9 - Dad's office

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Sarah hält vor dem Schloss an. ,,Danke fürs Fahren", sage ich und schnalle mich ab. ,,Kein Ding. Bis dann!" Ich lächle sie an und steige dann aus dem Auto, kurz darauf fährt sie auch schon wieder weg. Ich laufe zur Veranda.

Obwohl ich schon mal mit Rafe zusammen war, habe ich ihn noch nie so erlebt. Er hat mir in diesem Moment nicht nur weh, sondern auch Angst gemacht. Dieser Typ ist verrückt.

Auf einmal bekomme ich einen Arm über den Nacken gelegt. Ich zucke zusammen und schaue schnell nach links. John B. ,,Hey, alles okay?", fragt er verwirrt und entfernt seinen Arm wieder von mir. Ich atme tief aus. ,,Ja, ich hab mich nur erschrocken."

Gemeinsam mit JJ gehen wir auf die Veranda, wo schon Pope und Kie warten. ,,Leute, mit diesem Kompass hat es wohl etwas Grösseres auf sich als wir dachten", sagt JJ beunruhigt und gewinnt so Popes und Kies Aufmerksamkeit. Ich lasse mich neben Pope auf das grüne Sofa nieder.

,,Was meinst du damit?", fragt Kie und JJ fängt an zu erzählen, was passiert ist. ,,Also, wir sind zu Lana gefahren und hören diese laute Geräusche. Ich wollte abhauen, aber John B wollte ja unbedingt mehr über den Kompass erfahren. Wir waren draußen, so an der Wand." Er lehnt sich an die Backsteine, um es zu demonstrieren. ,,Und dann hören wir dieses 'Bam, bam, bam!'. Davon ist richtig die Farbe von der Wand abgeblättert, alles klar? Und dann sehe ich ihn so an- Wartet, sieht euch erst mal diesen Scheiß an." Er kommt zu uns, hält uns den Kopf hin und fährt sich mit seinen Händen mehrmals grob durch die Haare. ,,Lass das", sagt Pope. ,,JJ, das sind Schuppen", sage ich und schiebe ihn weg. ,,Seht euch das an. Das ist Farbe." Er schaut uns alle abwechselnd an. ,,Und ab diesem Moment war klar", er keucht kurz auf, ,,dass mich der Tod erwartet." So gestresst habe ich ihn schon lange nicht mehr gesehen.

Pope fragt ihn, ob er sie beschreiben kann. Irgendwelche Details, die er sich für eine Anzeige bei der Polizei gemerkt hat. JJ überlegt kurz. ,,Muskulös." Muskulös? ,,Muskulös", wiederholt Pope. ,,Das ist nicht sehr hilfreich", kommt es von Kie. JJ versichert uns, dass es Drogenschmuggler sein müssen, dann lehnt er sich wieder an die Wand und fängt an, an seiner Vape zu ziehen.

Wieder fangen Pope und JJ darüber zu diskutieren, wie die Schmuggler aussehen. ,,Mann, ich stand unter Druck und hatte nicht die Nerven Fotos in meinem Gehirn abzuspeichern, okay?", versucht es JJ Pope laut und deutlich klar zu machen. ,,Aber ich kann dir sagen", er holt nach Luft, ,,ich kann dir sagen: Sowie Lana sich die Seele aus dem Leib geschrien hat, sind diese Typen sehr ernst zu nehmende Hombres." Vorhin habe ich mir noch gewünscht, dass ich mit JJ und John B mitgegangen wäre, aber inzwischen habe ich es mir doch anders überlegt.

Kie fragt sich, wofür sie denn den Kompass brauchen. ,,Das Teil ist doch Schrott. Man würde dafür nicht mal fünf Dollar kriegen", kommt es von Pope. Mein Blick huscht zu ihm, worauf er auch zu mir schaut. ,,Nichts für Ungut", sagt er. ,,Ich weiß, dass es ein Erbstück ist-" ,,Das Arbeitszimmer", unterbricht John B Pope. ,,Was?", frage ich. ,,Das Arbeitszimmer von Dad." Dads Arbeitszimmer.

Dad hat sein Arbeitszimmer immer abgeschlossen, weil er Angst hatte, dass seine Konkurrenten seine Royal Merchant Forschungen klauen. Wir haben uns immer lustig darüber gemacht, weil er nicht locker gelassen hat, sie zu finden. Und als er verschwunden war, haben wir es einfach so gelassen, wie es war.

Wir folgen John B nach drinnen und stehen dann vor dem Arbeitszimmer. Er schließt es auf und wir marschieren hintereinander hinein. ,,Ich hab hier bestimmt 6000 mal übernachtet, aber diese Tür habe ich noch nie offen gesehen", sagt Pope.

John greift nach einer Pinnwand und zeigt sie uns. ,,Das ist der ursprüngliche Besitzer", sagt er und zeigt auf das oberste Bild mit Robert Q. Routledge. ,,Und da ist der Glückskompass." Kie zeigt auf die Schwarz-weiß Abbildung. ,,Eigentlich wurde er erschossen, nachdem er ihn gekauft hat", teilt ihr John B mit. ,,Danach hat den Kompass Henry bekommen. Kurz darauf hat er sich mit Pflanzenschutzmittel vergiftet." Ich bemerke die unsicheren Blicke der anderen. ,,Nach seinem Tod bekam Stephen den Kompass", redet John weiter. ,,Er hatte ihn dabei, als er in Vietnam starb." ,,Und er ist sicher bei einem Einsatz gestorben, richtig?", fragt JJ. ,,Na ja, fast.", melde ich mich. ,,Tatsächlich wurde er von einem Bananen-Laster überfahren." Wieder unsichere Blicke. ,,Jedenfalls: Danach wurde der Kompass weiter vererbt an ihn." John zeigt auf das nächste Bild. ,,An Dad." ,,Klingt nach einem wiederkehrendem Muster", äußert sich JJ. ,,Ja. Ihr habt da einen Todeskompass", sagt Pope. John B und ich sagen, das sei Schwachsinn, doch die beiden meinen, dass der Kompass verflucht wäre.

,,Schon gut." John setzt sich hin und schaut zu mir. ,,Dad hat doch oft über das Geheimfach hier gesprochen." ,,Ja, die Soldaten haben da Nachrichten aufbewahrt", sage ich und gehe zu ihm. Er schraubt den hinteren Teil des Kompasses auf. Da nichts zum Vorschein kommt, schüttelt er das runde Ding, was aber nicht viel bringt. ,,Was ist das?", fragt Kie und deutet auf die Innenseite des Deckels. ,,Das war vorher nicht da." John B und ich tauschen unsere Blicke aus. ,,Die Handschrift von Dad!", sagen wir beide im Chor. ,,Woher wollt ihr das wissen?", fragt Pope. ,,Weil er das ,R' so komisch schreibt, siehst du?", sagt John und streckt ihm den Deckel mit der eingekratzten Schrift entgegen. Er hat Recht. Dad hat das "R" immer in einem kantigen Stil geschrieben.

,,Darf ich?" JJ versucht das Wort zu lesen. ,,Red... oder ist das ein ,A'?" ,,Da steht ,Redfield'", stellt Kie fest. Wir fangen an zu überlegen, was "Redfield" bedeuten könnte, ausser, dass in der Gegend jeder so heißt. John meint, dass es vielleicht ein Hinweis darauf ist, wo er sich versteckt. Redfield...

Pope deutet auf ein Anagramm zu, worauf John B ihm Papier und Stift reicht. ,,Wie soll man sich konzentrieren, wenn dieses Vieh dauernd draußen rumschreit?", beschwert sich Pope über den Hahn, der schon die ganze Zeit über durch die Gegend singt. ,,JJ mag den Hahn", sage ich. "Ich mag den Hahn", kommt es ebenfalls von Kiara.

Obwohl wir nicht genau wissen, was ein Anagramm ist, versuchen wir es zusammen mit Pope herauszufinden. ,,Leute! Da ist jemand", ruft John B, jedoch nicht zu laut. Wir gehen zu ihm und schauen aus dem Fenster.

Zwei Männer steigen aus einem schwarzem Auto. ,,Jungs, sind sie das?", fragt Kie besorgt. Oh nein, bitte nicht. Niemand antwortet. ,,Sind das die Typen?", frage ich nun auch. ,,Nein, John B. Ich hab dir doch gesagt, dass-" ,,Hey, hey! Sieh mich an!" John B drückt JJ an die Wand, worauf er schwiegt. ,,Wo ist die Waffe?" ,,Die Waffe. Ich hatte sie..." Er überlegt. Ist das sein Ernst? ,,Jetzt brauchen wir sie mal und du hast sie nicht dabei?", sage ich panisch.

JJ erinnert sich wieder. Er hat sie in seinem Rucksack gelassen, welcher auf der Veranda liegt. Schnell öffnet er die Tür und läuft vorsichtig raus, doch es dauert nicht lange, bis er wieder zurück kommt und die Tür sofort wieder schließt. ,,Die sind schon auf der Veranda." Scheiße.

Draußen hört man lautes Gerümpel und immer wieder den Namen "Routledge" rufen. ,,Leute, das Fenster." JJ und Pope gehen schnell zum Fenster und versuchen es zu öffnen, aber anscheinend ist es mit Farbe verklebt. Während John B mit geschlossenen Augen an der Tür steht, reagieren Kie und ich schnell und suchen nach irgendetwas, was uns weiter helfen kann.

,,Routledge!" ,,Jungs, hier!" Kiara versucht die Farbe mit einem spitzigen Gegenstand zu lösen. ,,Mach schneller!", feuern JJ und ich sie an. Ich schaue zu John B, neben ihm steht nun Pope. Sie legen jeweils ein Finger vor den Mund und geben ein "Shhh" von sich.

Plötzlich wird gegen die Tür getreten. Wir fluchen und die anderen zwei kommen zu uns. Es dauert nicht lange, bis ein Schuss fällt. Was ist in letzter Zeit eigentlich los?!

Endlich öffnet sich das Fenster. ,,Los!", flüstert Kie. Wir verlassen nach und nach das Haus und rennen zum Hühnerstall. Dort verstecken wir uns.

John versucht die Situation vorsichtig zu beobachten, während JJ Pope sagt, dass er den Hahn zum Schweigen bringen soll. ,,Vielleicht musst du ihn streicheln oder mit ihm reden, keine Ahnung!", sagt Kie aufgebracht. Dieser Schreihals wird uns noch verraten.

John B geht zurück zu Kie und ich schaue ihn ängstlich an. Auf einmal packt JJ den Hahn am Hals, drängt ihn auf den Boden und drückt fest zu. Ich kneife meine Augen zusammen und schaue schnell in die andere Richtung. Der Hahn gibt noch ein paar Laute von sich, dann ist es still. Ich schaue langsam wieder zu den anderen. Das Tier ist tot.

Mein Blick huscht zu John B, der die Hand der weinenden Kiara nimmt, als eine Stimme außerhalb der Stahls ertönt. ,,Ratter! Was machst du da? Lass uns abhauen!" Kurz darauf hört man das Starten eines Motors und schließlich fährt das Auto weg. Ich atme tief aus.

Das ist ein Albtraum.

The G-game | OBXWo Geschichten leben. Entdecke jetzt