Kapitel 10 - Ivy

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Mir dröhnt der Schädel und mein Magen fühlt sich noch immer flau an, obwohl ich mich heute Morgen schon zwei Mal übergeben habe. Beim zweiten Mal ist es allerdings nur noch brennende Galle gewesen, die meine Kehle hinaufgestiegen ist.

Etwas zu essen habe ich mich noch nicht gewagt, dabei ist es wirklich schwer gewesen, sowohl Adam, als auch Summer loszubekommen, die partout die Wohnung hatten nicht verlassen wollen, bevor ich nichts gegessen habe.

Summer ist gestern Abend irgendwann zu mir in mein Zimmer geschlüpft und hat mir beruhigend über den Rücken gestrichen, während ich mich in den Schlaf geweint habe. Sie ist die ganze Nacht nicht von meiner Seite gewichen und dafür bin ich ihr wirklich dankbar.

Heute früh habe ich den besorgten Blicke von ihr und Adam aber nicht mehr ertragen und sie fast schon aus der Wohnung geworfen, mit dem Argument, dass meine erste Vorlesung des Tages um acht startet. Grummelnd ist Summer gegangen und ich fühle mich noch immer schlecht, dass ich ihr vorenthalten habe, dass ich schon beim Öffnen meiner Augen beschlossen habe, Kinderpsychologie heute auszusetzten.

Als Alkoholleiche in dem kleinen Hörsaal, in dem ich mit nur zwanzig anderen Stundeten sitze, zu erscheinen, habe ich für absolut keine gute Idee gehalten. Außerdem ist mir unter der Dusche siedend heiß eingefallen, dass ich eigentlich gestern Abend die letzten Aufgaben meiner Matheübung hatte machen wollen. Durch die Halloweenparty gestern habe ich mein Übungsblatt völlig vergessen, weshalb ich jetzt mit pochendem Schädel am Küchentisch zwischen Chipskrümeln und Alkoholresten sitze, im Versuch wenigstens etwas auf die Reihe zu bekommen.

Dabei ist es eigentlich ausweglos. Mathe I für Nicht-Mathematiker ist für mich schon eine Herausforderung, wenn mein Gehirn auf Normalbetrieb läuft. Mit der Sparflamme in meinem Kopf, schaffe ich nicht einmal die erste Aufgabe, die normalerweise die einfachste das ganzen Blattes ist.

Verzweifelt vergrabe ich das Gesicht in meinen Händen und stöhne auf. Es sind zwar schon viele meiner Kommilitonen durch die Übungsstunden gekommen, ohne, dass das Fehlen ihrer Rechnungen aufgefallen wäre, aber in den vergangenen vier Wochen, bin ich jedes Mal unaufgefordert aufgerufen worden, um eine Aufgabe vorzurechnen oder meine Lösung zu präsentieren. Der Übungsleiter hat Summer und mich definitiv auf dem Kicker. Ich glaube, wir kichern ihm einfach zu viel und nehmen Mathe I für Nicht-Mathematiker aus seiner Sich nicht ernst genug.

Wenn ich Pech habe, wir das Konsequenzen nach sich ziehen und ich kann mir die Termine für das Modul Mathe I für Nicht-Mathematiker gleich im nächsten Semester in meinen Kalender eintragen.

Bereits in unserer ersten Vorlesung hat sich Summer furchtbar darüber aufgeregt, dass wir nicht eine Übung aussetzen dürfen, wenn wir das Modul bestehen wollen. Der verantwortliche Dozent hatte mit todernster Miene klar gemacht, dass die Übungsleiter dazu angehalten sind nur vollständig und ernsthaft bearbeitete Übungen zu akzeptieren. Im Zweifelswall liegt es zwar im Ermessensspielraum unseres Tutors und ich habe bisher von noch niemandem gehört, der das Modul frühzeitig beenden muss, aber ich will auch nicht selbst die erste sein.

Seufzend nehme ich die Hände wieder von meinem Gesicht und versuche mich auf die Aufgaben zu konzentrieren. Diese Woche hatten wir mit dem Thema Ableitungen begonnen, das hatte ich schon zu meiner Highschoolzeit gehasst und zu meinem Leidwesen, alles Wissen darüber, das ich besessen habe in dem brauche-ich-später-sowieso-nicht-mehr Ordner meines Gehirns abgespeichert. Dieser scheint direkt nach meinen Abschlussprüfungen ohne Möglichkeit auf Wiederherstellung gelöscht worden zu sein.

Ich stöhne frustriert, als ich die Textaufgabe vor mir nun schon zum dritten Mal lese, ohne bei den ersten beiden Malen auch nur ein Wort verstanden zu haben.

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