,,Wie ist das möglich? Wie bist du an das Haus gekommen? Ich dachte, dass man es nicht mehr mieten kann."
,,Ich habe es auch nicht gemietet."
Fassungslos fährt mein Kopf zu ihm herum, während er seelenruhig den Motor des kleinen Bootes anschmeißt, um uns zu der kleinen Nebeninsel zu transportieren. Bis gerade habe ich versucht das Sommerhaus zwischen den Bäumen zu erspähen, aber es ist durch das dunkle Blau scheinbar so gut getarnt, dass ich es nicht erblicken kann, wenn es überhaupt diese Farbe behalten hat. Ich könnte ihn danach fragen, verliere mich aber in seinem Anblick. Aurelius trägt seine Haare länger als noch vor wenigen Jahren, aber bei weitem nicht mehr so lang wie in der Zeit, in der wir anfangs miteinander zu tun hatten. Da war es noch in der Mode, dass Männer Frisuren trugen, wie man sie heutzutage nur bei Frauen gewöhnt ist. Ich kann nicht leugnen, dass er immer gut aussieht, aber seine Worte haben mich überrascht. Linus war nie mein wortgewandtester Verehrer, allerdings erscheinen seine Worte dadurch anders, bedachter und ernster, auch wenn er es sich hin und wieder nicht nehmen lässt, mich gehörig auf den Arm zu nehmen. Seine Komplimente erscheinen durch seine Wortkargheit nur noch echter, auch wenn sich sein Vokabular in den letzten Jahren etwas geändert hat, seitdem er damit begonnen hat, die Bücher, die die Regale in seinen Sommerhäusern füllen, auch mal aufmerksam zu lesen und offenbar hat es ihm die Liebeslyrik ziemlich angetan.
,,Was soll das heißen, dass du es nicht gemietet hast? Bist du etwa eingebrochen? Oder sollen wir wieder in einem Ziegenstall daneben schlafen? Den Trick kenne ich schon, darauf falle ich ganz sicher nicht erneut herein."
Erst zucken seine Mundwinkel nur, dann lacht Linus lauthals. Immer wenn er auf diese Art und Weise lacht strahlen seine Augen in einem Farbton, der an einen wolkenlosen Himmel erinnert, wie er besonders für den Sommer typisch ist. Ich liebe diesen Farbton und die Meldoie seines Lachens. Seine Stimme kann noch so tief und rau klingen, wenn er lacht wird sie weich und jungenhaft als wäre er gerade mal vor wenigen Tagen 18 geworden.
,,Ich habe es gekauft."
,,Du hast es gekauft? Dir gehören doch schon so viele Sommerhäuser! Was ist mit dem Haus in Portugal, dem in Italien, dem in Moskau, der Wohnung in Tokio, den Häusern in Ozeainen und dem in Chile und wo du noch wohnen kannst? Willst du die alle behalten, obwohl du immer nur eines gewohnen kannst?"
,,Du kennst das doch. Ich muss weiterziehen und brauche auf jedem Kontinenten eine Behausung. Wenn ich also eh immer wieder weiterreisen muss, kann ich mir auch statt einem Hotelzimmer, gleich eine feste Bleibe suchen, die ich dann beziehen kann."
,,Du könntest es wie ich machen, das wäre sicherlich preiswerter."
,,Du wohnst in Hotels ohne festes Zuhause, das wäre nichts für mich. Freust du dich denn nicht darüber, wieder hier zu sein?"
Seine Stimme ist vorsichtig und ich ahne, dass er dieses Sommerhaus aus einem anderen Grund als die Restlichen geholt hat, nämlich wegen mir und unserem Spätsommertraum hier. Hier war unsere erste gemeinsame Zeit und hier am Strand vor dem Haus haben wir uns geschworen, jedes Jahr die kleine Überschneidung unserer Zeiten zu nutzen und uns jährlich irgendwo zu treffen. Seitdem ist kein Jahr vergangen, in dem wir uns nicht gesehen haben. Dieses Sommerhaus hat uns die Tür geöffnet, eine neue Perspektive gegeben und uns erst zusammengeführt. Es ist einfach unser Häuschen und genau deshalb hat Linus es der alten Besitzerin wohl abgekauft und gehütet wie einen Schatz, denn als wir um die nächste Felsnase biegen, erblicke ich die Hütte und sie sieht noch genau so aus, wie ich sie in Erinnerung habe. Die Bretter der Außenwände wurden erst vor wenigen Wochen frisch gestrichen, jedenfalls strahlen sie noch so und auch der Rest scheint in absoluter Topform zu sein.
,,Nein, ich liebe dich nur noch mehr dafür, dass du das getan hast."
,,Ich dachte, dass das schon gar nicht mehr geht."
,,Was sollte nicht mehr gehen?"
,,Dass du mich noch mehr vergöttern kannst."
,,Oh doch, weil du durch solche Aussagen in der Sympathie wieder rasant fällst."
,,Sonst wäre es auch bloß langweilig."
,,Wie du meinst, dann lass uns mal aussteigen, du Langweiler."
DU LIEST GERADE
Abstandsliebe
Paranormal,,Ich vermisse dich jedes Mal mehr, nachdem wir uns getrennt haben. Der Abstand wird immer schmerzlicher, Geliebter." ,,Ich hasse es auch, dass wir einander immer nur aus der Ferne anhimmeln können, aber es geht nicht anders."