Kapitel 1

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We'd always go into it blindly

I needed to lose you to find me


Koushi

Das fröhliche Gelächter der Kinder drang in meine Ohren, als ich den Flur vor dem Klassenraum betrat. Als ich vor ein paar Jahren mein Studium abgeschlossen hatte, hatte ich als Lehrer an der Miyagi Grundschule angefangen und mir damit einen lang ersehnten Traum erfüllt. Schon seit ich denken konnte, liebte ich es anderen etwas beizubringen und als ich älter wurde, war in mir der Wunsch immer größer geworden Lehrer zu werden. Vom ersten Tag an hatte ich diesen Beruf geliebt und liebte ihn jeden Tag ein Bisschen mehr.
Es war immer schön zu beobachten, wie sich die Kinder im Laufe des Schuljahres entwickelten. Ich begleitete sie dabei, wenn sie etwas Neues entdeckten, auf Probleme stießen und eine Lösung für diese suchten.
Immer, wenn ich auf den Weg zum Klassenzimmer war und ich die fröhlichen Stimmen meiner Schüler hörte, schlich sich ein glückliches Lächeln auf mein Gesicht. Es machte mich einfach fröhlich zu wissen, wenn die Kinder ihren Spaß in der Schule hatten.

Gerade heute waren die Stimmen besonders laut und heiter. Wie an jedem ersten Schultag nach den Ferien. Die Sommerferien waren beendet und die meisten hatten sich sechs lange Wochen nicht gesehen, in denen sie viel erlebt hatten. Es gab viele Abenteuer zu erzählen und sie nutzen noch die verbliebene Zeit bis der Unterricht begann, um das Spannendste zu berichten. Noch bevor ich den Klassenraum betrat, konnte ich mir vorstellen, wie sich im Raum Grüppchen bildeten und eine Geschichte nach der anderen erzählt wurde. Eine aufregender als die andere und manche vielleicht etwas überspitzt. Gemeinsam schwelgten sie in Erinnerungen und mir tat es fast schon leid, dass ich gleich den Gesprächen ein Ende setzen musste.
Ich freute mich, dass meine Schüler zu Freunden geworden waren und zusammen Spaß hatten. Aber die Schule war ein Ort des Lernen und kein Spielplatz, sodass ich die Plappermäuler zu Ruhe beten würde.
Mein Job als Lehrer war es den Kleinen etwas beizubringen und das tat ich gerne. Schließlich sollte ich sie ein Stück weit auf das Leben vorbereiten. Sie waren zwar noch Grundschüler und hatten eine unbeschwerte Zeit, aber sie würden irgendwann erwachsen werden. Spätestens in der Oberschule würden sie erkennen, dass die Welt nicht immer rosarot war und ich wollte nicht, dass die Erkenntnis sie unvorbereitet traf.

Als ich den Klassenraum betrat, bemerkten mich meine Schüler zunächst nicht. So wie ich es mir gedacht hatte, waren sie viel zu sehr in ihre Gespräche vertieft. Ein fröhliches Lächeln schlich sich auf meine Lippen, während ich meine Tasche auf den Boden neben dem Lehrerpult abstellte. Ich war keiner der Lehrer, die sofort ungehalten wurden, nur weil meine Schüler noch nicht auf ihren Plätzen saßen und für den Unterricht bereit waren. Besonders nicht nach den Ferien. Außerdem nahm ich mir gerne einen Augenblick Zeit und beobachtete die Schüler, wie sie untereinander agierten. Manchmal sah man Dinge, die mir so im Unterricht nicht aufgefallen wären und es machte mich selbst einfach glücklich, meine Klasse so unbefangen zu sehen.

