Der Tag hat Spuren hinterlassen. Ich blicke einem müde aussehenden, aber noch nie so glücklichen Ich im Spiegel entgegen. Ich glaube ich habe noch nie in so einem kleinen Bad gestanden, aber es ist wirklich süß dekoriert. Wenn ich jetzt etwas Concealer und Mascara auftrage, dann sehe ich auch nicht mehr so fertig aus. Ich schaue auf meine Hände, sie zittern. Aus Nervosität? Vielleicht. Ich versuche mich auf die dumpfen Stimmen aus dem Flur zu konzentrieren, während ich nach dem Abdeckstift krame. Ich höre Lucas Stimme, verstehe aber nichts. Jetzt ist kurz Stille. Ich glaube der Kleine muss erstmal zu Atem kommen, bevor er einfach weiter brabbeln kann.
„Hast du dieses Mädchen gesehen??", das ist eindeutig Zack, der die kurze Stille nutzt, „Wie wunderschön sie ist?? Irgendwann wird sie für immer Meine sein!", dieser Satz, den ich nur gedampft höre, jagt mir einen Schauer über den Rücken. Hat Zack gerade seinem Bruder gesagt, dass er vorhat mich irgendwann, möglicherweise zu heiraten? Mein Herz macht einen Hüpfer und ich weiß nicht, was ich mit diesem Gefühl anstellen soll. Ich starre mich selbst im Spiegel an. Ich glaube, ich hätte nichts dagegen ihn zu heiraten. Später, irgendwann. Aber das ist nur geträume. Mal sehen, was die nächsten Jahre bringen. Vielleicht schaffe ich auch, das ganze in wenigen Wochen zu zerstören, mit meinen Lügen. Das gute Gefühl ist weg. Ich lüge und lüge...
***
Als ich in Lucas Zimmer komme, steht Zack sofort vom Boden auf, wo er gerade noch mit seinem Bruder Autos rum geschoben hat. Ein merkwürdiger Reflex. Aus unerfindlichen Gründen hat er auch noch eine goldene Plastik Krone schief auf dem Kopf zu sitzen. Ich muss lächeln und schüttle den Kopf. Luca sitzt nich auf dem Boden und starrt mich mit großen Kinderaugen an. Ich nehme Zack die Krone ab und setzte sie mir selber auf, dann setze ich mich zu Luca.
„Welches ist dein liebstes Auto?", frage ich in der Hoffnung, dass keine unangenehme Stille folgen wird. Er hält ein kleines weißes Sport Auto hoch. Bugatti Centodieci, CR7. Ich liebe den Wagen auch, er fährt sich schön.
„Oh... das selbe fährt Ronaldo oder?", Luca nickt aufgeregt und von Zack, der sich inzwischen neben mich gesetzt hat, bekomme ich einen anerkennenden Seitenblick.
„Ich durfte in genau so einem Auto schon mal mitfahren." erzähle ich, was vielleicht etwas untertreiben ist. Ich besitze eins von den zehn existierenden Exemplaren. Obwohl ich nicht erwartet hätte, dass das möglich ist, werden Lucas Augen noch größer.***
Als wir dann Luca wieder alleine lassen, bleibe ich endlich mal stehen und bewundere die unzähligen Gemälde an den Wänden.
Ich entdecke mehrere kleine Skizzen zwischen den vielen Ölgemälden. Sie sind locker gezeichnet, mit vielen schnellen Linien. Etwas geknittertes Papier, das später gerahmt wurde. Eins gefällt mir besonders, ein Mädchen, lange Haare und hübsche Gesichtszüge, das Datum in der unteren Ecke liegt knapp ein Jahr zurück.
„Wow. Die sind genial. Deine Mom ist wirklich talentiert.", staune ich. Als ich über meine Schulter sehe, steht auf einmal Naomi selbst, mit verschränkten Armen, hinter mir und grinst ihren Sohn an.
„Dafür kann ich die Anerkennung nicht annehmen. Das sind Zack's.", ich löse meinen Blick überrascht von dem Bild mit der skizzierten Rose, neben dem mit dem Mädchen.
„Zack? Du zeichnest?! Oh mein Gott!! Die sind unglaublich schön! Wieso hast du nichts gesagt?", er lächelt und schüttelt bescheiden den Kopf.
„Sind ja nur Skizzen, an Mom komme ich nicht ran.", jetzt verdreht seine Mutter die Augen und schüttelt den Kopf. Sie ist, wie ich, überzeugt von seinem Talent.
„Apropos", ihr Blick fliegt über die Skizzen, „Bis das Essen fertig ist, ist noch etwas Zeit. Schaut doch bei Keily vorbei. Sie hat nach dir gefragt.", Zacks Ausdruck wird zu einem, den ich nicht deuten kann. Irgendetwas zwischen Melancholie und einem genervten Blick, aber trotzdem ganz eigen. Kurz huscht sein Blick zu mir, dann wieder zu seiner Mutter, er nickt. Ich zucke die Schultern, kenne Keily ja nicht.
„Nimm deinen Bruder mit."***
Wir laufen in dem kleinen Ort nicht lang bis Luca los rennt. Er kennt Keily, hat sich gefreut, als sein Bruder ihm von unserem Ziel erzählt hat. Es ist schön in der Nachmittagssonne durch die Straßen zu laufen.
Luca rennt auf ein riesiges, offenes Grundstück, auf dem nur ein sehr kleines Haus stehet, es ist sogar eher ein Bungalow. Zack und ich folgen ihm, müssen uns aber anscheinend keine Sorgen machen. Sie ist eine Kindheitsfreundin, hat Zack gesagt. Viel mehr hat er nicht erzählt, als würde ihn der Gedanke an sie irgendwie traurig machen.Trotzdem schleicht sich ein Lächeln auf seine Lippen, als ein Mädchen auf den inzwischen relativ weit entfernten Finn zu rennt und ihn ein mal durch die Luft wirbelt, nur um dann weiter auf uns zu zu rennen. Überraschend nimmt Zack meine Hand, zieht mich etwas näher an sich heran. Aber schon ist sie da, sie wird nicht langsamer und schmeißt sich Zack, seinen Namen grölend, um den Hals. Er stolpert nach hinten und meine Hand wird dabei unsanft aus seiner gerissen.
„Keily!", Zack lacht, aber es klingt unehrlich und hohl. Viel zu lange hat sie ihre Beine um seine Hüften geschlungen, bevor sie ihn endlich los lässt. Und ich stehe da, kurz bin ich mir nicht sicher, ob sie mich nicht einfach übersehen haben könnte. Aber ihr selbstzufriedenes Grinsen als sie mir die Hand entgegen streckt, erzählt andere Geschichten.Ich hasse sie. Sie erinnert mich an Merylins Freunde, die reichen Bonzen von damals. Nur, dass sie schlechter darin ist, zu lügen. Schlechter als ich...Lass uns ein Spiel spielen, Bitch. Ich setzte das gut trainierte Lächeln auf und nehme ihre Hamd, sie schüttelt sie übertrieben und ihre Augen starren mich ununterbrochen an, in denen erkenne ich auch die Lüge, denn ihr Lächeln wirkt echt. Die kann mich noch weniger leiden, als ich sie.
„Stell mir das Mädchen doch mal vor, Zack.", Hallo! Ich stehe genau hier! Du kannst mich auch einfach fragen! Zack räuspert sich erbittert und nickt knapp.
„Merilyn. Meine Freundin.", er sagt es sehr stumpf. Und ich verstehe das, weil Keily das auch selber hätte verstehen können. Schließlich bin ich Hand in Hand mit Zack angekommen, bevor sie sich so übertreiben an ihn ran geschmissen hat.
„Mhm. Keily. Freut mich.", sie lässt meine Hand los und mein Blick wandert kurz zu Zack, der ihr einen verbitterten Seitenblick gibt. Es freut sie ganz und garnicht, dass ich hier bin, das weiß auch er. Ich nicke.
„Mich auch.", erst jetzt komme ich dazu sie wirklich zu Mustern. Bis eben war ich zu geschockt. Sie ist blond, arsch-langes Haar, welches zu einem wirklich unästhetischen Zopf an ihrem Hinterkopf geflochten ist. Ihr Gesicht kommt mir nicht unbekannt vor. Es ist schön, symmetrisch und ihre Augen sind lächerlich blau. Nur ihre Zahnspange stört das perfekte Bild. Erst als sie meinen Blick merkt und ihre Augenbrauen fragend hochzieht, fällt es mir wie Schuppen von den Augen.„Die Skizze", stauen ich. Sie ist das Mädchen auf der Skizze, die in Naomi's Flur hängt. Jetzt kommt zu ihrer unsympathischen Art, die mich dermaßen nervt, auch nicht Neid dazu. Dabei kannte ich Zack nicht einmal als das Bild entstanden ist.
„Oh, du meinst seine wunderbare Zeichnung von mir, in Naomi's Flur?", sie weiß genau was ich meine und fragt nur aus Boshaftigkeit. Zack scheint mein Unwohlsein zu bemerken, denn er interveniert.
„Ja, die ist schon echt alt und ich muss sie bald ersetzen. Vor allem weil wir da diesen komischen Flirt am laufen hatten.", jetzt gillt mein fassungsloser Blick ihm. „Ich wollte Mom sowieso ein Bild von Mary geben, wieso dann nicht gleich eine meiner Skizzen von ihr?"Ich bin nicht sicher, ob das nur eine Notlüge war, um Keily zurecht zuweisen, denn ich habe nich nie mitbekommen, dass Zack mich gezeichnet hat, kann aber auch nicht weiter darüber nachdenken. Luca kommt angerannt und hängt sich an Zacks Bein. „Kommt ihr jetzt? Ich will schaukeln!"
Zack nickt und bevor er sich mit zerren lässt, wirft er mir nich einen sehr entschuldigenden Blick zu.
Er muss sich für nichts entschuldigen.
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Das echte Leben
Teen FictionAbgeschlossen mit 2. Teil on the way ("Going to hell anyways") ___________________________________________________________________ "I tripped on the urge to feel alive" Merylin darf endlich auf eine richtige Schule gehen und kommt mal weg von all de...