,,Was verschlägt meinen Casanova eigentlich ausgerechnet nach Stockholm?"
Mein Blick huscht zu der jungen Schönheit, die meine Hand regelrecht umklammert und aufgeregt jedes Detail in sich aufzunehmen versucht. Ihre Augen folgen vorbeihuschenden Personen, lesen Plakate und schauen immer wieder zu mir. Früher hat mir ihre Augenfarbe regelmäßig Angst eingejagt, bevor wir uns kannten und nur professionell auf unsere Arbeit fixiert waren, die uns eigentlich immer schon getrennt hat. Das dunkle Braun ihrer Augen erscheint bei schlechter Beleuchtung schnell gänzlich schwarz, als habe sie keine Seele in ihrem Wesen, das habe ich anfänglich auch angenommen, dabei bin ich selten so aufgeschlossenen Geistern begegnet. Sie ist offen für Neues und wird nie müde ihr Wissen zu vergrößern, weshalb sie mir letztes Jahr erzählte, dass sie erneut ein Studium angefangen hat. Nach dem abgebrochenen Jurastudium und den Abschlüssen in Kunstgeschichte und fast sämtlicher Sprachen, hat es ihr nun die Archäologe angetan, obwohl sie die wesentlichen Dinge nur noch abschreiben muss, miterlebt hat sie das Meiste selbst. Wenn sie so begeistert von etwas Neuem erzählt, ergreift mich jedes Mal die Angst, ihr zu langweilig zu werden, zu durchschaubar und konstant. Wir sind schon so lange so eng zusammen, dass ich sie sicherlich langweilen muss, jedenfalls hin und wieder mal. Wieso bleibt sie dann bei mir? Warum hat sie sich überhaupt für mich entschieden, immerhin steht ihr Hektor viel näher als ich es im Grunde tue? Und was bindet sie an mich all die Jahre über schon, weshalb sie nicht sprunghaft wechselt, obwohl sie das sonst in fast allen Bereichen tut?
,,Hey? Wo bist du nur wieder mit deinen Gedanken... ich habe dich gefragt, warum du dieses Jahr in Stockholm bist."
,,Ich dachte einfach, dass du dich freuen würdest, wenn wir uns hier in Stockholm treffen. Paris ist in diesen Zeiten so unsicher geworden und Rom kennen wir beide schon fast zu gut."
Schulterzuckend steige ich auf die Fähre, die uns auf die Insel bringen wird, auf der meine beschauliche Hütte steht. Sie ist fast nur im Sommer zu bewohnen und wird von mir vorraussichtlich bei meiner Abreise winterfest gemacht werden müssen, damit der Winter ihr nichts anhaben kann und ich sie später, wer weiß wann es mich wieder hierher nach Stockholm bringt, ohne große Probleme wieder bewohnen kann.
,,Du weißt, dass ich unser Herkunftsland immer vermisse und besuche so oft ich kann."
,,Der Herbst ist dort vielleicht deshalb immer so launisch. Mal regnet es wochenlang und dann ein Jahr fast gar nicht, von den Temperaturen muss ich nicht sprechen."
,,Stell dich nicht so an! Ich weiß, dass du Italien auch ewig lieben wirst."
,,Natürlich, allein weil du über diesen Boden gewandelt bist."
,,Du bist kitschig, Aurelius."
Sicherlich könnte ich etwas darauf antworten, aber Amelie lehnt sich längst gegen die Bordwand und starrt mit aufgerissenen Augen auf das Wasser. Ich frage mich, ob ihr die Gegend bekannt vorkommt. Wir waren vor vielen Jahren bereits hier und nach diesem Besuch habe ich das Haus gekauft. Seitdem möchte ich sie damit überraschen, aber es gibt so zahllose schöne Stellen auf dieser Erde, dass ich erst dieses Jahr wieder einen Fuß auf die Insel und in die Hütte gesetzt habe. Manche würden sagen, dass das Geld nur aus dem Fenster geworfen sei, aber ich verbinde so viele schöne Momente mit dieser blauen Hütte mit der gelben Tür und den weißen Fensterläden, dass ich niemanden dort einziehen lassen kann, rein aus Angst, dass er die Erinnerungsfetzen, die in er Luft hängen, achtlos zerstören und vertreiben könnte, sodass sie unwiederbringlich verschwunden wären.
,,Wohin fahren wir jetzt? Du hast mir noch immer nicht gesagt, wo du dieses Jahr wohnst. Also, ich liebe deinen Geschmack, aber kannst du es nicht so spannend machen?"
,,Du wirst es sehen."
,,Geb mir wenigstens einen Tipp! Bitte, bitte bitte bitte bitte. Ich hasse Überraschungen und das weißt du auch, also lass das und sag es mir. Sonst machst du doch auch nie so ein Geheimnis daraus."
,,Du liebst Überraschungen, das weiß ich, dafür kennen wir uns lange genug. Du wirst schon merken, wo wir anlegen."
,,Es ist aber nicht dieses kleine Sommerhaus aus Holz auf der abgelegenen Insel, oder? Oder ist es genau das?"
,,Hab einfach Geduld."
,,Wenn das nur so einfach wäre."
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Abstandsliebe
Paranormale,,Ich vermisse dich jedes Mal mehr, nachdem wir uns getrennt haben. Der Abstand wird immer schmerzlicher, Geliebter." ,,Ich hasse es auch, dass wir einander immer nur aus der Ferne anhimmeln können, aber es geht nicht anders."