Während ich meinen Blick durch das Klassenzimmer schweifen ließ, bemerkte ich wie unbeschwert meine Schüler waren. Sie hatten noch nie erfahren, wie es war, wenn jemand ihnen das Herz brach und ich hoffte für sie, dass sie niemals diese Hölle betreten mussten. Auch wenn es ein utopischer Wunsch war. Ein gebrochenes Herz konnte man zwar wieder zusammenflicken, aber heilen würde es nie. Schließlich wusste ich, wovon ich sprach. Vor ziemlich langer Zeit hatte ich diese schmerzhafte Erfahrung machen müssen.
Es hatte Jahre gedauert den Scherbenhaufen halbwegs wieder zusammenzuflicken. Selbst heute hatte ich mein Herz noch nicht vollständig reparieren können und ich bezweifelte, dass ich es jemals könnte. Ein dicker Kloß bildete sich in meinen Hals und Erinnerungen an mein letztes Schuljahr schossen mir durch den Kopf. Erinnerungen, an die ich nicht denken wollte. Erinnerungen, die zu tief in mein Innerstes schnitten.

Kurz schüttelte ich den Kopf und verbannte die Gedanken in die hinterste Ecke meines Kopfes.
Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt über die Vergangenheit nachzudenken. Der Unterricht fing in wenigen Minuten an und ich musste mich auf meine Arbeit konzentrieren. Denn ansonsten würde ich niemanden etwas beibringen können.
Mit einem Räuspern klatschte ich kurz in die Hände, um die Aufmerksamkeit der Schüler zu bekommen. Sie hatten nun lang genug miteinander geredet und konnten sich in der Pause weiter unterhalten.

„Ich weiß, dass ihr euch sicherlich viel zu erzählen habt, aber jetzt beginnt leider der Unterricht. Also ab auf eure Plätze.", sprach ich, sobald die Kinder ihre Gespräche unterbrochen hatten und ich ihre Aufmerksamkeit hatte.
Kurz ruhten die Blicke von dreiundzwanzig Kindern auf mir. In einigen der Gesichtern zeichnete sich Überraschung ab. Scheinbar waren sie so sehr in ihren Gesprächen vertieft, dass sie ihr Zeitgefühl verloren hatten und ihre Umgebung völlig ausgeblendet hatten. Ihnen war meine Anwesenheit nicht aufgefallen.
Langsam und nur widerwillig lösten sich die Gruppen auf und alle suchten ihre Plätze auf. Keinem schien es zu gefallen, dass jetzt der Unterricht beginnen würde und ich konnte sie ein Stück weit verstehen. Aber die Pause würde bald wieder kommen und dann konnten sie alle ihre Gespräche fortführen.

Die Hälfte der ersten Schulstunde hatten wir schon hinter uns gebracht, als es plötzlich an der Tür klopfte und der Rektor eintrat. Verwundert stoppte ich in meinen Erklärungen zur letzten Matheaufgabe und sah zur Tür des Klassenzimmers. Normalerweise kam er nie unangemeldet in den Unterricht. Wenn es etwas Wichtiges gab, dann ließ er meist den Schüler oder Lehrer ausrufen oder wartete bis zur Pause, um mit der Person zu sprechen.

„Entschuldigen sie die Störung, Herr Sugawara. Aber ich wollte Ihnen persönlich Ihren neuen Schüler bringen.", entschuldigte er sich.
Der Rektor war ein älterer Herr, dessen Haar schon weiß war, als ich damals die Stelle angenommen hatte.

„Oh. Vielen Dank.", antwortete ich überrascht. Bis jetzt hatte ich nicht gewusst, dass ich einen neuen Schüler bekommen würde. Normalerweise wurde uns Klassenlehrern ein Neuankömmling einige Tagen vorher angekündigt, damit wir uns vorbereiten konnten. Aber bis jetzt hatte ich noch keinerlei Auskunft darüber erhalten, dass meine Klasse Zuwachs erhielt. Es war äußerst selten, dass mitten im Schuljahr jemand die Schule wechselte. Meiner Meinung nach, war so etwas auch einfach nur unvernünftig.
Während des ersten Schuljahres hatten sich Freundschaften gefestigt und Gruppen gebildet mit denen sie ihre Freizeit verbrachten. Sie hatten ihre festen Partner für den Sportunterricht und saßen im Unterricht neben ihren Lieblingsnachbarn. Für die Kinder waren diese Strukturen unveränderlich bis sie die Mittelschule besuchen würden oder die Klassen neu gemischt wurden. Ein Neuzugang hatte es immer schwer sich in bestehende Gruppen einzufügen.

