Kapitel 16

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"Ich... also... ich erklär dir das später", sagte er und zog mich am Arm wieder rückwarts aus dem Zimmer heraus. Ich schwankte so sehr, dass ich kaum gerade stehen konnte. Nächste mal sollte ich wirklich ein wenig mehr darauf achten, was ich trinke. Und vorallem wie viel davon.

Er lehnte mich an eine Wand an, damit ich nicht umkippte. Er wollte sich umdrehen, aber ich hielt ihm am Arm fest. "Wo willst du hin?", fragte ich. Er blieb stehen und drehte sich zu mir. "Nach einem freien Bett gucken, du brauchst wirklich ein wenig Schlaf." Die Musik aus dem Wohnzimmer schlug in eine langsame Ballade um. Er kam einen Schritt näher. Nun wurde er ganz schön schief. Er stand jetzt fast an der Wand, aber... warum fing er denn plötzlich an pink zu glitzern?

"Pass auf...", murmele er und stellte mich wieder aufrecht hin.

Er schaute mich an und ein amüsiertes Lächeln umspielte seine Lippen. Meine Augen glitten an seinem Grinsen vorbei hoch zu seinen Augen. Diese grünen Augen. Diese wunderschönen Augen, die mich jedes Mal zu Eis erfrieren liessen, wenn ich sie sehe.

Und so standen wir dann da, eine ganze Weile. Aber es war mir egal, weil auf einmal war mein Kopf so klar wie noch nie. Der Strudel der Zeit verschluckte uns und der Sand in der Sanduhr hörte auf zu fließen.

Die Welt hörte auf sich zu drehen.

Ganz langsam nahm ich wahr, dass er sich nach vorne beugte. Ich weiss nicht, ob es mir nur so vorkam oder ob er sich wirklich wie in Zeitlupe bewegte. Er strich mir eine Haarsträhne hinters Ohr.

Sekunden später fühlte ich es. Die Funken die nun durch meine Adern flossen und die Gänsehaut die sich ausbreitete. Seine Lippen spielten ganz sanft mit meinen und das Letzte, was ich dachte war, dass ich hoffte, dass die Sandkörner sich nie wieder durch die dünne Öffnung quetschen würden und wir für immer in dieser Minute feststecken würden.

Ich fühlte, wie sich die wohlige Wärme seiner Hände auf meinem Rücken ausbreitete und ich legte meine, bis jetzt schlaff an meinem Körper herunterhängenden, Arme um seinen Hals.

Völlig unerwarten nahm er seine Hände von meinem Rücken und lösste meine Finger von seinem Hals. Ich fühlte mich ein wenig überrumpelt. War ich eine so schlechte Küsserin? Ich versuchte ihn anzulächeln, aber mein Kopf vernebelte wieder. Alles verschwamm.

 Harry ließ meinen Arm los und ich versuchte zu lächeln, was schwer war, da ich keine wirkliche Kontrolle mehr über meine Mundwinkel hatte. Es schien, als würde nun der Effekt des Alkohols doppelt so hart zurück schlagen.

Er musterte mich und fing an zu grinsen, dann drehte er sich um, um nach einem anderen Zimmer zu schauen.

BUMM. Ich hörte den dumpfen Aufprall auf dem Teppich noch, dann war es schwarz.

~

Ein paar Sonnenstrahlen und extrem laute Schreie aus der Küche weckten mich. Ich blinzelte.

Ich erblickte einen Nachtisch aus braunem Holz und eine helle Kommode. Wo war ich?! Das alles gehörte nicht in mein Zimmer.

Ich versuchte mich aufzusetzen. In dem Moment als ich meinen Kopf vom Kissen anhob, schlug ein Presslufthammer gegen meinen Kopf.

Zumindest fühlte es sich so an. Mein Kopf dröhnte. Jetzt erkannte ich auch das Zimmer. Es war unser Gästezimmer. Allerdings hatte ich nicht den geringsten Schimmer wie ich hierhin gekommen war.

Die Schreie hatten aufgehört und ich hörte dumpfe Schritte auf der Treppe. Behutsam öffnete sich meine Tür und Jen's Kopf lugte durch den Spalt.

"Naaaa mein Hase wie geht es dir?", brüllte sie mir gut gelaunt entgegen.

"JEN!!", schmerzerfüllt fasste ich mir an den Kopf und biss die Zähne aufeinander.

"miauuu", machte Jen, "ein Käterchen", flüsterte sie.

"Jen.... bitte"

"Ist ja schon gut.", redete sie im Flüsterton weiter. "Und?", sie sah mich fragend und erwartungsvoll an.

"Ehm..." Wovon sprach sie?  " Wovon sprichst du?"

"Najaaa...", zögerte sie. "Nachdem dich Harry gestern von der Theke weggezogen hat, übrigends; Ein Glas mehr und ich haätte es auch getan; bist du mit ihm hier oben verschwunden und die ganze Nacht hat euch niemand mehr gesehen.", Jen schmunzelte.

O Gott Harry!! Meine Erinnerungen an gestern Nacht waren verschwommen und brüchig.
Ich versuchte aufzustehen, um an mein Handy zu kommen, aber Jen war schneller. Sie drückte mich wieder zurück ins Kissen und der Presslufthammer fing wieder an zu arbeiten.

"Wo...", meine Stimme versagte, "Wo ist er?", fragte ich sie mit zittriger Stimme.

Jen sah mich erstaunt an. "Hat er dir nichts gesagt?" Ich schüttelte den Kopf, was ich sofort wieder bereute.

"Er ist vor ungefähr einer Stunde runter gekommen, hat freundlich Guten Morgen gesagt und ist dann aber auch direkt wieder verschwunden.", Jen streichelte mir über den Kopf.

"Oh...", war alles was ich sagte.
Mein Blick glitt aus dem Fenster. Jen drückte mir einen Kuss auf die Wange und verschwand ganz leise und rückwärts wieder aus meiner Tür.

Ich drehte mich zum Fenster und zog die Decke ein wenig höher. Mein Kopf versank in meinem Kissen.
Und der letzte Gedanke, der durch meine Gehirnzellen spukte, bevor meine Augenlider wieder schwer wurde, war Harry...

Unpredictable |hs|Where stories live. Discover now