6. Ellie's Diner

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Januar 2003, Ellies Diner – London

Teil 2

Ich widme dieses Kapitel Larissa vielen Dank für deinen lieben Kommentar :)

Marshall und ich wurde erneut von einer Sicherheitskraft durch die Katakomben des Stadions geführt, bis wir in einer Art unterirdischer Garage an kamen. Marshall deutete mit einem Nicken und einem schwarzen Bus und ich folgte ihm. Er zog die hintere Tür auf und ließ mich zuerst einsteigen. Als wir beide Platz genommen hatten, begrüßte uns der Fahrer vom Fahrersitz aus. „Wo soll es hin gehen, Mister Mathers?", fragte er Marshall und sah uns aus dem Rückspiegel heraus an. Marshall seinerseits sah mich erwartungsvoll an, ich erwiderte seinen Blick fragend. „Ja, ich kenn mich hier nicht aus!", grinste er. Ich verdrehte meine Augen und erklärte dem Fahrer dann den Weg zu Ellies Diner. Das Diner lag nicht ganz so zentral in Camden und war um diese Uhrzeit oft schon wie ausgestorben. Ich hatte es zusammen mit Harry vor vielen Jahren zum ersten Mal besucht und wir waren dort noch nie bemerkt worden, denn Paparazzi verirrten sich eher selten in diesen Teil der Stadt. Während der Fahrt zeigte ich Marshall all die verschiedenen Sehenswürdigkeiten an denen wir vorbei fuhren. Er lauschte meinen Erzählungen und ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen. Als ich ihm grade vom Camden Market erzählte hörte ich auf einmal auf zu reden und hielt mir die Hand vor den Mund. Marshall sah mich fragend an. „Alles okay?", wollte er wissen. Ich nickte nur und senkte meine Augen auf meine Hände. „Es tut mir leid, ich rede die ganze Zeit nur und du kommst nicht einmal zu Wort!" Jetzt war Marshall derjenige, der die Augen verdrehte. „Kat, alles cool!", versicherte er mir, „Ich hör dir gerne zu..." Es schien mir, als wenn er noch etwas sagen wollte, aber das tat er nicht. Ich hob meinen Kopf und unsere Augen trafen sich. Ich konnte deutlich die kleinen Lachfältchen an Marshalls Augen erkennen und seine blauen Augen hielten mich in einem tiefen Bann. „Aber?", hakte ich nach. Marshall schüttelte den Kopf „Kein aber! Es ist schon auch einmal zu hören zu können und nicht immer reden zu müssen!", gab er zu und gewann mir wieder einmal ein Lächeln ab.

Kurze Zeit später hielt der Wagen und ich warf einen Blick aus dem regennassen Fenster. Marshall sah auch aus dem Fenster und für einen kurzen Moment hatte ich die Befürchtung, dass Marshall etwas anderes erwartete hätte. Vielleicht hätten wir doch lieber in eins der teuren Restaurants in der City gehen sollen. Aber dort hätte uns bestimmt irgendjemand erkannt. Auf der andere Seite wollte ich aber auch, dass Marshall einen schönen Abend hatte und wenn dieser ‚Schuppen' nun ganz und gar nicht sein Geschmack ist – würden wir ein Problem haben. „Ich hoffe das ist okay! Wenn du woanders hin willst ist das auch okay! Ich meine ich kenne ein gutes Lokal in Chelsea, die haben wunderbare Seezunge...!", bevor ich weiter reden konnte unterbrach Marshall mich. „Es ist toll!", sagte er einfach nur und öffnete die Tür des Wagens. Als die Tür auf glitt begrüßte uns London von seiner schönsten, verregneten Seite und kalte Luft drang ins Innere des Wagens. Ich begann augenblicklich zu zittern. Als Marshall das bemerkte zog er sofort seine Sweatshirtjacke aus und legte sie um meine Schultern zur Krönung setzte er mir noch die Kapuze auf. „Besser?", fragte er, ich konnte nur nicken und bibberte eine unverständliches Danke. Marshall warf mir ein Grinsen zu und sprang dann als Erster aus dem Wagen. Er half mir beim Aussteigen und hielt meine Hand bis wir den Eingang des Diners erreicht hatten, da der Weg über und über mit Pfützen und Wasser bedeckt war. Als wir das Diner betraten klingelte eine kleine Glocke über der Tür und die Bedienung sah von ihrem Klatschmagazin auf. Sie war Mitte Fünfzig und man könnte sie wohl sehr gut, als ziemlich füllig bezeichnen. Aber sie lächelte uns warmherzig an und schien freundlich zu sein.

„Setzt euch hin wo ihr wollt, Kinder!", begrüßte sie und deutete auf die vielen leeren Tische. Zu dieser Zeit war das Diner bis auf drei andere Gäste komplett leer. Ein junges Teenagerpaar in Punkeroptik saß in der hinteren Ecke des Diners und schien nur Augen für einander zu haben. Am Tresen saß ein Mann mittleren Alters im Anzug. Er wirkte sehr abgehetzt und den kahlen Stellen auf seinem Kopf nach zu urteilen hatte er seine besten Jahre schon hinter sich. Marshall und ich entschieden uns für den Tisch, der am weitesten weg von allen anderen stand. Ich zog Marshalls Jacke aus und hängte sie über einen der Stühle zum Trocknen, dann rutschte ich über die rotweiß gestreifte und mit Kunstleder gepolsterte Bank, die genau wie der Rest des Diners auch schon seine besten Jahre hinter sich hatte. Wenn man sich hier umsah fühlte man sich direkt zurück in die fünfziger Jahre versetzt und befand sich wohl eher in einer amerikanischen Kleinstadt als in der Hauptstadt Englands. Marshall sah sich genauso wie ich um, aber es schien ihm hier zu gefallen. „Gefällt es dir?", fragte ich ihn und er nickte eifrig. „Ja! Es erinnert mich an ein Diner in Detroit in dem ich früher immer mit Proof rumgehangen habe! Wenn du mal nach Detroit kommst zeige ich es dir!", versprach er. Ich lächelte. „Das wäre toll!" Kurz verfielen wir wieder in Schweigen. Ich wusste nicht was ich sagen sollte. Diese Situation war das erste Mal, dass Marshall und ich wirklich alleine irgendwo waren. Sonst waren wir immer von zig Menschen umgeben, die alle irgendetwas von uns wollten. Und jetzt auf einmal war es so privat und intim zwischen uns, dass ich mit der Situation ein wenig überfordert war. Natürlich schrieben wir uns jeden Tag Emails und in diesen Emails wurde es auch oft sehr persönlich, aber trotzdem war es eine ganz ungewohnte Situation Marshall auf einmal so ganz alleine und nah gegenüber zu sitzen. Normalerweise lagen zwischen uns zwei Computerbildschirme und ein Ozean und jetzt fehlten mir die Worte.

Second Chances (Eminem Story)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt