alles für die Krone. In meinem Kopf verdrehte ich die Augen über meine Gedanken und strich stattdessen Alex über die Schulter. Er grinste in die Kamera und zeigte alle seine Zähne. Die Fotografen riefen nach uns und wollte wissen, wie es uns ging. Aber weder Harry noch ich beantworteten irgendwelche Fragen. Nachdem wir den obligatorischen Fototermin hinter uns gebracht hatten, durften wir endlich zu dem Rest der Truppe stoßen. Überall standen Familien in kleinen Gruppen zusammen, die sich von ihrem Soldaten verabschiedeten. Harry ließ seinen schweren Seesack neben sich auf den Boden fallen und kniete sich zu Alex runter. „Hör mal Alex, bis Daddy wieder zu Hause ist, bist du der Mann im Haus und musst ganz doll auf Mommy und Jona aufpassen!", erklärte Harry ihm und zog Alex in seine Arme. Meine Augen schwammen in Tränen. Dieser Auslandseinsatz war anders als der davor. Jetzt hatte ich zwei kleine Jungs, die ihren Dad vermissen würden und Harry würde so viel von Alex und Jona verpassen. Ihren ersten Tag im Kindergarten, wie Jona anfangen würde zu sprechen und Alex' komplette erste Fußballsaison. Alex schlang seine Arme um Harrys Hals und nickte. „Ja Daddy!", sagte er und küsste Harry. Er wusste, dass Harry für lange Zeit weg gehen musste, hatte aber keine Ahnung wie lang sieben Monate wirklich sein konnten. Ich wischte mir die Tränen und den Wangen, als Harry wieder auf stand und mich anschaute. „Liebling, sei nicht traurig! Ich komme wieder!", bat Harry mit brüchiger Stimme. Ich schlang meine Arme um ihn und stellte mich auf meine Zehenspitzen um ihn richtig küssen zu können. Ich legte all mein Liebe und Verzweiflung in diesen Kuss. All die Gefühle und Dinge, die ich in den letzten Wochen nicht ausgesprochen hatte. Auch weil ich ganz genau wusste, dass ich sie nicht sagen musste. Harry wusste wie sehr wir ihn liebten und wie sehr ich ihn brauchte. „Ich liebe dich!", sagte ich an seinen Lippen, als er sich langsam wieder von mir löste. Ich nahm ihm Jona ab und Harry hob Alex hoch. Ein letztes Mal zog er mich in seine Arme und drückte uns alle drei ganz fest an sich. Ich drückte Harry genauso fest wie er uns drückte, bevor er sich endgültig von uns löste. Er drückte Alex und Jona noch einmal und küsste mich ein letztes Mal leidenschaftlich. „Du bist mein Leben!", sagte er und hielt mein Gesicht in seinen Händen. Ich gab mir gar keine Mühe mehr die Tränen überhaupt zurück zuhalten. Mit einem schweren Atemzug löste er sich von uns und griff nach seinem Seesack. Mit großen Schritten ging er auf seine Kameraden zu und drehte sich noch einmal zu uns um und winkte uns zu. Ich stand alleine da, mit Jona auf dem Arm und Alex an meiner Hand. Wir alle drei winkten wie verrückt. Und hofften, dass die nächsten sieben Monate einfach nur ganz schnell vorbei gehen würden.

Am gleichen Abend saß ich alleine auf unserer großen Couch. Morgen würden die Jungs und ich zurück nach Schottland fahren, um unser Haus leer zu räumen. Nachdem Harrys Training abgeschlossen war und er nach Afghanistan berufen wurde, gab es für uns keinen Grund mehr in Schottland zu bleiben. Außerdem hatten die Queen und Charles es für besser empfunden meinen Kalender mit Terminen rund um Truppenbesuche und zurück gebliebenen Soldaten voll zu stopfen. Endlich hatten auch Militär-Ehefrauen eine Person in der königlichen Familie, mit der sie sich identifizieren konnten und dass wollte die Krone ausnutzen. Bei dem Gedanken schüttelte ich genervt den Kopf, als wenn mich irgendjemand sehen konnte. Nein ganz und gar nicht. Ich war komplett alleine und so fühlte ich mich auch. Total verlassen, obwohl wahrscheinlich ein Großteil der Bevölkerung im Moment vor dem Fernseher saß und mit mir mitfühlte, als sie mein Tränen überströmtes Gesicht in den acht Uhr Nachrichten sahen. Gerade als ich weiter dabei war in Selbstmitleid zu versinken klingelte mein Telefon. Schnell sprang ich auf und hastete zu dem kleinen Tisch rüber, auf dem ich mein Handy hatte liegen lassen. Vielleicht war es Harry, der schon gelandet war. Obwohl ich ganz genau wusste, dass er erst heute Nacht um drei überhaupt vielleicht die Chance bekommen würde mich anzurufen. Eine unbekannte Nummer blinkte mir entgegen. Ich nahm trotzdem ab. Vielleicht war es ja doch Harry. „Hallo?", meldete ich mich. „Hey Kat!", erklang Marshalls Stimme vom anderen Ende der Leitung und ich war wahrscheinlich das erste Mal in meinem Leben enttäuscht seine Stimme zu hören. „Hey Marshall!", erwiderte ich und machte mir erst gar keine Mühe die Enttäuschung in meiner Stimme zu verstecken. „Was ist los?", fragte er sofort. Seufzend ließ ich mich zurück auf die Couch fallen und begann damit ihm den gesamten Tag zu erzählen. In allen kleinen Einzelheiten vom Aufwachen mit Harry bis hin zum ersten Abendessen ohne Harry. Ich war von mir selbst überrascht, dass ich das ganz ohne Tränen schaffte. Marshall hörte mir brav zu und ließ mich einfach reden. In diesem Moment war ich sehr dankbar dafür, dass er mein Freund war. Zwar hätte ich auch meine Mutter anrufen können, aber mit meiner Mama zureden war einfach etwas anderes. „Es tut mir so leid Kat, die Zeit geht bestimmt ganz schnell rum und dann ist er wieder bei euch!", sagte Marshall und ich lächelte ein bisschen. Männer waren mit Gefühlsausbrüchen meistens eh total überfordert, also war ich schon fast dankbar für Marshalls Versuch. Ich sammelte mich ein wenig und sagte dann, „Ich glaub nicht, dass du angerufen hast um dir die Ohren vollheulen zu lassen?" ich konnte Marshall lachen hören und grinste selbst ein bisschen. „Nein, Prinzessin! Eigentlich wollte ich dir nur erzählen, dass die Scheidung durch ist und Kim mir das alleiniges Sorgerecht für die Mädchen gewährt hat. Scheint so als wenn sie komplett überfordert ist!", erzählte er und mein Grinsen wurde mit jedem seiner Worte bereiter. „Oh man Marshall, dass hört sich ja toll an. Ich bin so froh, dass das jetzt alles hinter euch ist. Das habt ihr auch wirklich verdient. Du und die Mädchen!", sagte ich fröhlich. Nach Marshalls guten Nachrichten entspannte ich mich ein wenig, vielleicht war der heutige Tag doch nicht ganz so schlimm. Immerhin war ich einen Tag näher daran Harry wieder zu sehen. Ich lehnte mich in die Kissen des Sofas und lauschte Marshall dabei, wie er mir von seinen Plänen für die nächste Tour und den Sommerurlaub mit den Mädchen erzählte. Vielleicht würden wir es ja sogar schaffen uns zu sehen. Und diese sieben Monate ohne Harry würden wir auch irgendwie überstehen.

Spätabends wachte ich müde auf, um Jona wieder hinzulegen. Als ich zurück in Harrys und meinem Schlafzimmer kam, schaute ich kurz auf mein Handy und hatte eine SMS von ihm bekommen Gut angekommen, ich liebe euch! Hatte er geschrieben. In meinem Inneren breitete sich ein warmes Gefühl aus und ich schrieb lächelnd ein Ich liebe dich auch  zurück. Wir würden die nächsten Monate gut überstehen. 

Second Chances (Eminem Story)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt