The G-game | OBX

1 - The Pogues

Wir sind die Pogues. Unsere Mission für diesen Sommer ist 'ne gute Zeit zu haben. Die ganze Zeit.

,,Hey, willst du von da oben auf die Veranda fallen? Deine Überlebenschance dürfte eins zu drei betragen." Mein Blick huscht nach oben, wo John B an der Kante des Dachs balanciert. Er leckt seinen Finger ab und hebt ihn in die Luft. ,,Soll ich's tun?" ,,Ja, spring. Ich erschieß dich im Flug", antwortet Pope und zielt mit dem Bohrer auf ihn. Ich schüttle lächelnd den Kopf.

,,Sie lassen sich japanische Toiletten mit Handtuchwärmern einbauen." ,,Natürlich, wieso denn nicht?", fragt JJ, der neben mir sitzt, Kie, die gerade aus dem Haus kommt. ,,Früher haben hier Schildkröten gelebt", sie schaut nach oben, "aber wen interessieren schon Schildkröten." JJ sagt, dass kalte Handtücher ein No-Go wären, doch Kie hört ihm gar nicht mehr zu. Stattdessen schenkt sie John B und mir die Aufmerksamkeit.

,,Hast du mitbekommen, dass sich dein Bruder umbringen will?", fragt sie mich. Ich schaue nochmal zu ihm nach oben und grinse so, als würde ich nur darauf warten, bis er springt. ,,Ja, habe ich." John bemerkt mein Grinsen und schaut mich gespielt beleidigt an. ,,Verschütte das Bier nicht, du kriegst kein neues", kommt es von JJ. Und was passiert keine zwei Sekunden später? Anstatt sich selber bringt er das Bier um. ,,Und schon macht er es, hab ihn gerade erst gewarnt." ,,Sehr geschickt", sagt Kie. Erneut schüttle ich den Kopf. Was ein Idiot.

Während John B flucht, macht Pope uns darauf aufmerksam, dass der Wachschutz da ist. ,,Jetzt schon?", fragt John. ,,Komm runter, lass uns gehen", antwortet JJ. ,,Kommt Leute", sagt Kie, die schon auf uns wartet. Ich klettere das Gerüst herunter. ,,Gary, bist du das?", fragt JJ. ,,Ja, ihr wisst, dass ich's bin!" Nachdem auch John B und JJ auf der Veranda angekommen sind, rennen wir los.

Lachend sprinten wir durchs Haus, welches noch gebaut wird, nach unten, wo JJ beinahe von einer der Wachmänner abgefangen wird. ,,Keine Umarmungen, bitte!" Wir rennen weiter und springen über den Zaun. ,,Pope, steh auf. Wir müssen weg!", sage ich lachend, da er auf den Boden gestürzt ist. Kurz danach laufen wir JJ hinterher, als John B und Kie mit dem Van angefahren kommen und hupen. Der Wachmann ruft nach uns, jedoch sind wir schon eingestiegen. Wir fahren los, werden aber immer noch von Gary verfolgt.

,,Hey, hey!" ,,Gary will 'ne Gehaltserhöhung", sagt Pope. ,,Leute, er kriegt noch einen Herzinfarkt." Wir ignorieren Kiaras Aussage und lachen nur. JJ lehnt sich aus dem Van heraus und streckt sein Bier aus der offenen Tür. ,,Du bist nah dran! Willst du's?" Er wirft das Bier Gary zu. ,,Oh, die zahlen dir nicht genug!" Kie zieht JJ wieder rein. ,,Hör auf." ,,Was denn? So viel Initiative schreit nach Bestrafung."

Darf ich vorstellen? Outer Banks. Das Paradies auf Erden. Ein Ort, wo man entweder zwei Jobs oder zwei Häuser hat. Zwei Stämme, eine Insel.

Während die anderen immer noch lachen, klettere ich nach vorne auf den Beifahrersitz. Gerade fahren wir durch Figure Eight, die reiche Seite der Insel. Das Zuhause der Kooks. Also nicht da, wo wir leben.

Es dauert nicht lange, bis wir die Southside erreicht haben. Auch Cut genannt. Hier leben die, die ihr Geld mit Kellnern, Jachten reinigen oder als Skipper verdienen. Der natürliche Lebensraum von den Pogues. Das sind wir.

Pogues sind kleine Köderfische. Die unterste Stufe der Nahrungskette. Der Nachteil des Pogues-Lebens: Wir werden ignoriert und vernachlässigt. Der Vorteil davon ist: Wir werden ignoriert und vernachlässigt. Deswegen tun wir was wir wollen und wann wir's wollen.

Fangen wir bei John B an, mein Zwillingsbruder und der sogenannte Leader unserer Gruppe. Die Beziehung zwischen uns ist nicht wie bei anderen Geschwistern. Klar gibt es ab und zu Streitereien, trotzdem ist er der wichtigste Mensch in meinem Leben. Wir reden über all unsere Probleme und können uns alles anvertrauen. Besonders seit unser Vater verschwunden ist, halten wir noch mehr als zuvor zusammen. Seitdem macht er sich aber auch viel mehr Sorgen um mich. Er wurde nämlich ganze zwei Minuten früher als ich geboren und muss natürlich den großen Bruder spielen, obwohl ich auch ganz gut auf mich selber aufpassen kann. Auch, wenn er manchmal ein Trottel ist, liebe ich ihn über alles.

Dann ist da JJ, mein bester Freund. So einheimisch wie's nur geht: Ein Spross angelnder, trinkender, schmuggelnder Fischkopf, der vom Wasser lebt. Er war derjenige, der mir nach Johns dutzenden, gescheiterten Versuchen das Surfen beigebracht hat. Wenn man mit ihm abhängt, wird einem nie langweilig. Bisher wurde ich von seinen expliziten Kommentaren verschont. Ich weiß zwar nicht warum, aber ich beschwere mich nicht darüber. Er bringt mich immer zum Lachen, auch, wenn es mir mal nicht so gut geht. JJ benimmt sich gelegentlich daneben. Trotzdem bin ich froh, ihn zu haben. Er bedeutet mir viel.

Kommen wir zu Kiara. Wir nennen sie auch Kie. Wenn sie gerade nicht Schildkröten rettet, Bob Marley hört oder sich ein Delfin tätowieren lässt, hängt sie mit uns ab. Niemand von uns weiß genau warum. Ihre Eltern sind reich und sie ist in beiden Welten unterwegs, aber ich bin erleichtert, dass sie in unserer Gruppe ist, denn ganz alleine mit drei Jungs würde ich das nie überleben. Ihrer Familie gehört das Wreck, das beste Restaurant in Outer Banks. Von uns allen ist sie mit Sicherheit die Vernünftigste. Nicht, dass ich das nicht wäre, jedoch bin ich leicht von den Jungs zu beeinflussen und mache jeden Scheiß mit.

Und dann gibt's noch Pope, das Gehirn der Gruppe. Stipendiumsanwärter und der klügste Mensch, den ich kenne. Ohne ihn würden wir bei nichts weiterkommen. Er ist etwas schräg, aber wir mögen ihn alle. Sein Vater ist ein legendärer Typ namens Heyward. Er kann einem alles besorgen, was man auf der Insel braucht. Von seinem genialen Sohn wird er wahrscheinlich nicht schlau, aber das ist egal. Er ist ein Pogue, so wie wir.

Und das ist die Crew!