Kapitel 9

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Would you help me find a new way

Would you guide me through

All of this again

Sugawara:

„Also hat sich die Sache mit Takahashi geklärt?", fragte mich Frau Suzuki. Sie war die Klassenlehrerin der Parallelklasse. In regelmäßigen Abständen unterhielten wir uns über die Fortschritte unserer Schüler und tauschten so unsere Erfahrungen aus. Ich schätzte sie sehr als Kollegin und holte mir gerne Ratschläge von ihr.

In der ersten Pause hatte sie mitbekommen, wie eine meiner Schülerinnen geweint hatte. Ihr Lieblingsstift war am Ende der Stunde vom Tisch gefallen und war zerbrochen. Einige ihrer Klassenkameraden hatten sie deswegen ausgelacht. Sie konnten es nicht nachvollziehen, dass das Mädchen an einem Gegenstand so sehr hing.

Das Verhalten der Mitschülerinnen war nicht in Ordnung und als Suzuki mir von dem Vorfall berichtete, war mir klar, dass ich darüber mit meiner Klasse sprechen musste. So ein Verhalten duldete ich nicht. Weinen war nichts wofür man sich schämen sollte. Die erste Hälfte der dritten Stunde hatte ich damit verbracht mit meinen Schülern zu reden. Ich wollte, dass allen bewusstwurde, dass Gegenstände auch eine besondere Bedeutung haben konnten. Der zerbrochene Stift des Mädchens war ein Geschenk ihres Vaters gewesen, der durch seinen Beruf selten zu Hause war.

Er war Pilot und flog so gut wie nur die Langstreckenflüge. Mit tränenerstickter Stimme hatte Takasahi mir erzählt, wie ihr Vater den Stift aus Island mitgebracht hatte, als er letztes Jahr zu ihrem Geburtstag einmal zu Hause war. Es war wohl der erste Geburtstag an dem ihr Vater nicht arbeiten musste.

An diesem Stift hingen kostbare Erinnerungen. Ich selbst wusste nur zu gut, wie schwer es war sich von solchen Gegenständen zu trennen. Nach der Schule hatte ich all die Fotos von mir und Daichi verbrannt und das tat verdammt weh. In dieser Nacht hatte ich bitterlich geweint und das war vollkommen okay. Selbst in meinem Studium hatte ich noch oft geweint, weil ich Daichi vermisste und ich glaubte, dass auch meine Schülerin ihren Vater vermisste. Der einzige Unterschied war, dass sie ihr Vater sie liebte. Die Anfangszeit im Studium war schrecklich gewesen, aber ich habe erkannt, dass Tränen eine bereinigende Wirkung hatten. Sie schienen einen kleinen Teil von der Last auf meinen Schultern zu nehmen.

„Ja, Takahashis Stift ist zerbrochen. Ich habe mit meiner Klasse darüber geredet und die Schüler haben sich auch schon entschuldigt"

Ich hielt ihr die Tür des Lehrerzimmers auf. Suzuki lächelte dankbar und betrat den Flur. Ich folgte ihr.

„Sie nehmen sich wirklich viel Zeit für ihre Schüler"

„Ach, was", verlegen rieb ich mir den Hinterkopf und zuckte kurz mit den Schultern, „Ich mache nur meinen Job. Mehr nicht."

Frau Suzuki lachte leise und lief mit mir gemeinsam in Richtung Ausgang. Auch für uns ging ein anstrengender Schultag zu Ende. Nach dem Unterricht hatte ich Miwa mit Sato zum Volleyballtraining geschickt. Zwar konnte Miwa noch nicht am Training teilnehmen, aber sich wenigstens schon einmal den Club ansehen und das Team kennenlernen. Nachdem ich sein Zimmer gesehen hatte, war ich mir sicher, dass der Junge dem Club beitreten wird, sobald er sein Arm geheilt war. An der Wand seines Zimmers war das Logo der Black Jackals zu sehen. In einer Ecke lag ein Volleyball und auf seinem Schreibtisch stand ein Bild des japanischen Nationalteams.

Nun würde ich ihn bei der Turnhalle abholen und ihn mit zu mir nehmen. Noch immer wusste ich nicht so genau, was ich mir gestern dabei gedacht hatte auf Daichis Neffen aufzupassen. Ab heute würde ich ihn täglich sehen, dabei hatte ich genau das vermeiden wollen. Immerhin war es Daichis Neffe auf dem ich jetzt aufpasste. Gestern hatte ich versucht mir einzureden, dass ich es nur wegen dem Jungen tat. Miwa konnte nichts für die Taten seines Onkels. Das Schicksal hatte ihm übel mitgespielt und er litt unter der Situation am Meisten. Aber wenn ich ehrlich zu mir war, tat ich es auch wegen Daichi. Trotz allem, was er mir angetan hatte, wollte ich als Freund in dieser Zeit für ihn da sein. Als ich gestern seine müden Augen gesehen hatte, konnte ich nicht anders, als ihm meine Hilfe anzubieten. Dabei wusste ich, dass ich das noch bitter bereuen würde.

Art of Moving onWo Geschichten leben. Entdecke jetzt