Oftmals waren sie nicht auf dem gleichen Wissensstand in den Schulfächern, was bedeutete, dass sie zu Hause sich Dinge selbst erarbeiten mussten. Gerade in der Grundschule ging dies in der Regel schief. Siebenjährige waren nun einmal noch nicht in der Lage sich Wissen selbst anzueignen und die Eltern hatten meist keine Zeit, um mit ihnen gemeinsam den Stoff durchzugehen. Durch das zusätzliche Lernen hatten die Neuzugänge oftmals noch weniger Freizeit, was es noch schwerer machte Anschluss unter den Gleichaltrigen zu finden.
Dazu kam noch die neue Umgebung an der sie sich gewöhnen mussten und sie vermissten auch ihre alte Heimat. Zum Glück gab es nur selten solche Schüler und selbst wenn mal eine Familie umziehen musste, so dass ein Schulwechsel unausweichlich war, warteten die meisten Eltern bis ein neues Schuljahr begann. Meiner Meinung nach die beste Option.
Leider ließ es sich manchmal nicht vermeiden oder die Eltern waren einfach zu egoistisch, um auf ihr Kind Rücksicht zu nehmen. Diese Sorte von Erziehungsberechtigte konnte sich meist auch nicht in die Lage eines Kindes hineinversetzen und konnten oder wollten nicht verstehen, was das Kind alles durchmachte.

Noch bevor ich zu meinem neuen Schüler blicken konnte, tat er mir leid. Das restliche Schuljahr würde nicht einfach für ihn werden, aber ich war fest entschlossen ihm so gut zu helfen wie es nur ging. Als Lehrer war es meine Aufgabe ihn zu unterstützen.

„Na dann. Ich will Ihren Unterricht auch nicht weiter stören.", sprach der Rektor mit einem kurzen Nicken. „Viel Spaß noch im Unterricht." Kurz drehte er sich zu meinen Schülern um.

„Und ihr habt lernt schön fleißig." Mit diesen Worten drehte er sich um und verließ den Klassenraum. Sobald die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, blinzelte ich kurz und wandte meinen Blick zu dem Jungen, der im Klassenzimmer ziemlich verloren wirkte. Seine dunkelbraunen Augen zuckten kurz zu seinen Mitschülern, bevor er seinen Blick auf seine Schuhe senkte. Unterhalb seines rechten Auges klebte ein blaues Pflaster auf den lauter Superhelden abgebildet waren. Um seinen rechten Arm war ein Gipsverband. Als Lehrer hatte ich schon öfters erlebt, dass sich die Jungen in diesem Alter den Arm brachen. Oftmals waren sie zu übermütig und überschätzen sich, wenn sie auf Bäume kletterten oder waghalsige Stunts in den Pausen vollführten.

Trotzdem verkrampfte sich mein Magen für einen Moment. Ein gebrochener Arm bedeutete, dass er in den Pausen nicht rennen und toben durfte. In den nächsten Wochen würde er nicht mit den anderen Kindern spielen können. Es würde also noch schwieriger werden Freunde zu finden. Sofort stiegen meine Sorge um den Jungen und ich hatte das Gefühl ihn helfen und beschützen zu müssen. Noch nie hatte ich untätig sein können, wenn ich sah, dass meine Mitmenschen benötigen. Meine Freunde zogen mich immer wieder auf, dass ich Mutterinstinkte besaß. In der Schulzeit hatten sie mich liebevoll „Sugamom" genannt, weil ich immer für sie da war, wenn sie mich brauchten.
Ich schluckte kurz und zwang mich, dazu mich zusammenzureißen. Sonst würde ich in von vornherein bevorzugen.

Während ich ihn betrachtete, starrte der Schüler seine Schuhspitzen an und schien kein Interesse für seine neue Klasse zu haben. Das war kein gutes Zeichen. Hoffentlich war er einfach nur schüchtern und brauchte nur etwas Zeit. Ansonsten würde es für ihn ein sehr einsames Schuljahr werden.

„Also, wie ihr mitbekommen habt, habt ihr einen neuen Mitschüler. Ich erwarte von euch, dass ihr ihm alle helft.", wandte ich mich an meine Klasse und versuchte so den ersten Kontakt zwischen ihnen herzustellen. In der Hoffnung ihn so

„Ja, Herr Sugawara!", erklang es im Chor, was mich lächeln ließ. Dieses Schuljahr mochte ich meine Klasse besonders, denn sie hielt zusammen und half sich gegenseitig. Schon immer hatte ich Wert auf einen guten Klassenverband gelegt und wie in jedem Schuljahr hatte ich von Beginn an darauf geachtet, dass sich alle gegenseitig halfen und unterstützten. Manche Klassen schafften es nicht, diese Werte zu verinnerlichen, andere brauchten ihre Zeit. Aber diese Klasse hatte von Anfang an zusammengehalten. Ich hoffte, dass sie auch ihren neuen Mitschüler dabei halfen sich hier zurecht zu finden.
Ich wollte schon zum weiterreden ansetzen und den neuen Schüler vorstellen, als mir einfiel, dass ich seinen Namen nicht wusste. Der Rektor hatte vergessen ihn mir vorzustellen.
Vielleicht war es auch ganz gut so, denn ich merkte wie meine Mutterinstinkte mit mir durchgingen. Normalerweise ließ ich neuen Schülern immer erst die Chance sich selbst vorzustellen, um sich der Klasse zu nähern.

„Gut. Also, willst du dich der Klasse kurz vorstellen?", fragte ich nun den Jungen. Langsam hob er seinen Blick und sah mich an.

Seine Lippen waren fest aufeinander gepresst und er blinzelte ein paar Mal. Es verstrichen einige Minuten, in denen ich geduldig auf eine Antwort wartete. Ich wusste, dass es sehr viel Mut erforderte vor einer Klasse zu sprechen. Als ich als Lehrer angefangen hatte zu arbeiten, hatte ich auch Angst gehabt. Manchmal half es, wenn man etwas Zeit hatte sich zu sammeln. Aber der Neue schwieg beharrlich und wandte schließlich seinen Blick wieder auf seine Schuhspitzen. Hinter mir hörte ich, wie die ersten Schüler unruhig wurden und mit ihren Sitznachbarn anfingen zu tuscheln. Es gab zwar immer mal wieder schüchterne Kinder, aber selbst diese stellten sich wenigstens mit ihrem Namen vor. Sein Verhalten war doch recht seltsam.

„Hey. Du musst keine Angst haben. Wir alle freuen uns, dich kennen zu lernen.", sprach ich aufmunternd und ging vor dem Kleinen in die Hocke. Ich hatte die Erfahrung gemacht, dass sich Kinder wohler fühlten, wenn man sich mit ihnen auf Augenhöhe befand.
Seine dunkelbraunen Augen blickten einen Moment zu mir. Lang genug, damit ich den traurigen Glanz in seinen Augen erkennen konnte. Er schien seine alte Heimat zu vermissen. Ihn so traurig zu sehen, übertrug sich direkt auf mich. Es war sicher nicht einfach für ihn, aber trotzdem war es ungewöhnlich, dass der Junge weiterhin beharrlich schwieg.

„Hey, wenn du nicht willst, musst du dich der Klasse nicht vorstellen. Ich kann es für dich übernehmen, wenn du willst.", bot ich ihm nach einigen Minuten an, um ihm so etwas Druck zu nehmen. Ich wollte ihn zu nichts zwingen. Es wäre nur ein verdammt schlechter Start an dieser Schule und er würde noch genug andere Probleme durch den Schulwechsel haben. Ich wollte ihm wenigstens den Start etwas erleichtern.
Auf mein Angebot hin, nickte der Junge leicht.

„Gut. Würdest du mir kurz deinen Namen verraten? Ich bin übrigens Herr Sugawara.", fuhr ich fort und wartete geduldig auf eine Antwort.

Statt mir eine Antwort zu geben, nahm der Junge umständlich seinen Rucksack von den Schultern und zeigte mit seinem linken Arm auf einen MSBY Black Jackals Anhänger. Verwirrt beobachtete ich das Geschehen und fragte mich, warum er nicht einfach mit mir sprach. Konnte er vielleicht gar nicht sprechen? Aber das hätte der Rektor mir doch gesagt? Oder? Er war zwar alt, aber nicht debil. So eine wichtige Information hätte er mir doch mitgeteilt....
Kurz runzelte ich meine Stirn und betrachtete den Anhänger an seinem Rucksack genauer. Hinata wäre bei dem Anblick des Anhängers sicherlich begeistert. Er freute sich immer, wenn er Fans von seinem Team begegnete. Der Junge schien Volleyball zu mögen und ich nahm mir vor, ihm später vorzuschlagen, dem Volleyballclub beizutreten. Es war leichter neue Freunde zu finden, wenn sie dieselben Interessen teilten.
Ich nahm den Anhänger in meine Hand und drehte ihn.

Auf der Rückseite war in einer filigranen Handschrift der Namen des Jungen und seine alte Adresse aus Yamagata aufgeschrieben. Anscheinend hatte seine Eltern das Schild nicht auf den neuesten Stand gebracht.

Torioo Miwa
012-134-07F
Familie Miwa
Yamagata
990-0067 Japan


Verwirrt über das sonderbare Verhalten Torioos, ließ ich den Anhänger los.

„Freut mich dich kennenzulernen." Noch einmal lächelte ich Torioo aufmunternd an, stand dann auf und wandte mich wieder der Klasse zu. Ich bezweifelte, dass er mir diesmal eine Antwort geben würde.
Stattdessen wandte ich mich wieder der Klasse zu und stellte ihnen den Neuankömmling vor. Danach zeigte ich ihm seinen Sitzplatz und setzte den Unterricht fort.


Mit einem Lächeln beobachtete ich, wie ein Schüler nach dem anderen den Klassenraum verließ. Viele redeten freudig miteinander und schmiedeten Pläne für den Nachmittag. Ich hatte gerade die letzte Unterrichtsstunde beendet und sie in ihre wohlverdiente Freizeit entlassen.

„Hey, soll ich dir helfen?", hörte ich Yataro Satos Stimme. Er war einer der aufgeweckteren Schüler, der seit neuestem im Volleyballclub war. Ich hatte von Yamaguchi gehört, dass er ein guter Spieler sein soll. Seit diesem Schuljahr trainierte unser ehemaliges Aufschlags Ass das Grundschulteam. Er hatte mir bei unserem letzten Treffen davon erzählt. Eigentlich hatte ich schon längst einmal bei einer Trainingsstunde vorbeisehen wollen, aber allein der Gedanke eine Turnhalle zu betreten, erinnerte mich an eine Zeit, die ich am liebsten aus meinen Erinnerungen streichen wollte.
Normalerweise war Yataro einer den ersten Schülern, die aus dem Klassenzimmer stürmten. Deshalb war ich umso überraschter, dass er noch immer hier war.
Yataro stand bei Torioo, der noch immer damit beschäftigt war, seine Sachen in den Rucksack zu packen.
Der neue Schüler hielt für einen Moment inne und blickte zu Yataro, der ihn noch immer neugierig musterte. Langsam schüttelte Torioo den Kopf und versuchte mühselig seine Hefte weiter einzupacken.

„Komm lass dir helfen! Weißt du, gleich ist Volleyballtraining und ich will auf keinen Fall zu spät kommen.", quengelte Yataro und nahm einfach die Hefte aus der Hand des neuen Mitschülers.
Normalerweise war Yataro ein Schüler, der nur selten anderen half. Meist war er auf sich fokussiert und blieb in seiner Jungsgruppe, die sich um ihn gescharrt hatte.

„Sag mal, du magst doch auch Volleyball. Willst du nicht mit zum Training kommen?", redete er unbeirrt weiter, ohne Toorios Schweigen weiter Beachtung zu schenken. Es war das erste Mal, dass ich mitbekam, wie er jemanden zum Training einlud. Zwar hatte Yataro immer jemanden um sich, aber ich hatte noch nie gehört, dass er sich mit seinen Freunden über Volleyball unterhielt. Aus seinem Freundeskreis, war er als Einziger dem Club beigetreten.
Torioo stand auf und nahm seinen Rucksack in die linke, gesunde Hand. Kurz biss der Neue sich auf die Lippen, dann schüttelte er leicht den Kopf.

„Warum nicht? Du magst doch Volleyball. Ich meine du hast einen MSBY Anhänger! Gut, die Schweiden Adlers sind zwar viel cooler, weil sie Kageyama haben und damit super coole Angriffe draufhaben, aber MSBY ist auch nicht schlecht.", versuchte Yataro ihn zu überzeugen. Torioo trat unruhig von einem Fuß auf den anderen. Auf mich machte er den Eindruck, als würde er Yataro gerne begleiten wollen. Kurz hob Torioo seinen gebrochenen Arm hoch und schüttelte dann den Kopf. Er schien sich damit entschuldigen zu wollen, aber Yataro interessierte es nicht.

„Komm schon, Miwa. Das wird unendlich cool! Ich bin das Ass des Teams und du könntest doch auch mitspielen! Wir bräuchten noch einen Zuspieler! Dann könntest du mir immer die Bälle zuspielen und ich schmettere sie dann in das gegnerische Feld!", rief Yataro enthusiastisch und seine Augen glänzten freudig.
Ich konnte mir nur zu gut vorstellen, was ihm gerade durch den Kopf ging. Es freute mich, dass Yataro sich für den neuen Schüler interessierte und mit ihm unbedingt zusammenspielen wollte. Durch sein Interesse, konnte Torioo leichter Anschluss finden und damit wäre der Start für ihn leichter.

„Sato, es ist wirklich sehr nett, dass du Miwa zum Volleyballtraining einlädst, aber seine Eltern warten sicher schon zu Hause auf ihn. Wenn er noch länger ohne Bescheid zu sagen in der Schule bleibt, machen sie sich sicher Sorgen um ihn. Er sollte heute nach Hause gehen. Lade ihn doch einfach zu eurem nächsten Training ein.", schaltete ich mich nun ein.
Überrascht ob Yataro den Kopf und blickte in meine Richtung, während Torioo wieder seinen Blick senkte.
Bis jetzt hatten sie nicht bemerkt, dass ich ihr Gespräch mitbekommen hatte.

„Aber-", begann Yataro mir zu widersprechen, schien es sich aber im selben Moment anders überlegt zu haben. „In Ordnung, Herr Sugawara."
Für einen Moment huschte ein enttäuschter Ausdruck über sein Gesicht.
Yataro schien es nicht zu gefallen, dass Torioo ihn heute noch nicht zum Training begleiten durfte.

„Aber nächste Woche kommst du mit! Wir brauchen dich als Zuspieler! Glaub mir, wenn wir ein paar Mal zusammen trainiert haben, wirst du mir genauso gut wie Kageyama zuspielen können!", sprach Yataro in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete.
Kurz weiteten sich Torioos Augen, dann nickte der Junge leicht und sah wieder auf seine Schuhspitzen. Das Nicken schien Yataro als Antwort zu genügen, denn ein breites Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit. Mit einem kurzen Winken verabschiedete er sich von seinem neuen Freund.

„Gut, dann sehen wir uns morgen!", rief er noch Torioo zu und verschwand dann aus dem Klassenzimmer. Torioo folgte seinem Beispiel.

Besorgt sah ich meinem neuen Schüler hinterher. Den ganzen Schultag hatte Torioo geschwiegen und seine Hefte angestarrt. Anfangs versuchte er noch mitzuschreiben, aber sein Gips hatte ihn dabei behindert. Ziemlich schnell hatte ich ihm die Erlaubnis gegeben, dass er nicht mitschreiben brauchte. Es brachte nichts, wenn er sich abmühte und dabei womöglich noch Schmerzen hatte.
Aber sein gebrochener Arm, machte mir weniger Sorgen. In ein paar Wochen würde diese Verletzung verheilt sein. Viel mehr beschäftigte es mich, dass der Junge nicht sprach. Selbst bei einem Gleichaltrigen hatte Torioo vehement geschwiegen.
Als ich Tür des Klassenzimmers abschloss, beschloss ich mit dem Rektor über den Jungen zu sprechen. Vielleicht konnte er mir erkläre, was es mit dem Verhalten von Torioo Miwa auf sich hatte.

Art of Moving onWo Geschichten leben. Entdecke jetzt