04; Amelie

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,,Schau mal, man kann das sogar aufklappen und... oha, da sind so viele süße Tiere abgebildet! Jetzt schau doch mal."

,,Ich gucke doch schon die ganze Zeit dahin."

Ich lasse die Klappe wieder zu schnappen und dadurch verschwinden die runden Kugelaugen der verschiedensten Tierwesen wieder in der Dunkelheit. Begeistert drehe ich mich um meine eigene Achse, versuche alle Eindrücke in mich aufzunehmen, scheitere zwar kläglich, aber grinse den Mann trotzdem an, wegen dem ich jetzt hier bin. Es war eine wundervolle Idee, in ein Museum zu gehen und das soll er von mir aus auch gerne wahrnehmen können, denn anfänglich war ich offen gesagt mehr als skeptisch gewesen, als sich der Bus immer weiter von der Stadt entfernt hat und das unscheinbare Gebäude auftauchte, aber es kommt auf dessen inneren Werte an und bisher bin ich mehr als bloß oberflächlich begeistert.

,,Und was ist das denn für ein Teil?"

,,Setz dich mal drauf und probiere es einfach nur aus."

Aurelius deutet auf den niedrigen Hocker, der an einen Drehstuhl erinnert wie es sie in den Chemielaboren der Universität gab zu der Zeit, in der ich Biologie studiert habe. Man konnte sie früher in der Höhe an sich selbst anpassen, dieser runde Hocker sieht zwar nicht danach aus, aber trotzdem ist er mir vertraut. Langsam lasse ich mich auf das Holz sinken, stelle die Füße auf die Pedalen, die mir erst jetzt auffallen und stark an die eines Fahrrads erinnern. Vorsichtig umgreife ich die zwei Halterungen, die unter der Glasschüssel an einer Säule befestigt wurden.

,,Was soll ich denn jetzt machen? Trampeln oder was? Was passiert denn dann?"

,,Ganz genau das sollst du machen."

Behutsam beginne ich mich zu bewegen und plötzlich beginnt das Wasser zu sprudeln. Fassungslos halte ich sofort inne und starre in das Gefäß, in dem das Wasser allmählich offensichtlich abkühlt und aufhört zu sprudeln. Ich bewege meine Beine wieder und werde leicht schneller, dann sprudelt es wieder. Ein breites Grinsen bildet sich auf meinem Gesicht als ich das Prinzip verstehe. In dem Teil, den ich festhalte, muss ein Dynamo eingebaut worden sein, der meine Bewegungsenergie auf Heizspiralen überträgt, die das Wasser erhitzen. Begeistert springe ich auf, umrunde den Gegenstand und erblicke dann eine optisch sehr ähnliche Apparatur.

,,Das probiere ich auch mal aus."

Das abgewandelte Fahrrad steht an einer Säule, die in der Decke endet. Ich trete schneller und schneller und als Linus mich gerade ansprechen will, jedenfalls habe ich das Gefühl, aber er sagt nichts, brennt zischend eine Glühbirne an der Decke durch. Ich glaube in den ersten Momenten,  in denen ich fassungslos an die Decke schaue, dass das Geräusch pure Einbildung war, bis ich realisiere, dass ich wohl der Auslöser für den plötzlichen Ausfall bin. Erschrocken fahre ich von dem Gerät hoch.

,,War ich das etwa?"

Linus kann mir gar nicht wirklich antworten, denn er lacht. Und wie er lacht. Laut, schallend und so, dass uns jeder andere Besucher des Museums erstaunte Blicke zuwirft. Offenbar wird hier selten so laut gelacht. Das Gesicht des jungen Mannes wird langsam von rötlichen Flecken bedeckt und seine Wangen brennen regelrecht, dafür strahlt draußen die Sonne und offensichtlich zeigt der Sommer nochmal seine schönste Seite und beleuchtet das hübscheGesicht vor mir, wodurch seine Lippen noch fast voller wirken als so schon.

,,Ich... du... du hast die Glühbirne kaputt gemacht... mit... mit einem Fahrrad."

Linus wischt sich die Lachtränen von den Wangen, die allerdings schnell wieder nass werden. Er blinzelt und langsam beruhigt er sich wieder, er richtet sich auf, dann grinst der junge Mann mich so befreit an, dass ich augenblicklich all meine Sorgen und die böse Ahnung, dass wir nur wenige gemeinsame Tage haben, vergessen kann. Ich weiß nicht wie er das macht, aber in seiner Gegenwart scheine ich zu fliegen, wie ein Blatt im Herbststurm oder viel mehr getragen vom Sommerwind.

,,Komm, wir sollten besser gehen, bevor es jemand bemerkt und wir Ärger bekommen."

,,Wir sagen es am Ausgang und gut ist, vielleicht war die Glühbirne altersschwach."

,,Quatsch, die war bestimmt nicht alt."

,,Gut, stell dich so dar, als hättest du sie wirklich aktiv kaputt gemacht. Wollen wir dann jetzt weitergehen?"

,,Gern."

,,Dann komm, mein kleiner Rennfahrer."

,,Ach, du bist doof, aber ich hab dich trotzdem lieb."

,,Ich weiß."

AbstandsliebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt